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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Gin Besuch beim ungarischen Reichstag,
März 1844.
Bon Ignaz Kuranda.



II.

Der Krönungsberg und die ungarische Loyalität. -- Der Schloßberg und die
Ruinen. -- DaS deutsche Theater in Preßburg und seine politische Wichtig¬
keit. -- Der Todtentanz. -- Sitzung der Ständctafel. -- Der ungarische Sä¬
bel. -- Deutsche Nachrede.

Preßburg! rief eine Stimme in die Kajüte, als das Schiff mit
einer raschen Schwenkung sich lenkte und der Dampf mit stärkerem
Pfeifen über unserem Haupte sich hören ließ. Alles eilte auf das
Verdeck. -- Was bedeutet jener Hügel, der dicht am Ufer terrassen¬
förmig sich emporhebt und mit einem Steingeländer umschlängelt ist?
-- Das ist der Krönungsberg, erwiederte Derjenige, an den ich meine
Frage gerichtet; hierher begeben sich die Könige von Ungarn gleich
nach der Krönung im feierlichen Zuge, um im Angesicht des Volkes
das Schwert des heiligen Stephan nach allen vier Weltgegenden
zu schwingen, zum Zeichen, daß sie bereit sind, das Reich gegen alle
Angriffe zu vertheidigen, von welcher Seite sie auch kommen mögen.
Nachdem der König dies gethan, kann er allein und ohne Beglei¬
tung durch das ganze Land reisen und sein Haupt in jeder Hütte
so ruhig niederlegen, als wäre er in seinem Palaste zu Wien von
allen seinen Garden bewacht.

-- Auch im Bakonyer Wald? fragte ich scherzend.



") Der Bakonyer Wald ist einer der größten Wälder Ungarns; er hat
nicht weniger als zwölf Meilen Länge und zwei bis fünf Meilen Breite. Die
vielen Schweinehirten, die hier die bekannten Bakonyer Säue mästen, so
wie die Zigeuner, machen det' Reise durch denselben gefährlich. Auch sagt man
in Ungarn scherzend, wenn Einer dem Andern einen bösen Streich spielen will:
Ich wollt', ich träfe Dich im Bakonyer Wald! --
Grmzl öde" I. 67
Gin Besuch beim ungarischen Reichstag,
März 1844.
Bon Ignaz Kuranda.



II.

Der Krönungsberg und die ungarische Loyalität. — Der Schloßberg und die
Ruinen. — DaS deutsche Theater in Preßburg und seine politische Wichtig¬
keit. — Der Todtentanz. — Sitzung der Ständctafel. — Der ungarische Sä¬
bel. — Deutsche Nachrede.

Preßburg! rief eine Stimme in die Kajüte, als das Schiff mit
einer raschen Schwenkung sich lenkte und der Dampf mit stärkerem
Pfeifen über unserem Haupte sich hören ließ. Alles eilte auf das
Verdeck. — Was bedeutet jener Hügel, der dicht am Ufer terrassen¬
förmig sich emporhebt und mit einem Steingeländer umschlängelt ist?
— Das ist der Krönungsberg, erwiederte Derjenige, an den ich meine
Frage gerichtet; hierher begeben sich die Könige von Ungarn gleich
nach der Krönung im feierlichen Zuge, um im Angesicht des Volkes
das Schwert des heiligen Stephan nach allen vier Weltgegenden
zu schwingen, zum Zeichen, daß sie bereit sind, das Reich gegen alle
Angriffe zu vertheidigen, von welcher Seite sie auch kommen mögen.
Nachdem der König dies gethan, kann er allein und ohne Beglei¬
tung durch das ganze Land reisen und sein Haupt in jeder Hütte
so ruhig niederlegen, als wäre er in seinem Palaste zu Wien von
allen seinen Garden bewacht.

— Auch im Bakonyer Wald? fragte ich scherzend.



") Der Bakonyer Wald ist einer der größten Wälder Ungarns; er hat
nicht weniger als zwölf Meilen Länge und zwei bis fünf Meilen Breite. Die
vielen Schweinehirten, die hier die bekannten Bakonyer Säue mästen, so
wie die Zigeuner, machen det' Reise durch denselben gefährlich. Auch sagt man
in Ungarn scherzend, wenn Einer dem Andern einen bösen Streich spielen will:
Ich wollt', ich träfe Dich im Bakonyer Wald! —
Grmzl öde» I. 67
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[0521] Gin Besuch beim ungarischen Reichstag, März 1844. Bon Ignaz Kuranda. II. Der Krönungsberg und die ungarische Loyalität. — Der Schloßberg und die Ruinen. — DaS deutsche Theater in Preßburg und seine politische Wichtig¬ keit. — Der Todtentanz. — Sitzung der Ständctafel. — Der ungarische Sä¬ bel. — Deutsche Nachrede. Preßburg! rief eine Stimme in die Kajüte, als das Schiff mit einer raschen Schwenkung sich lenkte und der Dampf mit stärkerem Pfeifen über unserem Haupte sich hören ließ. Alles eilte auf das Verdeck. — Was bedeutet jener Hügel, der dicht am Ufer terrassen¬ förmig sich emporhebt und mit einem Steingeländer umschlängelt ist? — Das ist der Krönungsberg, erwiederte Derjenige, an den ich meine Frage gerichtet; hierher begeben sich die Könige von Ungarn gleich nach der Krönung im feierlichen Zuge, um im Angesicht des Volkes das Schwert des heiligen Stephan nach allen vier Weltgegenden zu schwingen, zum Zeichen, daß sie bereit sind, das Reich gegen alle Angriffe zu vertheidigen, von welcher Seite sie auch kommen mögen. Nachdem der König dies gethan, kann er allein und ohne Beglei¬ tung durch das ganze Land reisen und sein Haupt in jeder Hütte so ruhig niederlegen, als wäre er in seinem Palaste zu Wien von allen seinen Garden bewacht. — Auch im Bakonyer Wald? fragte ich scherzend. ") Der Bakonyer Wald ist einer der größten Wälder Ungarns; er hat nicht weniger als zwölf Meilen Länge und zwei bis fünf Meilen Breite. Die vielen Schweinehirten, die hier die bekannten Bakonyer Säue mästen, so wie die Zigeuner, machen det' Reise durch denselben gefährlich. Auch sagt man in Ungarn scherzend, wenn Einer dem Andern einen bösen Streich spielen will: Ich wollt', ich träfe Dich im Bakonyer Wald! — Grmzl öde» I. 67

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/521>, abgerufen am 29.06.2024.