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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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V.
Notizen.

Berliner Untersuchungen. -- Bairischer Lapidarstyl.

-- Das Berliner Untersuchungswesen ist noch immer in voller
Blüthe; obgleich man sehen könnte, daß Nichts dabei herauskommt.
Herr Eichhorn läßt jetzt die philosophische Facultät untersuchen, wegen
der Veröffentlichung ihres Gutachtens über Nauwerk. -- Sogar in's
Militärische greift die geistliche Untersuchungsmanie hinüber und wir
werden es noch erleben, daß Feld- und Regimentsprediger wegen He-
gel'scher Ketzereien, vor's Kriegsgericht gestellt werden. In der That
war eine solche Episode schon halb und halb im Werk. Der Divi¬
sionsprediger Rupp ist wegen einiger Reden über H.ippels Ansichten
vom "christlichen Staat" von seinem General beim Kriegsministerium
verklagt worden. Der Kriegsminister, wahrscheinlich mehr Soldat als
der General, strich sich den Schnurrbart (?) und meinte, der Trödel
gehöre vor's geistliche Ministerium. Der General, entrüstet über die¬
sen kirchlichen Indifferentismus bei einem Manne, der an der Spitze
eines christlich-germanischen Heerwesens steht, soll sich mit seiner Klage
direct an den König gewendet haben. Man ist begierig, was aus
dem Handel werden wird. Es wäre nicht übel, wenn der schöne
Traum einiger Spottvögel in Erfüllung ginge und eines schönen Mor¬
gens Lieutenants und Fähndrichs, Corporale und Gemeine zusammen¬
treten müßten als Kriegsgericht, um einen Husarenwachtmeister oder
Gardelieutenant wegen entfernten Verdachts neuphilosophischer Ten¬
denzen zu verurtheilen. Die Dramatiker klagen ja ohnedies über
Mangel an modernen Lustspielstoffen.

-- An der Windmühle bei Erlangen wird ein Monument von
Schwanthaler aufgestellt, das folgende Inschrift tragen soll: "Verei¬
nigung des Mains und der Donau -- ein Werk -- von Karl dem
Großen versucht -- und begonnen und ausgeführt -- von Ludwig >.
König von Baiern." Diese lapidarische Ruhmredigkeit scheint uns
doch ein wenig ungeschickt. Abgesehen von der plutarchischen Paral¬
lele zwischen den zwei Monarchen, so könnte ein Boshafter sagen:
Sehr gut; bis in Deutschland ein Kanal, ein Werk der Einigung,
fertig wird, dauert es von Karl dem Großen bis zu Ludwig I. von
Baiern.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
V.
Notizen.

Berliner Untersuchungen. — Bairischer Lapidarstyl.

— Das Berliner Untersuchungswesen ist noch immer in voller
Blüthe; obgleich man sehen könnte, daß Nichts dabei herauskommt.
Herr Eichhorn läßt jetzt die philosophische Facultät untersuchen, wegen
der Veröffentlichung ihres Gutachtens über Nauwerk. — Sogar in's
Militärische greift die geistliche Untersuchungsmanie hinüber und wir
werden es noch erleben, daß Feld- und Regimentsprediger wegen He-
gel'scher Ketzereien, vor's Kriegsgericht gestellt werden. In der That
war eine solche Episode schon halb und halb im Werk. Der Divi¬
sionsprediger Rupp ist wegen einiger Reden über H.ippels Ansichten
vom „christlichen Staat" von seinem General beim Kriegsministerium
verklagt worden. Der Kriegsminister, wahrscheinlich mehr Soldat als
der General, strich sich den Schnurrbart (?) und meinte, der Trödel
gehöre vor's geistliche Ministerium. Der General, entrüstet über die¬
sen kirchlichen Indifferentismus bei einem Manne, der an der Spitze
eines christlich-germanischen Heerwesens steht, soll sich mit seiner Klage
direct an den König gewendet haben. Man ist begierig, was aus
dem Handel werden wird. Es wäre nicht übel, wenn der schöne
Traum einiger Spottvögel in Erfüllung ginge und eines schönen Mor¬
gens Lieutenants und Fähndrichs, Corporale und Gemeine zusammen¬
treten müßten als Kriegsgericht, um einen Husarenwachtmeister oder
Gardelieutenant wegen entfernten Verdachts neuphilosophischer Ten¬
denzen zu verurtheilen. Die Dramatiker klagen ja ohnedies über
Mangel an modernen Lustspielstoffen.

— An der Windmühle bei Erlangen wird ein Monument von
Schwanthaler aufgestellt, das folgende Inschrift tragen soll: „Verei¬
nigung des Mains und der Donau — ein Werk — von Karl dem
Großen versucht — und begonnen und ausgeführt — von Ludwig >.
König von Baiern." Diese lapidarische Ruhmredigkeit scheint uns
doch ein wenig ungeschickt. Abgesehen von der plutarchischen Paral¬
lele zwischen den zwei Monarchen, so könnte ein Boshafter sagen:
Sehr gut; bis in Deutschland ein Kanal, ein Werk der Einigung,
fertig wird, dauert es von Karl dem Großen bis zu Ludwig I. von
Baiern.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda.
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[0520] V. Notizen. Berliner Untersuchungen. — Bairischer Lapidarstyl. — Das Berliner Untersuchungswesen ist noch immer in voller Blüthe; obgleich man sehen könnte, daß Nichts dabei herauskommt. Herr Eichhorn läßt jetzt die philosophische Facultät untersuchen, wegen der Veröffentlichung ihres Gutachtens über Nauwerk. — Sogar in's Militärische greift die geistliche Untersuchungsmanie hinüber und wir werden es noch erleben, daß Feld- und Regimentsprediger wegen He- gel'scher Ketzereien, vor's Kriegsgericht gestellt werden. In der That war eine solche Episode schon halb und halb im Werk. Der Divi¬ sionsprediger Rupp ist wegen einiger Reden über H.ippels Ansichten vom „christlichen Staat" von seinem General beim Kriegsministerium verklagt worden. Der Kriegsminister, wahrscheinlich mehr Soldat als der General, strich sich den Schnurrbart (?) und meinte, der Trödel gehöre vor's geistliche Ministerium. Der General, entrüstet über die¬ sen kirchlichen Indifferentismus bei einem Manne, der an der Spitze eines christlich-germanischen Heerwesens steht, soll sich mit seiner Klage direct an den König gewendet haben. Man ist begierig, was aus dem Handel werden wird. Es wäre nicht übel, wenn der schöne Traum einiger Spottvögel in Erfüllung ginge und eines schönen Mor¬ gens Lieutenants und Fähndrichs, Corporale und Gemeine zusammen¬ treten müßten als Kriegsgericht, um einen Husarenwachtmeister oder Gardelieutenant wegen entfernten Verdachts neuphilosophischer Ten¬ denzen zu verurtheilen. Die Dramatiker klagen ja ohnedies über Mangel an modernen Lustspielstoffen. — An der Windmühle bei Erlangen wird ein Monument von Schwanthaler aufgestellt, das folgende Inschrift tragen soll: „Verei¬ nigung des Mains und der Donau — ein Werk — von Karl dem Großen versucht — und begonnen und ausgeführt — von Ludwig >. König von Baiern." Diese lapidarische Ruhmredigkeit scheint uns doch ein wenig ungeschickt. Abgesehen von der plutarchischen Paral¬ lele zwischen den zwei Monarchen, so könnte ein Boshafter sagen: Sehr gut; bis in Deutschland ein Kanal, ein Werk der Einigung, fertig wird, dauert es von Karl dem Großen bis zu Ludwig I. von Baiern. Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/520>, abgerufen am 29.06.2024.