Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

-- Raubgesindel gibt es ni alleil Ländern und ich glaube, es fehlt
unter den Deutschen auch nicht daran, erwiederte mein magyarischer
Begleiter, indem er mit einem bitterbösen Blick sich den Schnurrbart
in die Hohe strich. Unter Räubern wäre auch die Königin von
England ihres Lebens nicht sicher. Wer in Ungarn ein ehrliches
Herz hat, dem ist die Person seines Königs heilig. Die Ungarn
halten auf ihre Freiheiten und Privilegien, und wir Adeligen würden
unsere Unabhängigkeit, wenn es nöthig wäre, mit unserem Blute ver¬
theidigen. Aber wir sind darum nicht weniger monarchisch gesinnt;
und wer die Krone des heiligen Andreas auf seinem Haupte trägt,
der kann auf das Leben eines jeden Edelmanns und Ungarn zäh-
len; dies haben wir nicht blos Maria Theresia bewiesen, wir wür¬
den dies noch heute zu jeder Stunde beweisen. Der Deutsche, der
so wenig an Freiheit gewöhnt ist und bei dem Worte Konstitution im¬
mer an Frankreich denkt, wo sie erst ans dem Schooße der Republik
hervorging, der kann sich noch nicht von dem Gedanken los¬
machen, daß die Freiheitslust einer Nation immer im Widerspruch mit
der monarchischen Idee stehen müsse. Aber die ungarische Constitmion
ist, so wie die britische, Jahrhunderte alt und hat nicht erst auf das
Jahr 1789 gewartet, um zu entstehen. Der Magyar sowie der Brite
hat vor Euch Deutschen das voraus, daß er seinen König liebt, wie
ein freier Mann, und nicht wie ein Knecht.

-- Sie sprechen von den 300M0 Privilegirten, die in Ungarn
allein frei sind, aber die anderen zwölf Millionen. .. .?

-- Auch ihre Zeit wird kommen, sagte lächelnd der Conducteur
des Schiffes, der hinter uns stand; vor der Hand ist die Zeit da,
das Schiff zu verlassen. Wohin soll man Ihre Effecten bringen,
meine Herren?

Es ist nöthig, daß der Krönungsbcrg so dicht am Ufer steht,
um daran zu erinnern, daß in Preßburg den ungarischen Königen
die Krone aufgesetzt wird und der Reichstag seine Sitzungen hält.
Der erste Anblick der Stadt hat so wenig Imposantes und König¬
liches, wie nur irgend eine unbedeutende deutsche Landstadt; das
Schlimmste ist, daß man bei näherer Besichtigung wenig findet, was
dem ersten Eindruck widerspräche. Man stellt sich unter dem alten
Preßburg eine graue, eigenthümliche Stadt vor, mit alterthümlichen
Ueberresten von barocken, halb gothischen, halb asiatischen Gebäuden:


— Raubgesindel gibt es ni alleil Ländern und ich glaube, es fehlt
unter den Deutschen auch nicht daran, erwiederte mein magyarischer
Begleiter, indem er mit einem bitterbösen Blick sich den Schnurrbart
in die Hohe strich. Unter Räubern wäre auch die Königin von
England ihres Lebens nicht sicher. Wer in Ungarn ein ehrliches
Herz hat, dem ist die Person seines Königs heilig. Die Ungarn
halten auf ihre Freiheiten und Privilegien, und wir Adeligen würden
unsere Unabhängigkeit, wenn es nöthig wäre, mit unserem Blute ver¬
theidigen. Aber wir sind darum nicht weniger monarchisch gesinnt;
und wer die Krone des heiligen Andreas auf seinem Haupte trägt,
der kann auf das Leben eines jeden Edelmanns und Ungarn zäh-
len; dies haben wir nicht blos Maria Theresia bewiesen, wir wür¬
den dies noch heute zu jeder Stunde beweisen. Der Deutsche, der
so wenig an Freiheit gewöhnt ist und bei dem Worte Konstitution im¬
mer an Frankreich denkt, wo sie erst ans dem Schooße der Republik
hervorging, der kann sich noch nicht von dem Gedanken los¬
machen, daß die Freiheitslust einer Nation immer im Widerspruch mit
der monarchischen Idee stehen müsse. Aber die ungarische Constitmion
ist, so wie die britische, Jahrhunderte alt und hat nicht erst auf das
Jahr 1789 gewartet, um zu entstehen. Der Magyar sowie der Brite
hat vor Euch Deutschen das voraus, daß er seinen König liebt, wie
ein freier Mann, und nicht wie ein Knecht.

— Sie sprechen von den 300M0 Privilegirten, die in Ungarn
allein frei sind, aber die anderen zwölf Millionen. .. .?

— Auch ihre Zeit wird kommen, sagte lächelnd der Conducteur
des Schiffes, der hinter uns stand; vor der Hand ist die Zeit da,
das Schiff zu verlassen. Wohin soll man Ihre Effecten bringen,
meine Herren?

Es ist nöthig, daß der Krönungsbcrg so dicht am Ufer steht,
um daran zu erinnern, daß in Preßburg den ungarischen Königen
die Krone aufgesetzt wird und der Reichstag seine Sitzungen hält.
Der erste Anblick der Stadt hat so wenig Imposantes und König¬
liches, wie nur irgend eine unbedeutende deutsche Landstadt; das
Schlimmste ist, daß man bei näherer Besichtigung wenig findet, was
dem ersten Eindruck widerspräche. Man stellt sich unter dem alten
Preßburg eine graue, eigenthümliche Stadt vor, mit alterthümlichen
Ueberresten von barocken, halb gothischen, halb asiatischen Gebäuden:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0522" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180235"/>
            <p xml:id="ID_1412"> &#x2014; Raubgesindel gibt es ni alleil Ländern und ich glaube, es fehlt<lb/>
unter den Deutschen auch nicht daran, erwiederte mein magyarischer<lb/>
Begleiter, indem er mit einem bitterbösen Blick sich den Schnurrbart<lb/>
in die Hohe strich. Unter Räubern wäre auch die Königin von<lb/>
England ihres Lebens nicht sicher. Wer in Ungarn ein ehrliches<lb/>
Herz hat, dem ist die Person seines Königs heilig. Die Ungarn<lb/>
halten auf ihre Freiheiten und Privilegien, und wir Adeligen würden<lb/>
unsere Unabhängigkeit, wenn es nöthig wäre, mit unserem Blute ver¬<lb/>
theidigen. Aber wir sind darum nicht weniger monarchisch gesinnt;<lb/>
und wer die Krone des heiligen Andreas auf seinem Haupte trägt,<lb/>
der kann auf das Leben eines jeden Edelmanns und Ungarn zäh-<lb/>
len; dies haben wir nicht blos Maria Theresia bewiesen, wir wür¬<lb/>
den dies noch heute zu jeder Stunde beweisen. Der Deutsche, der<lb/>
so wenig an Freiheit gewöhnt ist und bei dem Worte Konstitution im¬<lb/>
mer an Frankreich denkt, wo sie erst ans dem Schooße der Republik<lb/>
hervorging, der kann sich noch nicht von dem Gedanken los¬<lb/>
machen, daß die Freiheitslust einer Nation immer im Widerspruch mit<lb/>
der monarchischen Idee stehen müsse. Aber die ungarische Constitmion<lb/>
ist, so wie die britische, Jahrhunderte alt und hat nicht erst auf das<lb/>
Jahr 1789 gewartet, um zu entstehen. Der Magyar sowie der Brite<lb/>
hat vor Euch Deutschen das voraus, daß er seinen König liebt, wie<lb/>
ein freier Mann, und nicht wie ein Knecht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1413"> &#x2014; Sie sprechen von den 300M0 Privilegirten, die in Ungarn<lb/>
allein frei sind, aber die anderen zwölf Millionen. .. .?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1414"> &#x2014; Auch ihre Zeit wird kommen, sagte lächelnd der Conducteur<lb/>
des Schiffes, der hinter uns stand; vor der Hand ist die Zeit da,<lb/>
das Schiff zu verlassen. Wohin soll man Ihre Effecten bringen,<lb/>
meine Herren?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1415" next="#ID_1416"> Es ist nöthig, daß der Krönungsbcrg so dicht am Ufer steht,<lb/>
um daran zu erinnern, daß in Preßburg den ungarischen Königen<lb/>
die Krone aufgesetzt wird und der Reichstag seine Sitzungen hält.<lb/>
Der erste Anblick der Stadt hat so wenig Imposantes und König¬<lb/>
liches, wie nur irgend eine unbedeutende deutsche Landstadt; das<lb/>
Schlimmste ist, daß man bei näherer Besichtigung wenig findet, was<lb/>
dem ersten Eindruck widerspräche. Man stellt sich unter dem alten<lb/>
Preßburg eine graue, eigenthümliche Stadt vor, mit alterthümlichen<lb/>
Ueberresten von barocken, halb gothischen, halb asiatischen Gebäuden:</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0522] — Raubgesindel gibt es ni alleil Ländern und ich glaube, es fehlt unter den Deutschen auch nicht daran, erwiederte mein magyarischer Begleiter, indem er mit einem bitterbösen Blick sich den Schnurrbart in die Hohe strich. Unter Räubern wäre auch die Königin von England ihres Lebens nicht sicher. Wer in Ungarn ein ehrliches Herz hat, dem ist die Person seines Königs heilig. Die Ungarn halten auf ihre Freiheiten und Privilegien, und wir Adeligen würden unsere Unabhängigkeit, wenn es nöthig wäre, mit unserem Blute ver¬ theidigen. Aber wir sind darum nicht weniger monarchisch gesinnt; und wer die Krone des heiligen Andreas auf seinem Haupte trägt, der kann auf das Leben eines jeden Edelmanns und Ungarn zäh- len; dies haben wir nicht blos Maria Theresia bewiesen, wir wür¬ den dies noch heute zu jeder Stunde beweisen. Der Deutsche, der so wenig an Freiheit gewöhnt ist und bei dem Worte Konstitution im¬ mer an Frankreich denkt, wo sie erst ans dem Schooße der Republik hervorging, der kann sich noch nicht von dem Gedanken los¬ machen, daß die Freiheitslust einer Nation immer im Widerspruch mit der monarchischen Idee stehen müsse. Aber die ungarische Constitmion ist, so wie die britische, Jahrhunderte alt und hat nicht erst auf das Jahr 1789 gewartet, um zu entstehen. Der Magyar sowie der Brite hat vor Euch Deutschen das voraus, daß er seinen König liebt, wie ein freier Mann, und nicht wie ein Knecht. — Sie sprechen von den 300M0 Privilegirten, die in Ungarn allein frei sind, aber die anderen zwölf Millionen. .. .? — Auch ihre Zeit wird kommen, sagte lächelnd der Conducteur des Schiffes, der hinter uns stand; vor der Hand ist die Zeit da, das Schiff zu verlassen. Wohin soll man Ihre Effecten bringen, meine Herren? Es ist nöthig, daß der Krönungsbcrg so dicht am Ufer steht, um daran zu erinnern, daß in Preßburg den ungarischen Königen die Krone aufgesetzt wird und der Reichstag seine Sitzungen hält. Der erste Anblick der Stadt hat so wenig Imposantes und König¬ liches, wie nur irgend eine unbedeutende deutsche Landstadt; das Schlimmste ist, daß man bei näherer Besichtigung wenig findet, was dem ersten Eindruck widerspräche. Man stellt sich unter dem alten Preßburg eine graue, eigenthümliche Stadt vor, mit alterthümlichen Ueberresten von barocken, halb gothischen, halb asiatischen Gebäuden:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/522
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/522>, abgerufen am 22.12.2024.