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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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gerne, von Paris nach Berlin gelangen, und das ist der einzige Un¬
terschied zwischen letzterer Stadt" und Korinth.

Die erste Person, der ich begegnete, als ich den Fuß in die
Hauptstadt des lateinischen Preußens setzte, war Meyerbeer. Sein
Haupt war mit einem Lorbeerkranz gekrönt, in der einen Hand trug
er eine Leier, in der anderen eine Rolle Noten. Dies ist das neue
Eostüm des Hofcapellmeisters.

-- Guten Morgen, sagte ich, wie geht es Ihnen?

-- Sehr gut, antwortete er, Hygiea ist mir sehr günstig. Frei¬
lich trinke ich Wasser von Pullna und opfere jeden Morgen Aeskulap
einen Hahn. V-Up.

-- Sie wollen mich schon verlassen?

-- Ich muß in die Probe; ich muß Mit dem ersten Tibicen
sprechen. Ich erwarte Sie; wenn Sie mir etwas zu sagen haben,
öl?l gilmioi-t, zwischen der dritten und vierten Tagesstunde, pLUittc-s,
Nro. 17. Wenden Sie sich gefälligst an den Miitur.

Meyerbeer, die Zipfel seiner Toga zusammenfassend, sprang über
den Bach und lief dem ersten Tibicen nach, ohne mir Zeit zu der
Frage zu lassen, wo ich eine Tragödie des Sophokles für das Odeon
fände.

Ich besaß einen Empfehlungsbrief an den Hauptredacteur eines
der renommirtesten Berliner Blätter. Ich frug einen Straßenjungen
nach seiner Wohnung. Der Junge gab mir keine Antwort, nannte
mich einen Barbaren und verschwand, indem er die antike Arie tril¬
lerte !


UÄdronIc vsilit bellum,
IVlircintum, tontum, inirontum.

Ein Centurion der Stadt erwies sich höflicher. Gnädiger Herr,
frug ich, können Sie mir nicht den Weg zu einer Tragödie des So¬
phokles zeigen? -- Verzeihen Sie, ich wollte sagen zu dem renom¬
mirtesten Journal Berlins ?

-- Sie stehen vor seinen Laren; treten Sie gefälligst in das
Atrium; dort werden Sie Jemand finden. --

In demselben Augenblicke trat der Oberredacteur auf die Straße.
Ich ging auf ihn zu, um ihm meinen Brief zu übergeben. Aber an¬
statt ihn zu nehmen, lief er schnell in das Haus zurück. Eine Mi¬
nute darauf erschien er wieder.

-- Entschuldigen Sie, junger Fremdling, und schreiben Sie mei¬
nem Benehmen gegen Sie keinen bösen Willen zu. Ich schritt mit
dem linken Fuß zuerst aus, und Sie wissen, was das für ein Un¬
glück bringen kann. Ich beeilte mich, in das Haus zurückzugehen,
um mit dem rechten Fuße anzufangen. Kommen Sie heute Abend
in das Theater, dort wollen wir über die Sophokleische Tragödie, welche
das Odeon wünscht, sprechen.


gerne, von Paris nach Berlin gelangen, und das ist der einzige Un¬
terschied zwischen letzterer Stadt" und Korinth.

Die erste Person, der ich begegnete, als ich den Fuß in die
Hauptstadt des lateinischen Preußens setzte, war Meyerbeer. Sein
Haupt war mit einem Lorbeerkranz gekrönt, in der einen Hand trug
er eine Leier, in der anderen eine Rolle Noten. Dies ist das neue
Eostüm des Hofcapellmeisters.

— Guten Morgen, sagte ich, wie geht es Ihnen?

— Sehr gut, antwortete er, Hygiea ist mir sehr günstig. Frei¬
lich trinke ich Wasser von Pullna und opfere jeden Morgen Aeskulap
einen Hahn. V-Up.

— Sie wollen mich schon verlassen?

— Ich muß in die Probe; ich muß Mit dem ersten Tibicen
sprechen. Ich erwarte Sie; wenn Sie mir etwas zu sagen haben,
öl?l gilmioi-t, zwischen der dritten und vierten Tagesstunde, pLUittc-s,
Nro. 17. Wenden Sie sich gefälligst an den Miitur.

Meyerbeer, die Zipfel seiner Toga zusammenfassend, sprang über
den Bach und lief dem ersten Tibicen nach, ohne mir Zeit zu der
Frage zu lassen, wo ich eine Tragödie des Sophokles für das Odeon
fände.

Ich besaß einen Empfehlungsbrief an den Hauptredacteur eines
der renommirtesten Berliner Blätter. Ich frug einen Straßenjungen
nach seiner Wohnung. Der Junge gab mir keine Antwort, nannte
mich einen Barbaren und verschwand, indem er die antike Arie tril¬
lerte !


UÄdronIc vsilit bellum,
IVlircintum, tontum, inirontum.

Ein Centurion der Stadt erwies sich höflicher. Gnädiger Herr,
frug ich, können Sie mir nicht den Weg zu einer Tragödie des So¬
phokles zeigen? — Verzeihen Sie, ich wollte sagen zu dem renom¬
mirtesten Journal Berlins ?

— Sie stehen vor seinen Laren; treten Sie gefälligst in das
Atrium; dort werden Sie Jemand finden. —

In demselben Augenblicke trat der Oberredacteur auf die Straße.
Ich ging auf ihn zu, um ihm meinen Brief zu übergeben. Aber an¬
statt ihn zu nehmen, lief er schnell in das Haus zurück. Eine Mi¬
nute darauf erschien er wieder.

— Entschuldigen Sie, junger Fremdling, und schreiben Sie mei¬
nem Benehmen gegen Sie keinen bösen Willen zu. Ich schritt mit
dem linken Fuß zuerst aus, und Sie wissen, was das für ein Un¬
glück bringen kann. Ich beeilte mich, in das Haus zurückzugehen,
um mit dem rechten Fuße anzufangen. Kommen Sie heute Abend
in das Theater, dort wollen wir über die Sophokleische Tragödie, welche
das Odeon wünscht, sprechen.


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[0518] gerne, von Paris nach Berlin gelangen, und das ist der einzige Un¬ terschied zwischen letzterer Stadt" und Korinth. Die erste Person, der ich begegnete, als ich den Fuß in die Hauptstadt des lateinischen Preußens setzte, war Meyerbeer. Sein Haupt war mit einem Lorbeerkranz gekrönt, in der einen Hand trug er eine Leier, in der anderen eine Rolle Noten. Dies ist das neue Eostüm des Hofcapellmeisters. — Guten Morgen, sagte ich, wie geht es Ihnen? — Sehr gut, antwortete er, Hygiea ist mir sehr günstig. Frei¬ lich trinke ich Wasser von Pullna und opfere jeden Morgen Aeskulap einen Hahn. V-Up. — Sie wollen mich schon verlassen? — Ich muß in die Probe; ich muß Mit dem ersten Tibicen sprechen. Ich erwarte Sie; wenn Sie mir etwas zu sagen haben, öl?l gilmioi-t, zwischen der dritten und vierten Tagesstunde, pLUittc-s, Nro. 17. Wenden Sie sich gefälligst an den Miitur. Meyerbeer, die Zipfel seiner Toga zusammenfassend, sprang über den Bach und lief dem ersten Tibicen nach, ohne mir Zeit zu der Frage zu lassen, wo ich eine Tragödie des Sophokles für das Odeon fände. Ich besaß einen Empfehlungsbrief an den Hauptredacteur eines der renommirtesten Berliner Blätter. Ich frug einen Straßenjungen nach seiner Wohnung. Der Junge gab mir keine Antwort, nannte mich einen Barbaren und verschwand, indem er die antike Arie tril¬ lerte ! UÄdronIc vsilit bellum, IVlircintum, tontum, inirontum. Ein Centurion der Stadt erwies sich höflicher. Gnädiger Herr, frug ich, können Sie mir nicht den Weg zu einer Tragödie des So¬ phokles zeigen? — Verzeihen Sie, ich wollte sagen zu dem renom¬ mirtesten Journal Berlins ? — Sie stehen vor seinen Laren; treten Sie gefälligst in das Atrium; dort werden Sie Jemand finden. — In demselben Augenblicke trat der Oberredacteur auf die Straße. Ich ging auf ihn zu, um ihm meinen Brief zu übergeben. Aber an¬ statt ihn zu nehmen, lief er schnell in das Haus zurück. Eine Mi¬ nute darauf erschien er wieder. — Entschuldigen Sie, junger Fremdling, und schreiben Sie mei¬ nem Benehmen gegen Sie keinen bösen Willen zu. Ich schritt mit dem linken Fuß zuerst aus, und Sie wissen, was das für ein Un¬ glück bringen kann. Ich beeilte mich, in das Haus zurückzugehen, um mit dem rechten Fuße anzufangen. Kommen Sie heute Abend in das Theater, dort wollen wir über die Sophokleische Tragödie, welche das Odeon wünscht, sprechen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/518>, abgerufen am 29.06.2024.