Form anzubilden wissen. Jene rein ideale Form aber (oder richtiger Formlosigkeit), die von Seiten unsrer Gegner vorgeschlagen wird und sich, soweit sie sich überhaupt in das Leben einführen läßt, in den neuesten studentischen Verhältnissen den "Corps" gegenüber als eigen¬ thümliche Form geltend machen wollte, hat sich von historischer und philosophischer Seite als durchaus ungenügend erwiesen. Nicht polizei¬ liche Maßregeln, nicht der verhängnißvolle Namen der Burschenschaft -- ich berufe mich getrost auf ihr eigenes Zeugniß -- haben sie vernichtet. Nein, sie mußte vielmehr mit ihren eigenen, in zu schwin¬ delnder Hohe über ihr stehenden Principien in Widerspruch gerathen; an ihr mußte binnen wenigen Wochen in Erfüllung gehen, was man den Corps schon lange prophezeiht hat: "Sie mußte an der Zeit sterben!" Ihre traurigen Ueberreste zersplitterten sich g,anz oder sammelten sich wieder unter den Fahnen der Corps. Freilich auch diese Corps werden an der Zeit sterben, aber erst dann, wenn sie ihre Zeit nicht mehr verstehen. So lange dies aber der Fall ist, ist ihre Eristenz vollkommen berechtigt, und wir dürfen ihnen für die Zukunft ein günstiges Prognostikon stellen. Das ist eben die uner¬ schütterliche Basis, die sie sich stets im Wechsel der Zeiten bewahren müssen: "die schone erhabene Idee, das Princip der Gemüthlich¬ keit neben dem kalten Verstandcsprincip auch auf diesem Le- bensgebiete gehörig zu vertreten." In unserm Endresultate müssen wir uns daher mit dem so sehr angefochtenen Systeme der Bureau- kratie, - welche den Corps auf unsern Universitäten wenigstens stillschweigende Duldung zugesteht, einverstanden erklären; -- mögen auch freilich die beiderseitigen Motive verschieden sein.
.K"
Form anzubilden wissen. Jene rein ideale Form aber (oder richtiger Formlosigkeit), die von Seiten unsrer Gegner vorgeschlagen wird und sich, soweit sie sich überhaupt in das Leben einführen läßt, in den neuesten studentischen Verhältnissen den „Corps" gegenüber als eigen¬ thümliche Form geltend machen wollte, hat sich von historischer und philosophischer Seite als durchaus ungenügend erwiesen. Nicht polizei¬ liche Maßregeln, nicht der verhängnißvolle Namen der Burschenschaft — ich berufe mich getrost auf ihr eigenes Zeugniß — haben sie vernichtet. Nein, sie mußte vielmehr mit ihren eigenen, in zu schwin¬ delnder Hohe über ihr stehenden Principien in Widerspruch gerathen; an ihr mußte binnen wenigen Wochen in Erfüllung gehen, was man den Corps schon lange prophezeiht hat: „Sie mußte an der Zeit sterben!" Ihre traurigen Ueberreste zersplitterten sich g,anz oder sammelten sich wieder unter den Fahnen der Corps. Freilich auch diese Corps werden an der Zeit sterben, aber erst dann, wenn sie ihre Zeit nicht mehr verstehen. So lange dies aber der Fall ist, ist ihre Eristenz vollkommen berechtigt, und wir dürfen ihnen für die Zukunft ein günstiges Prognostikon stellen. Das ist eben die uner¬ schütterliche Basis, die sie sich stets im Wechsel der Zeiten bewahren müssen: „die schone erhabene Idee, das Princip der Gemüthlich¬ keit neben dem kalten Verstandcsprincip auch auf diesem Le- bensgebiete gehörig zu vertreten." In unserm Endresultate müssen wir uns daher mit dem so sehr angefochtenen Systeme der Bureau- kratie, - welche den Corps auf unsern Universitäten wenigstens stillschweigende Duldung zugesteht, einverstanden erklären; — mögen auch freilich die beiderseitigen Motive verschieden sein.
.K»
<TEI><text><body><div><divn="1"><pbfacs="#f0507"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180220"/><pxml:id="ID_1356"prev="#ID_1355"> Form anzubilden wissen. Jene rein ideale Form aber (oder richtiger<lb/>
Formlosigkeit), die von Seiten unsrer Gegner vorgeschlagen wird und<lb/>
sich, soweit sie sich überhaupt in das Leben einführen läßt, in den<lb/>
neuesten studentischen Verhältnissen den „Corps" gegenüber als eigen¬<lb/>
thümliche Form geltend machen wollte, hat sich von historischer und<lb/>
philosophischer Seite als durchaus ungenügend erwiesen. Nicht polizei¬<lb/>
liche Maßregeln, nicht der verhängnißvolle Namen der Burschenschaft<lb/>— ich berufe mich getrost auf ihr eigenes Zeugniß — haben sie<lb/>
vernichtet. Nein, sie mußte vielmehr mit ihren eigenen, in zu schwin¬<lb/>
delnder Hohe über ihr stehenden Principien in Widerspruch gerathen;<lb/>
an ihr mußte binnen wenigen Wochen in Erfüllung gehen, was<lb/>
man den Corps schon lange prophezeiht hat: „Sie mußte an der<lb/>
Zeit sterben!" Ihre traurigen Ueberreste zersplitterten sich g,anz oder<lb/>
sammelten sich wieder unter den Fahnen der Corps. Freilich auch<lb/>
diese Corps werden an der Zeit sterben, aber erst dann, wenn sie<lb/>
ihre Zeit nicht mehr verstehen. So lange dies aber der Fall ist, ist<lb/>
ihre Eristenz vollkommen berechtigt, und wir dürfen ihnen für die<lb/>
Zukunft ein günstiges Prognostikon stellen. Das ist eben die uner¬<lb/>
schütterliche Basis, die sie sich stets im Wechsel der Zeiten bewahren<lb/>
müssen: „die schone erhabene Idee, das Princip der Gemüthlich¬<lb/>
keit neben dem kalten Verstandcsprincip auch auf diesem Le-<lb/>
bensgebiete gehörig zu vertreten." In unserm Endresultate müssen<lb/>
wir uns daher mit dem so sehr angefochtenen Systeme der Bureau-<lb/>
kratie, - welche den Corps auf unsern Universitäten wenigstens<lb/>
stillschweigende Duldung zugesteht, einverstanden erklären; — mögen<lb/>
auch freilich die beiderseitigen Motive verschieden sein.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="sig"/><lb/><pxml:id="ID_1357"> .K»</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[0507]
Form anzubilden wissen. Jene rein ideale Form aber (oder richtiger
Formlosigkeit), die von Seiten unsrer Gegner vorgeschlagen wird und
sich, soweit sie sich überhaupt in das Leben einführen läßt, in den
neuesten studentischen Verhältnissen den „Corps" gegenüber als eigen¬
thümliche Form geltend machen wollte, hat sich von historischer und
philosophischer Seite als durchaus ungenügend erwiesen. Nicht polizei¬
liche Maßregeln, nicht der verhängnißvolle Namen der Burschenschaft
— ich berufe mich getrost auf ihr eigenes Zeugniß — haben sie
vernichtet. Nein, sie mußte vielmehr mit ihren eigenen, in zu schwin¬
delnder Hohe über ihr stehenden Principien in Widerspruch gerathen;
an ihr mußte binnen wenigen Wochen in Erfüllung gehen, was
man den Corps schon lange prophezeiht hat: „Sie mußte an der
Zeit sterben!" Ihre traurigen Ueberreste zersplitterten sich g,anz oder
sammelten sich wieder unter den Fahnen der Corps. Freilich auch
diese Corps werden an der Zeit sterben, aber erst dann, wenn sie
ihre Zeit nicht mehr verstehen. So lange dies aber der Fall ist, ist
ihre Eristenz vollkommen berechtigt, und wir dürfen ihnen für die
Zukunft ein günstiges Prognostikon stellen. Das ist eben die uner¬
schütterliche Basis, die sie sich stets im Wechsel der Zeiten bewahren
müssen: „die schone erhabene Idee, das Princip der Gemüthlich¬
keit neben dem kalten Verstandcsprincip auch auf diesem Le-
bensgebiete gehörig zu vertreten." In unserm Endresultate müssen
wir uns daher mit dem so sehr angefochtenen Systeme der Bureau-
kratie, - welche den Corps auf unsern Universitäten wenigstens
stillschweigende Duldung zugesteht, einverstanden erklären; — mögen
auch freilich die beiderseitigen Motive verschieden sein.
.K»
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/507>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.