beschränkt wissen! Aber man wird uns am Ende auch darin nach¬ geben und nur verlangen, daß eine entsprechende, würdige Idee da¬ bei zu Grunde liege. Wenn wir uns auch hierin mit unsern Geg¬ nern einverstanden erklären, so können wir doch ihre ätherischen An¬ sichten über jene Ideen nicht theilen. Außer der Vaterlandsliebe sollen Wissenschaftlichkeit und Sittlichkeit die alleinigen leitenden Ideen, das einzige Band sein, welches die Mitglieder der studentischen Ver¬ bindungen umschlingt. Ohne die hohe Bedeutung dieser Ideen zu verkennen, erlauben wir uns die Frage, ob diese allgemeinen, abstrac- ten Ideen, welche den Menschen mit dem Menschen überhaupt verketten sollen, genügen, um die alleinigen Principien eines spe¬ ciellen, unter ganz besonderen Verhältnissen geschlossenen Freund¬ schaftsbundes zu bilden, der um so mehr an Intensität verlieren muß, je mehr sich seine Basis extensiv erweitert. Ich meine, es gibt außer der allgemeinen Menschenliebe noch eine pathologische Liebe, die auf einer individuellen Basis ruhen will. Findet man im gewöhnlichen Leben ein Beispiel, daß ein rein wissenschaftlicher Verein, wenn nicht besondere Schattirungen, feinere Nüancen hinzukommen, die einzelnen Mitglieder eng mit einander verknüpfen konnte? Da aber, wo uns ein "Tugendbund" in der Geschichte begegnet, da waren es ganz andere, ungleich speciellere Interessen, welche den Verein zu¬ sammenhielten. Aber, wird man uns erwiedern, eben dasselbe speci¬ fische Moment des Tugendbundeö soll auch für die deutschen studen¬ tischen Verbindungen die specielle Grundlage sein, -- das Moment der Vaterlandsliebe. Und wie ist doch, fährt man fort, gerade in der Konstitution der Corps und der Landsmannschaften, dieses wesentliche Element so ganz unbeachtet geblieben? Freilich je¬ nen dogmatischen Patriotismus, wie er uns in der Burschenschaft entgegentritt, welche eine ängstlich genau abgegrenzte politische Ansicht als verpflichtendes Symbol bei der Aufnahme in ihren Bund aner¬ kennt, den sucht Ihr bei den Corps vergeblich. Solch unisone Ein¬ heit, oder richtiger gesagt, Einförmigkeit, verschmähen diese mit schö¬ nem Stolze und fordern dafür nur die unendlich höhere Einheit eines harmonischen Zusammenklingens der verschiedensten Individuen in einen gemeinschaftlichen, echt deutschen Grundton. Sie suchen das eigentliche Wesen des Patriotismus nicht in solchen äußern bestimm ten positiven Satzungen (und doch wirft man ihnen den crassesten
beschränkt wissen! Aber man wird uns am Ende auch darin nach¬ geben und nur verlangen, daß eine entsprechende, würdige Idee da¬ bei zu Grunde liege. Wenn wir uns auch hierin mit unsern Geg¬ nern einverstanden erklären, so können wir doch ihre ätherischen An¬ sichten über jene Ideen nicht theilen. Außer der Vaterlandsliebe sollen Wissenschaftlichkeit und Sittlichkeit die alleinigen leitenden Ideen, das einzige Band sein, welches die Mitglieder der studentischen Ver¬ bindungen umschlingt. Ohne die hohe Bedeutung dieser Ideen zu verkennen, erlauben wir uns die Frage, ob diese allgemeinen, abstrac- ten Ideen, welche den Menschen mit dem Menschen überhaupt verketten sollen, genügen, um die alleinigen Principien eines spe¬ ciellen, unter ganz besonderen Verhältnissen geschlossenen Freund¬ schaftsbundes zu bilden, der um so mehr an Intensität verlieren muß, je mehr sich seine Basis extensiv erweitert. Ich meine, es gibt außer der allgemeinen Menschenliebe noch eine pathologische Liebe, die auf einer individuellen Basis ruhen will. Findet man im gewöhnlichen Leben ein Beispiel, daß ein rein wissenschaftlicher Verein, wenn nicht besondere Schattirungen, feinere Nüancen hinzukommen, die einzelnen Mitglieder eng mit einander verknüpfen konnte? Da aber, wo uns ein „Tugendbund" in der Geschichte begegnet, da waren es ganz andere, ungleich speciellere Interessen, welche den Verein zu¬ sammenhielten. Aber, wird man uns erwiedern, eben dasselbe speci¬ fische Moment des Tugendbundeö soll auch für die deutschen studen¬ tischen Verbindungen die specielle Grundlage sein, — das Moment der Vaterlandsliebe. Und wie ist doch, fährt man fort, gerade in der Konstitution der Corps und der Landsmannschaften, dieses wesentliche Element so ganz unbeachtet geblieben? Freilich je¬ nen dogmatischen Patriotismus, wie er uns in der Burschenschaft entgegentritt, welche eine ängstlich genau abgegrenzte politische Ansicht als verpflichtendes Symbol bei der Aufnahme in ihren Bund aner¬ kennt, den sucht Ihr bei den Corps vergeblich. Solch unisone Ein¬ heit, oder richtiger gesagt, Einförmigkeit, verschmähen diese mit schö¬ nem Stolze und fordern dafür nur die unendlich höhere Einheit eines harmonischen Zusammenklingens der verschiedensten Individuen in einen gemeinschaftlichen, echt deutschen Grundton. Sie suchen das eigentliche Wesen des Patriotismus nicht in solchen äußern bestimm ten positiven Satzungen (und doch wirft man ihnen den crassesten
<TEI><text><body><div><divn="1"><pbfacs="#f0501"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180214"/><pxml:id="ID_1345"prev="#ID_1344"next="#ID_1346"> beschränkt wissen! Aber man wird uns am Ende auch darin nach¬<lb/>
geben und nur verlangen, daß eine entsprechende, würdige Idee da¬<lb/>
bei zu Grunde liege. Wenn wir uns auch hierin mit unsern Geg¬<lb/>
nern einverstanden erklären, so können wir doch ihre ätherischen An¬<lb/>
sichten über jene Ideen nicht theilen. Außer der Vaterlandsliebe<lb/>
sollen Wissenschaftlichkeit und Sittlichkeit die alleinigen leitenden Ideen,<lb/>
das einzige Band sein, welches die Mitglieder der studentischen Ver¬<lb/>
bindungen umschlingt. Ohne die hohe Bedeutung dieser Ideen zu<lb/>
verkennen, erlauben wir uns die Frage, ob diese allgemeinen, abstrac-<lb/>
ten Ideen, welche den Menschen mit dem Menschen überhaupt<lb/>
verketten sollen, genügen, um die alleinigen Principien eines spe¬<lb/>
ciellen, unter ganz besonderen Verhältnissen geschlossenen Freund¬<lb/>
schaftsbundes zu bilden, der um so mehr an Intensität verlieren muß,<lb/>
je mehr sich seine Basis extensiv erweitert. Ich meine, es gibt außer<lb/>
der allgemeinen Menschenliebe noch eine pathologische Liebe, die auf<lb/>
einer individuellen Basis ruhen will. Findet man im gewöhnlichen<lb/>
Leben ein Beispiel, daß ein rein wissenschaftlicher Verein, wenn<lb/>
nicht besondere Schattirungen, feinere Nüancen hinzukommen, die<lb/>
einzelnen Mitglieder eng mit einander verknüpfen konnte? Da aber,<lb/>
wo uns ein „Tugendbund" in der Geschichte begegnet, da waren<lb/>
es ganz andere, ungleich speciellere Interessen, welche den Verein zu¬<lb/>
sammenhielten. Aber, wird man uns erwiedern, eben dasselbe speci¬<lb/>
fische Moment des Tugendbundeö soll auch für die deutschen studen¬<lb/>
tischen Verbindungen die specielle Grundlage sein, — das Moment<lb/>
der Vaterlandsliebe. Und wie ist doch, fährt man fort, gerade in<lb/>
der Konstitution der Corps und der Landsmannschaften,<lb/>
dieses wesentliche Element so ganz unbeachtet geblieben? Freilich je¬<lb/>
nen dogmatischen Patriotismus, wie er uns in der Burschenschaft<lb/>
entgegentritt, welche eine ängstlich genau abgegrenzte politische Ansicht<lb/>
als verpflichtendes Symbol bei der Aufnahme in ihren Bund aner¬<lb/>
kennt, den sucht Ihr bei den Corps vergeblich. Solch unisone Ein¬<lb/>
heit, oder richtiger gesagt, Einförmigkeit, verschmähen diese mit schö¬<lb/>
nem Stolze und fordern dafür nur die unendlich höhere Einheit eines<lb/>
harmonischen Zusammenklingens der verschiedensten Individuen<lb/>
in einen gemeinschaftlichen, echt deutschen Grundton. Sie suchen das<lb/>
eigentliche Wesen des Patriotismus nicht in solchen äußern bestimm<lb/>
ten positiven Satzungen (und doch wirft man ihnen den crassesten</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[0501]
beschränkt wissen! Aber man wird uns am Ende auch darin nach¬
geben und nur verlangen, daß eine entsprechende, würdige Idee da¬
bei zu Grunde liege. Wenn wir uns auch hierin mit unsern Geg¬
nern einverstanden erklären, so können wir doch ihre ätherischen An¬
sichten über jene Ideen nicht theilen. Außer der Vaterlandsliebe
sollen Wissenschaftlichkeit und Sittlichkeit die alleinigen leitenden Ideen,
das einzige Band sein, welches die Mitglieder der studentischen Ver¬
bindungen umschlingt. Ohne die hohe Bedeutung dieser Ideen zu
verkennen, erlauben wir uns die Frage, ob diese allgemeinen, abstrac-
ten Ideen, welche den Menschen mit dem Menschen überhaupt
verketten sollen, genügen, um die alleinigen Principien eines spe¬
ciellen, unter ganz besonderen Verhältnissen geschlossenen Freund¬
schaftsbundes zu bilden, der um so mehr an Intensität verlieren muß,
je mehr sich seine Basis extensiv erweitert. Ich meine, es gibt außer
der allgemeinen Menschenliebe noch eine pathologische Liebe, die auf
einer individuellen Basis ruhen will. Findet man im gewöhnlichen
Leben ein Beispiel, daß ein rein wissenschaftlicher Verein, wenn
nicht besondere Schattirungen, feinere Nüancen hinzukommen, die
einzelnen Mitglieder eng mit einander verknüpfen konnte? Da aber,
wo uns ein „Tugendbund" in der Geschichte begegnet, da waren
es ganz andere, ungleich speciellere Interessen, welche den Verein zu¬
sammenhielten. Aber, wird man uns erwiedern, eben dasselbe speci¬
fische Moment des Tugendbundeö soll auch für die deutschen studen¬
tischen Verbindungen die specielle Grundlage sein, — das Moment
der Vaterlandsliebe. Und wie ist doch, fährt man fort, gerade in
der Konstitution der Corps und der Landsmannschaften,
dieses wesentliche Element so ganz unbeachtet geblieben? Freilich je¬
nen dogmatischen Patriotismus, wie er uns in der Burschenschaft
entgegentritt, welche eine ängstlich genau abgegrenzte politische Ansicht
als verpflichtendes Symbol bei der Aufnahme in ihren Bund aner¬
kennt, den sucht Ihr bei den Corps vergeblich. Solch unisone Ein¬
heit, oder richtiger gesagt, Einförmigkeit, verschmähen diese mit schö¬
nem Stolze und fordern dafür nur die unendlich höhere Einheit eines
harmonischen Zusammenklingens der verschiedensten Individuen
in einen gemeinschaftlichen, echt deutschen Grundton. Sie suchen das
eigentliche Wesen des Patriotismus nicht in solchen äußern bestimm
ten positiven Satzungen (und doch wirft man ihnen den crassesten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/501>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.