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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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tiven Resultats für das praktische Leiden sich so ganz ungeschickt zeigen
und nur den gordischen Knoten zu durchhauen wissen. Man bricht über
Corps und Landsmannschaften den Stab; man verdammt nicht minder
die Burschenschaft, als in zu argem Conflict mit unsern Zeitideen stehend ;
und was will man dafür an die Stelle setzen? Oder will man das
Bedürfniß nach Verbindungen überhaupt gerade für den Abschnitt
unsers Lebens in Abrede stellen, wo die Jugend, dein conventionellen
Leben gegenüber, sich nach kameradschaftlichen Zusammenhang sehnt?
Wahrlich, nur der lächerliche Hochmuth einiger f. g. Geistreichen auf
den Universitäten kann die verkehrte Ansicht hegen, das Anschließen
an eine studentische Verbindung zeige von unselbständigen Geiste.
Läßt sich denn das Verhältniß des Einzelnen zu seiner Verbindung
nur unter dem Bilde des schwanken Epheus auffassen, welcher sich
an die stämmige Eiche hinaufrankt, -- oder nicht auch unter dem
Bilde des starken Astes, der bei all seiner eigenen Stärke doch erst
als Theil eines größeren Ganzen, gebend und nehmend zugleich, seine
wahre Bestimmung erreicht? -- Doch unsere Gegner wollen ja so
unbillig nicht sein; sie erkennen ja den Begriff der studentischen Ver¬
bindung an sich als berechtigt an. Sie behaupten ja, nicht über
das Was, sondern nur über das Wie streiten zu wollen. Hier
entsteht aber folgendes Dilemma. Entweder man will Verbindungen
in einer bestimmten äußeren Form, oder man will nur ideelle
Verbindungen und verwirft alle äußere Form als todten Formalis¬
mus. So unsere Gegner. Ich könnte mich hier auf die neuere
Philosophie berufen, die ja so stegreich den nothwendigen Zusammen¬
hang von Form und Inhalt nachgewiesen hat; allein ich wende mich
nur an den gesunden Verstand, an Jeden, dem das Menschenherz
keine torra iocoFinta ist. Wir sind einmal keine Engel; wir sind von
unserer innersten Natur darauf angewiesen, den Geist stets in mehr
oder weniger sinnlichem Gewände anzuschauen, und verlieren nur zu
oft mit der Form die Sache selbst. Es fragt sich daher, ob man
das Wesen des deutschen Studententhums so leichten Kaufes da-
hingehen will. Gerade die Jugend, welche vor Allen die bunte, far¬
bige Fülle des concreten Lebens liebt und dieses durch das sinnige
Symbol der gar nicht so bedeutungslosen farbigen Mütze ausspricht,
wollte man mit einem mehr als stoischen Rigorismus hinsichtlich ihrer
Verbindungen auf die reine innere Idee ohne deren äußere Seite


tiven Resultats für das praktische Leiden sich so ganz ungeschickt zeigen
und nur den gordischen Knoten zu durchhauen wissen. Man bricht über
Corps und Landsmannschaften den Stab; man verdammt nicht minder
die Burschenschaft, als in zu argem Conflict mit unsern Zeitideen stehend ;
und was will man dafür an die Stelle setzen? Oder will man das
Bedürfniß nach Verbindungen überhaupt gerade für den Abschnitt
unsers Lebens in Abrede stellen, wo die Jugend, dein conventionellen
Leben gegenüber, sich nach kameradschaftlichen Zusammenhang sehnt?
Wahrlich, nur der lächerliche Hochmuth einiger f. g. Geistreichen auf
den Universitäten kann die verkehrte Ansicht hegen, das Anschließen
an eine studentische Verbindung zeige von unselbständigen Geiste.
Läßt sich denn das Verhältniß des Einzelnen zu seiner Verbindung
nur unter dem Bilde des schwanken Epheus auffassen, welcher sich
an die stämmige Eiche hinaufrankt, — oder nicht auch unter dem
Bilde des starken Astes, der bei all seiner eigenen Stärke doch erst
als Theil eines größeren Ganzen, gebend und nehmend zugleich, seine
wahre Bestimmung erreicht? — Doch unsere Gegner wollen ja so
unbillig nicht sein; sie erkennen ja den Begriff der studentischen Ver¬
bindung an sich als berechtigt an. Sie behaupten ja, nicht über
das Was, sondern nur über das Wie streiten zu wollen. Hier
entsteht aber folgendes Dilemma. Entweder man will Verbindungen
in einer bestimmten äußeren Form, oder man will nur ideelle
Verbindungen und verwirft alle äußere Form als todten Formalis¬
mus. So unsere Gegner. Ich könnte mich hier auf die neuere
Philosophie berufen, die ja so stegreich den nothwendigen Zusammen¬
hang von Form und Inhalt nachgewiesen hat; allein ich wende mich
nur an den gesunden Verstand, an Jeden, dem das Menschenherz
keine torra iocoFinta ist. Wir sind einmal keine Engel; wir sind von
unserer innersten Natur darauf angewiesen, den Geist stets in mehr
oder weniger sinnlichem Gewände anzuschauen, und verlieren nur zu
oft mit der Form die Sache selbst. Es fragt sich daher, ob man
das Wesen des deutschen Studententhums so leichten Kaufes da-
hingehen will. Gerade die Jugend, welche vor Allen die bunte, far¬
bige Fülle des concreten Lebens liebt und dieses durch das sinnige
Symbol der gar nicht so bedeutungslosen farbigen Mütze ausspricht,
wollte man mit einem mehr als stoischen Rigorismus hinsichtlich ihrer
Verbindungen auf die reine innere Idee ohne deren äußere Seite


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/500>, abgerufen am 29.06.2024.