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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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dem äußeren Beweise solcher Gesinnungen hätten fehlen lassen. Ja,
man hat geradezu unser ganzes deutsches Studententhum für eine
bloße Karrikatur, für ein bloßes "Zerrbild" des wahren akademischen
Lebens erklärt; man behauptet ja, alle seine Formen müßten erst zur
Asche niedergebrannt werden, blos dem beliebten Bilde eines neuen
Phönix zu Gefallen. Freilich auch ich bin der Meinung, das deutsche
Studententhum soll eine Feuerprobe aushalten, aber nicht eine Probe
des Feuers, welches mit seinem sengenden Hauche nicht blos die
wenigen Giftpflanzen, sondern auch alle zarten, unschuldigen Blumen
im Ziergarten des Studentenlebens anwehe und alle Blüthen ab¬
streift, wenn sie keine ökonomischen Früchte tragen; -- nein, jenes
Feuers, das mit seiner läuternden Kraft die bildsamen metallischen
Elemente durchdringt, nur die Schlacken sorgfältig aussondert und
aus der wallenden und brausenden Fluth den reinen Silberblick dar¬
stellen will. Mein Schiboleth heißt: Was zu retten ist, das rette in
dem großen Schiffbruch unserer Zeit. Ich meine, man soll nicht
Ideale ins Leben hineintragen wollen, statt dieses jenen allmälig nä¬
her zu bringen; man soll nicht einen ganzen Organismus als krank
verschreien, wenn er der gesunden Glieder noch so viele zählt; kurz,
ich will in der Frage über das deutsche Studententhum ungefähr
die Stellung behaupten, welche bei einer andern, jetzt auch vielfach
berührten Frage die Liberalen und Constitutionellen den Communisten
gegenüber behaupten. Gern würde ich mein Princip in Bezug auf
die ganze Frage hier durchzuführen suchen, wenn mir dies Zeit und
Raum verstattete. Ich beschränke mich daher auf eine Besprechung
der hervorstechendsten Erscheinungsform im deutschen Studententhum,
deren Vertheidigung man bei den heftigen, gerade hier concentrirten
Angriffen der Gegner schon auf dem Papiere aufgegeben zu haben
scheint, derselben Form, "in welche" -- nach Fr. Saß -- "gar kein besseres
Element hineinzubringen ist, aus der kein Heil und kein Gutes hervorge¬
hen kann." Ich meine die Corps und Landsmannschaften.

Es handelt sich nicht um eine rein wissenschaftliche, son¬
dern vielmehr um eine der Hauptsache nach praktische Frage, um
eine dermalige Form des Studententhumö. Gleich von vorn herein
muß es uns daher gegen unsere Gegner einnehmen, daß diese bei
all ihrer wissenschaftlichen Entschiedenheit und Bestimmtheit
in der Lösung des eigentlichen Problems, der Feststellung eines posi-


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dem äußeren Beweise solcher Gesinnungen hätten fehlen lassen. Ja,
man hat geradezu unser ganzes deutsches Studententhum für eine
bloße Karrikatur, für ein bloßes „Zerrbild" des wahren akademischen
Lebens erklärt; man behauptet ja, alle seine Formen müßten erst zur
Asche niedergebrannt werden, blos dem beliebten Bilde eines neuen
Phönix zu Gefallen. Freilich auch ich bin der Meinung, das deutsche
Studententhum soll eine Feuerprobe aushalten, aber nicht eine Probe
des Feuers, welches mit seinem sengenden Hauche nicht blos die
wenigen Giftpflanzen, sondern auch alle zarten, unschuldigen Blumen
im Ziergarten des Studentenlebens anwehe und alle Blüthen ab¬
streift, wenn sie keine ökonomischen Früchte tragen; — nein, jenes
Feuers, das mit seiner läuternden Kraft die bildsamen metallischen
Elemente durchdringt, nur die Schlacken sorgfältig aussondert und
aus der wallenden und brausenden Fluth den reinen Silberblick dar¬
stellen will. Mein Schiboleth heißt: Was zu retten ist, das rette in
dem großen Schiffbruch unserer Zeit. Ich meine, man soll nicht
Ideale ins Leben hineintragen wollen, statt dieses jenen allmälig nä¬
her zu bringen; man soll nicht einen ganzen Organismus als krank
verschreien, wenn er der gesunden Glieder noch so viele zählt; kurz,
ich will in der Frage über das deutsche Studententhum ungefähr
die Stellung behaupten, welche bei einer andern, jetzt auch vielfach
berührten Frage die Liberalen und Constitutionellen den Communisten
gegenüber behaupten. Gern würde ich mein Princip in Bezug auf
die ganze Frage hier durchzuführen suchen, wenn mir dies Zeit und
Raum verstattete. Ich beschränke mich daher auf eine Besprechung
der hervorstechendsten Erscheinungsform im deutschen Studententhum,
deren Vertheidigung man bei den heftigen, gerade hier concentrirten
Angriffen der Gegner schon auf dem Papiere aufgegeben zu haben
scheint, derselben Form, „in welche" — nach Fr. Saß — „gar kein besseres
Element hineinzubringen ist, aus der kein Heil und kein Gutes hervorge¬
hen kann." Ich meine die Corps und Landsmannschaften.

Es handelt sich nicht um eine rein wissenschaftliche, son¬
dern vielmehr um eine der Hauptsache nach praktische Frage, um
eine dermalige Form des Studententhumö. Gleich von vorn herein
muß es uns daher gegen unsere Gegner einnehmen, daß diese bei
all ihrer wissenschaftlichen Entschiedenheit und Bestimmtheit
in der Lösung des eigentlichen Problems, der Feststellung eines posi-


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[0499] dem äußeren Beweise solcher Gesinnungen hätten fehlen lassen. Ja, man hat geradezu unser ganzes deutsches Studententhum für eine bloße Karrikatur, für ein bloßes „Zerrbild" des wahren akademischen Lebens erklärt; man behauptet ja, alle seine Formen müßten erst zur Asche niedergebrannt werden, blos dem beliebten Bilde eines neuen Phönix zu Gefallen. Freilich auch ich bin der Meinung, das deutsche Studententhum soll eine Feuerprobe aushalten, aber nicht eine Probe des Feuers, welches mit seinem sengenden Hauche nicht blos die wenigen Giftpflanzen, sondern auch alle zarten, unschuldigen Blumen im Ziergarten des Studentenlebens anwehe und alle Blüthen ab¬ streift, wenn sie keine ökonomischen Früchte tragen; — nein, jenes Feuers, das mit seiner läuternden Kraft die bildsamen metallischen Elemente durchdringt, nur die Schlacken sorgfältig aussondert und aus der wallenden und brausenden Fluth den reinen Silberblick dar¬ stellen will. Mein Schiboleth heißt: Was zu retten ist, das rette in dem großen Schiffbruch unserer Zeit. Ich meine, man soll nicht Ideale ins Leben hineintragen wollen, statt dieses jenen allmälig nä¬ her zu bringen; man soll nicht einen ganzen Organismus als krank verschreien, wenn er der gesunden Glieder noch so viele zählt; kurz, ich will in der Frage über das deutsche Studententhum ungefähr die Stellung behaupten, welche bei einer andern, jetzt auch vielfach berührten Frage die Liberalen und Constitutionellen den Communisten gegenüber behaupten. Gern würde ich mein Princip in Bezug auf die ganze Frage hier durchzuführen suchen, wenn mir dies Zeit und Raum verstattete. Ich beschränke mich daher auf eine Besprechung der hervorstechendsten Erscheinungsform im deutschen Studententhum, deren Vertheidigung man bei den heftigen, gerade hier concentrirten Angriffen der Gegner schon auf dem Papiere aufgegeben zu haben scheint, derselben Form, „in welche" — nach Fr. Saß — „gar kein besseres Element hineinzubringen ist, aus der kein Heil und kein Gutes hervorge¬ hen kann." Ich meine die Corps und Landsmannschaften. Es handelt sich nicht um eine rein wissenschaftliche, son¬ dern vielmehr um eine der Hauptsache nach praktische Frage, um eine dermalige Form des Studententhumö. Gleich von vorn herein muß es uns daher gegen unsere Gegner einnehmen, daß diese bei all ihrer wissenschaftlichen Entschiedenheit und Bestimmtheit in der Lösung des eigentlichen Problems, der Feststellung eines posi- 64*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/499>, abgerufen am 28.09.2024.