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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Emsigkeit, die den Frauen eigen ist, wenn sie sich für eine Sache
interessiren. Im Salon der Frau von Rothschild wurden Guizot und
der englische Gesandte für eine Angelegenheit erwärmt, die sonst ihnen
sicherlich gleichgültig geblieben wäre; eine lebhafte Korrespondenz wurde
nach London mit den einflußreichsten Personen des Foreign Office
eröffnet, Lord Aberdeen wurde in's Mittel gezogen und Anfragen aller
Art bei den Gesandtschaften in Petersburg gemacht. Allein, da der
russische Ukas nur eine innere Verwaltungsmaßregel ist, so konnte
die auswärtige Diplomatie unmöglich etwas thun. So beschränkten
sich denn allmälig diese Bemühungen darauf, daß einige dem Kaiser
nahe stehende Personen gewonnen wurden, um in geeigneten Augen¬
blicken ein Wort der Menschlichkeit und der Besänftigung dem Auto¬
kraten zuzuflüstern; ob dieses gelungen, ob nicht, ist noch sehr die
Frage und die Nachrichten, die in letzterer Zeit eingetroffen, lassen
sehr fürchten, daß alle diese feinen Fäden zerrissen. Jedenfalls aber
thun die Zeitungsberichte, die von dem ungeheueren Einfluß des Hau¬
ses Rothschild so viel trompeten, dieser Sache großen Schaden, da
derlei Correspondenzen am russischen Hofe viele offene Ohren finden
und leicht dazu beitragen können, den einen Augenblick milder ge¬
stimmten Sinn des Kaisers wieder zu.erhitzen; und um die Unabhäng¬
igkeit des russischen Thrones von einem Frankfurter Banquierhaus zu
beweisen, könnten Menschen zum Opfer fallen.


--r--


II.
Mr. H. Merz und die "Jahrbücher der Gegenwart".

Herr On. Merz, der wegen seines Artikels über Rosenkranz (in
der Augsburger Allgemeinen Zeitung) so viele Angriffe erleiden
mußte, sandte uns folgenden Brief zu:


An den Redacteur der Grenzboten.

Ich stehe als Mitarbeiter auf dem Umschlage Ihres Journals.
Die Briefe über Kunst und Künstler in München*), so wie der
Artikel über Uhland's Herzog Ernst **) müssen Ihnen ein Recht dazu
zu geben geschienen haben. Mit einem als Ueberläufer Geschmähten
können Sie aber nicht mehr vor das Publicum treten. So eile
ich, Ihnen einige Notizen zur Erklärung und Beurtheilung an
die Hand zu geben.'

Der Einfluß von Schellings Philosophie der Offenbarung war




Siehe Grenzboten Jahrgang 1843 die Nummern I, 3,5, II, 17, 22,
**) Siehe Grenzboten Jahrgang I84S Nro. 7.

Emsigkeit, die den Frauen eigen ist, wenn sie sich für eine Sache
interessiren. Im Salon der Frau von Rothschild wurden Guizot und
der englische Gesandte für eine Angelegenheit erwärmt, die sonst ihnen
sicherlich gleichgültig geblieben wäre; eine lebhafte Korrespondenz wurde
nach London mit den einflußreichsten Personen des Foreign Office
eröffnet, Lord Aberdeen wurde in's Mittel gezogen und Anfragen aller
Art bei den Gesandtschaften in Petersburg gemacht. Allein, da der
russische Ukas nur eine innere Verwaltungsmaßregel ist, so konnte
die auswärtige Diplomatie unmöglich etwas thun. So beschränkten
sich denn allmälig diese Bemühungen darauf, daß einige dem Kaiser
nahe stehende Personen gewonnen wurden, um in geeigneten Augen¬
blicken ein Wort der Menschlichkeit und der Besänftigung dem Auto¬
kraten zuzuflüstern; ob dieses gelungen, ob nicht, ist noch sehr die
Frage und die Nachrichten, die in letzterer Zeit eingetroffen, lassen
sehr fürchten, daß alle diese feinen Fäden zerrissen. Jedenfalls aber
thun die Zeitungsberichte, die von dem ungeheueren Einfluß des Hau¬
ses Rothschild so viel trompeten, dieser Sache großen Schaden, da
derlei Correspondenzen am russischen Hofe viele offene Ohren finden
und leicht dazu beitragen können, den einen Augenblick milder ge¬
stimmten Sinn des Kaisers wieder zu.erhitzen; und um die Unabhäng¬
igkeit des russischen Thrones von einem Frankfurter Banquierhaus zu
beweisen, könnten Menschen zum Opfer fallen.


—r—


II.
Mr. H. Merz und die „Jahrbücher der Gegenwart".

Herr On. Merz, der wegen seines Artikels über Rosenkranz (in
der Augsburger Allgemeinen Zeitung) so viele Angriffe erleiden
mußte, sandte uns folgenden Brief zu:


An den Redacteur der Grenzboten.

Ich stehe als Mitarbeiter auf dem Umschlage Ihres Journals.
Die Briefe über Kunst und Künstler in München*), so wie der
Artikel über Uhland's Herzog Ernst **) müssen Ihnen ein Recht dazu
zu geben geschienen haben. Mit einem als Ueberläufer Geschmähten
können Sie aber nicht mehr vor das Publicum treten. So eile
ich, Ihnen einige Notizen zur Erklärung und Beurtheilung an
die Hand zu geben.'

Der Einfluß von Schellings Philosophie der Offenbarung war




Siehe Grenzboten Jahrgang 1843 die Nummern I, 3,5, II, 17, 22,
**) Siehe Grenzboten Jahrgang I84S Nro. 7.
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[0480] Emsigkeit, die den Frauen eigen ist, wenn sie sich für eine Sache interessiren. Im Salon der Frau von Rothschild wurden Guizot und der englische Gesandte für eine Angelegenheit erwärmt, die sonst ihnen sicherlich gleichgültig geblieben wäre; eine lebhafte Korrespondenz wurde nach London mit den einflußreichsten Personen des Foreign Office eröffnet, Lord Aberdeen wurde in's Mittel gezogen und Anfragen aller Art bei den Gesandtschaften in Petersburg gemacht. Allein, da der russische Ukas nur eine innere Verwaltungsmaßregel ist, so konnte die auswärtige Diplomatie unmöglich etwas thun. So beschränkten sich denn allmälig diese Bemühungen darauf, daß einige dem Kaiser nahe stehende Personen gewonnen wurden, um in geeigneten Augen¬ blicken ein Wort der Menschlichkeit und der Besänftigung dem Auto¬ kraten zuzuflüstern; ob dieses gelungen, ob nicht, ist noch sehr die Frage und die Nachrichten, die in letzterer Zeit eingetroffen, lassen sehr fürchten, daß alle diese feinen Fäden zerrissen. Jedenfalls aber thun die Zeitungsberichte, die von dem ungeheueren Einfluß des Hau¬ ses Rothschild so viel trompeten, dieser Sache großen Schaden, da derlei Correspondenzen am russischen Hofe viele offene Ohren finden und leicht dazu beitragen können, den einen Augenblick milder ge¬ stimmten Sinn des Kaisers wieder zu.erhitzen; und um die Unabhäng¬ igkeit des russischen Thrones von einem Frankfurter Banquierhaus zu beweisen, könnten Menschen zum Opfer fallen. —r— II. Mr. H. Merz und die „Jahrbücher der Gegenwart". Herr On. Merz, der wegen seines Artikels über Rosenkranz (in der Augsburger Allgemeinen Zeitung) so viele Angriffe erleiden mußte, sandte uns folgenden Brief zu: An den Redacteur der Grenzboten. Ich stehe als Mitarbeiter auf dem Umschlage Ihres Journals. Die Briefe über Kunst und Künstler in München*), so wie der Artikel über Uhland's Herzog Ernst **) müssen Ihnen ein Recht dazu zu geben geschienen haben. Mit einem als Ueberläufer Geschmähten können Sie aber nicht mehr vor das Publicum treten. So eile ich, Ihnen einige Notizen zur Erklärung und Beurtheilung an die Hand zu geben.' Der Einfluß von Schellings Philosophie der Offenbarung war Siehe Grenzboten Jahrgang 1843 die Nummern I, 3,5, II, 17, 22, **) Siehe Grenzboten Jahrgang I84S Nro. 7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/480>, abgerufen am 29.06.2024.