sich während der ganzen Session als ein Anhänger der Mäßigung und Freiheit; als Mitglied des kölnglichen Rathes für den öffentli¬ chen Unterricht, dessen Vicepräsident er später wurde, mußte er sich einer neuen Wahl unterwerfen; er erlag aber, worauf ihn der König am II. October 1832 zum Pair von Frankreich ernannte. In den Kämpfen, welche die ersten Ministerien der Juliregierung in den Straßen von Paris und in der Vendve zu bestehen hatten, unter¬ stützte er mit Wort und Abstimmung alle Maßregeln der Regierung; später, als sich die oberste Macht mehr befestigt hatte, sprach er nur lau sür die Verweisung der politischen Prozesse an die Pairskammer. AIS nach dem Fiesckischen Attentat das Cabinet vom II. October die Prcßgesetzgebung verändern und die Competenz der Geschwo¬ renen beschränken zu müssen glaubte, griff Villemain das vorge¬ schlagene Gesetz in einer Rede an, die große Aufmerksamkeit erregte. Er ging darin von dem Princip aus, daß die Preßvergehen Ver¬ gehen der öffentlichen Meinung seien, also auch nur von einem Rich- terstuhl der öffentlichen Meinung, also von den Geschworenen bestraft werden könnten; er bekämpfte den Versuch, Preßvergehen unter den Begriff Attentat zu classificiren; er behauptete, der ministerielle Ge¬ setzentwurf sei beschränkender, als das schlechteste Gesetz der Restauration, und äußerte zum Schluß seines Ueberzeugung, daß die dem Pairshof eingeräumte Competenz diesem viel mehr schaden als nützen werde.
Als sich die Koalition gegen das Ministerium Molo bildete, war Villemain in der Pairskammer sein tapferster Vertheidiger. Die¬ ser Wortkampf brachte kein anderes Resultat hervor, als'ein Mini¬ sterium mehr, und Villemain wurde Mitglied desselben. Man weiß, wie dies Cabinet siel; durch einen Zufall, die Emeute Barb'-ö', hervor¬ gerufen, starb es an einem anderen Zufall, der Abstimmung über die Do¬ tation Nemours. Diese plötzliche Todesart war Villemain peinlich; er wollte großartig durch eine Principienfrage, nach einer feierlichen Discussion fallen; aber so still und geräuschlos, durch die Stimm¬ urne getödtet, oder wie er selbst sich geistreich ausdrückte, zwischen zwei Thüren erdrückt zu werden, das verzieh Villemain seinen Nach¬ folgern, den Ministern vom I. März (Thiers), nie.
Endlich kam auch für Villemain der Tag der Rache. Der Juli- tractat isolirte Frankreich; es mußte vorwärts oder zurückgehen: Thiers wollte vorwärts: die Kammern und der König weigerten sich,
sich während der ganzen Session als ein Anhänger der Mäßigung und Freiheit; als Mitglied des kölnglichen Rathes für den öffentli¬ chen Unterricht, dessen Vicepräsident er später wurde, mußte er sich einer neuen Wahl unterwerfen; er erlag aber, worauf ihn der König am II. October 1832 zum Pair von Frankreich ernannte. In den Kämpfen, welche die ersten Ministerien der Juliregierung in den Straßen von Paris und in der Vendve zu bestehen hatten, unter¬ stützte er mit Wort und Abstimmung alle Maßregeln der Regierung; später, als sich die oberste Macht mehr befestigt hatte, sprach er nur lau sür die Verweisung der politischen Prozesse an die Pairskammer. AIS nach dem Fiesckischen Attentat das Cabinet vom II. October die Prcßgesetzgebung verändern und die Competenz der Geschwo¬ renen beschränken zu müssen glaubte, griff Villemain das vorge¬ schlagene Gesetz in einer Rede an, die große Aufmerksamkeit erregte. Er ging darin von dem Princip aus, daß die Preßvergehen Ver¬ gehen der öffentlichen Meinung seien, also auch nur von einem Rich- terstuhl der öffentlichen Meinung, also von den Geschworenen bestraft werden könnten; er bekämpfte den Versuch, Preßvergehen unter den Begriff Attentat zu classificiren; er behauptete, der ministerielle Ge¬ setzentwurf sei beschränkender, als das schlechteste Gesetz der Restauration, und äußerte zum Schluß seines Ueberzeugung, daß die dem Pairshof eingeräumte Competenz diesem viel mehr schaden als nützen werde.
Als sich die Koalition gegen das Ministerium Molo bildete, war Villemain in der Pairskammer sein tapferster Vertheidiger. Die¬ ser Wortkampf brachte kein anderes Resultat hervor, als'ein Mini¬ sterium mehr, und Villemain wurde Mitglied desselben. Man weiß, wie dies Cabinet siel; durch einen Zufall, die Emeute Barb'-ö', hervor¬ gerufen, starb es an einem anderen Zufall, der Abstimmung über die Do¬ tation Nemours. Diese plötzliche Todesart war Villemain peinlich; er wollte großartig durch eine Principienfrage, nach einer feierlichen Discussion fallen; aber so still und geräuschlos, durch die Stimm¬ urne getödtet, oder wie er selbst sich geistreich ausdrückte, zwischen zwei Thüren erdrückt zu werden, das verzieh Villemain seinen Nach¬ folgern, den Ministern vom I. März (Thiers), nie.
Endlich kam auch für Villemain der Tag der Rache. Der Juli- tractat isolirte Frankreich; es mußte vorwärts oder zurückgehen: Thiers wollte vorwärts: die Kammern und der König weigerten sich,
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und Freiheit; als Mitglied des kölnglichen Rathes für den öffentli¬
chen Unterricht, dessen Vicepräsident er später wurde, mußte er sich
einer neuen Wahl unterwerfen; er erlag aber, worauf ihn der König
am II. October 1832 zum Pair von Frankreich ernannte. In den
Kämpfen, welche die ersten Ministerien der Juliregierung in den
Straßen von Paris und in der Vendve zu bestehen hatten, unter¬
stützte er mit Wort und Abstimmung alle Maßregeln der Regierung;
später, als sich die oberste Macht mehr befestigt hatte, sprach er nur
lau sür die Verweisung der politischen Prozesse an die Pairskammer.
AIS nach dem Fiesckischen Attentat das Cabinet vom II. October
die Prcßgesetzgebung verändern und die Competenz der Geschwo¬
renen beschränken zu müssen glaubte, griff Villemain das vorge¬
schlagene Gesetz in einer Rede an, die große Aufmerksamkeit erregte.
Er ging darin von dem Princip aus, daß die Preßvergehen Ver¬
gehen der öffentlichen Meinung seien, also auch nur von einem Rich-
terstuhl der öffentlichen Meinung, also von den Geschworenen bestraft
werden könnten; er bekämpfte den Versuch, Preßvergehen unter den
Begriff Attentat zu classificiren; er behauptete, der ministerielle Ge¬
setzentwurf sei beschränkender, als das schlechteste Gesetz der Restauration,
und äußerte zum Schluß seines Ueberzeugung, daß die dem Pairshof
eingeräumte Competenz diesem viel mehr schaden als nützen werde.
Als sich die Koalition gegen das Ministerium Molo bildete,
war Villemain in der Pairskammer sein tapferster Vertheidiger. Die¬
ser Wortkampf brachte kein anderes Resultat hervor, als'ein Mini¬
sterium mehr, und Villemain wurde Mitglied desselben. Man weiß,
wie dies Cabinet siel; durch einen Zufall, die Emeute Barb'-ö', hervor¬
gerufen, starb es an einem anderen Zufall, der Abstimmung über die Do¬
tation Nemours. Diese plötzliche Todesart war Villemain peinlich; er
wollte großartig durch eine Principienfrage, nach einer feierlichen
Discussion fallen; aber so still und geräuschlos, durch die Stimm¬
urne getödtet, oder wie er selbst sich geistreich ausdrückte, zwischen
zwei Thüren erdrückt zu werden, das verzieh Villemain seinen Nach¬
folgern, den Ministern vom I. März (Thiers), nie.
Endlich kam auch für Villemain der Tag der Rache. Der Juli-
tractat isolirte Frankreich; es mußte vorwärts oder zurückgehen:
Thiers wollte vorwärts: die Kammern und der König weigerten sich,
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/476>, abgerufen am 22.12.2024.
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