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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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kaiserlichen Lyceums (jetzt (^nII^As s^>om8 I" 6r-,mi). Der junge
Villemain überflügelte bald alle seine Mitschüler und oft trat er aus
den Reihen der Schüler heraus und ersetzte idem Professor mit der
vollkommensten Ruhe, zur großen Bewunderung seiner Kameraden.

Der Ruf des jungen Studenten war bald so groß, daß die
Universität nicht zögerte, ihm eine Stellung zu geben. Während er den
Cursus der Jurisprudenz durchmachte, wurde er dem Minister de Mon¬
tanes vorgestellt, der ihn bald darauf als Professor der Rhetorik am
Lyceum Charlemagne planirte. Eine Rede, die er auf dem Grabe
Lancivals sprach, machte den jugendlichen Professor auch bei dem
großen Publicum rühmlich bekannt. Er zögerte nicht, als Schrift¬
steller aufzutreten. Die Akademie hatte damals einen Preis auf eine
Lobrede Montaigne's ausgesetzt, und der kaum zwanzigjährige Jüngling
nahm sich vor, den Preis zu gewinnen. In acht Tagen hatte er
seine Abhandlung geschrieben und trug damit über alle seine Mit¬
bewerber den Sieg davon. Seine Schrift wurde in der Sitzung vom
23. Mai 182Z von der Akademie gekrönt.

Zu einer Zeit, wo den Geistern jede politische Nahrung versagt
war, war ein akademischer Erfolg von größerer Wichtigkeit, als
jetzt. Der geistreiche junge Gelehrte sah sich bald in den elegan¬
testen Salons aufgesucht. Man stritt sich um die Ehre, den jungen
Professor bei sich zu sehen, der jetzt schon jenen großen Ruf als
geistreicher Salonredner zu gewinnen begann, den er heute noch
besitzt. Die Rede über die Vortheile und Nachtheile der Kritik, wo¬
für Villemain zum zweiten Mal von der Akademie gekrönt wurde,
zeigt auf das Deutlichste den großen Reichthum des Verfassers an
Eleganz, Takt und Grazie. Der Theil, in dem er die Kritik abhan¬
delte, ist etwas dürftig, und das Ganze ist eigentlich eine Paraphrase
des Verses von Boileau: "Die Kritik ist leicht, aber die Kunst schwer."

Diesem zweiten Siege folgte bald ein dritter; die Akademie
sprach in ihrer Sitzung vom 25. August 1816 Villemain den Preis
der Beredsamkeit zu. Die Preisaufgabe war eine Lobrede auf Mon¬
tesquieu, und die gekrönte Rede sing mit einem sehr glücklichen Ein¬
gang an. Villemain nähert sich seinem Gegenstande auf einem
breiten und blumenreichen Wege, und bringt so eine Arbeit von schö¬
nem Style, aber eben weiter Nichts hervor. Alle die großen Fra-


kaiserlichen Lyceums (jetzt (^nII^As s^>om8 I« 6r-,mi). Der junge
Villemain überflügelte bald alle seine Mitschüler und oft trat er aus
den Reihen der Schüler heraus und ersetzte idem Professor mit der
vollkommensten Ruhe, zur großen Bewunderung seiner Kameraden.

Der Ruf des jungen Studenten war bald so groß, daß die
Universität nicht zögerte, ihm eine Stellung zu geben. Während er den
Cursus der Jurisprudenz durchmachte, wurde er dem Minister de Mon¬
tanes vorgestellt, der ihn bald darauf als Professor der Rhetorik am
Lyceum Charlemagne planirte. Eine Rede, die er auf dem Grabe
Lancivals sprach, machte den jugendlichen Professor auch bei dem
großen Publicum rühmlich bekannt. Er zögerte nicht, als Schrift¬
steller aufzutreten. Die Akademie hatte damals einen Preis auf eine
Lobrede Montaigne's ausgesetzt, und der kaum zwanzigjährige Jüngling
nahm sich vor, den Preis zu gewinnen. In acht Tagen hatte er
seine Abhandlung geschrieben und trug damit über alle seine Mit¬
bewerber den Sieg davon. Seine Schrift wurde in der Sitzung vom
23. Mai 182Z von der Akademie gekrönt.

Zu einer Zeit, wo den Geistern jede politische Nahrung versagt
war, war ein akademischer Erfolg von größerer Wichtigkeit, als
jetzt. Der geistreiche junge Gelehrte sah sich bald in den elegan¬
testen Salons aufgesucht. Man stritt sich um die Ehre, den jungen
Professor bei sich zu sehen, der jetzt schon jenen großen Ruf als
geistreicher Salonredner zu gewinnen begann, den er heute noch
besitzt. Die Rede über die Vortheile und Nachtheile der Kritik, wo¬
für Villemain zum zweiten Mal von der Akademie gekrönt wurde,
zeigt auf das Deutlichste den großen Reichthum des Verfassers an
Eleganz, Takt und Grazie. Der Theil, in dem er die Kritik abhan¬
delte, ist etwas dürftig, und das Ganze ist eigentlich eine Paraphrase
des Verses von Boileau: „Die Kritik ist leicht, aber die Kunst schwer."

Diesem zweiten Siege folgte bald ein dritter; die Akademie
sprach in ihrer Sitzung vom 25. August 1816 Villemain den Preis
der Beredsamkeit zu. Die Preisaufgabe war eine Lobrede auf Mon¬
tesquieu, und die gekrönte Rede sing mit einem sehr glücklichen Ein¬
gang an. Villemain nähert sich seinem Gegenstande auf einem
breiten und blumenreichen Wege, und bringt so eine Arbeit von schö¬
nem Style, aber eben weiter Nichts hervor. Alle die großen Fra-


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[0474] kaiserlichen Lyceums (jetzt (^nII^As s^>om8 I« 6r-,mi). Der junge Villemain überflügelte bald alle seine Mitschüler und oft trat er aus den Reihen der Schüler heraus und ersetzte idem Professor mit der vollkommensten Ruhe, zur großen Bewunderung seiner Kameraden. Der Ruf des jungen Studenten war bald so groß, daß die Universität nicht zögerte, ihm eine Stellung zu geben. Während er den Cursus der Jurisprudenz durchmachte, wurde er dem Minister de Mon¬ tanes vorgestellt, der ihn bald darauf als Professor der Rhetorik am Lyceum Charlemagne planirte. Eine Rede, die er auf dem Grabe Lancivals sprach, machte den jugendlichen Professor auch bei dem großen Publicum rühmlich bekannt. Er zögerte nicht, als Schrift¬ steller aufzutreten. Die Akademie hatte damals einen Preis auf eine Lobrede Montaigne's ausgesetzt, und der kaum zwanzigjährige Jüngling nahm sich vor, den Preis zu gewinnen. In acht Tagen hatte er seine Abhandlung geschrieben und trug damit über alle seine Mit¬ bewerber den Sieg davon. Seine Schrift wurde in der Sitzung vom 23. Mai 182Z von der Akademie gekrönt. Zu einer Zeit, wo den Geistern jede politische Nahrung versagt war, war ein akademischer Erfolg von größerer Wichtigkeit, als jetzt. Der geistreiche junge Gelehrte sah sich bald in den elegan¬ testen Salons aufgesucht. Man stritt sich um die Ehre, den jungen Professor bei sich zu sehen, der jetzt schon jenen großen Ruf als geistreicher Salonredner zu gewinnen begann, den er heute noch besitzt. Die Rede über die Vortheile und Nachtheile der Kritik, wo¬ für Villemain zum zweiten Mal von der Akademie gekrönt wurde, zeigt auf das Deutlichste den großen Reichthum des Verfassers an Eleganz, Takt und Grazie. Der Theil, in dem er die Kritik abhan¬ delte, ist etwas dürftig, und das Ganze ist eigentlich eine Paraphrase des Verses von Boileau: „Die Kritik ist leicht, aber die Kunst schwer." Diesem zweiten Siege folgte bald ein dritter; die Akademie sprach in ihrer Sitzung vom 25. August 1816 Villemain den Preis der Beredsamkeit zu. Die Preisaufgabe war eine Lobrede auf Mon¬ tesquieu, und die gekrönte Rede sing mit einem sehr glücklichen Ein¬ gang an. Villemain nähert sich seinem Gegenstande auf einem breiten und blumenreichen Wege, und bringt so eine Arbeit von schö¬ nem Style, aber eben weiter Nichts hervor. Alle die großen Fra-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/474>, abgerufen am 23.12.2024.