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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Geschäfte liquidirt, sein Banquierhaus wieder errichtet, und seine Dis-
contokasse wieder gegründet, welche eine der nützlichsten Institutionell
unserer Tage bildet. Als er 1837 die Versammlung der Actionäre
dieses Unternehmens eröffnete, sprach er die schönen Worte, die wir
unseren Lesern nicht vorenthalten wollen: "Ich kann mich nicht, sagte
er, ohne Bewegung mit Arbeiten beschäftigt sehen, die mir werth sein
müssen, indem ich bereitbin, durch ein, aller meiner Anstrengungen würdiges
Unternehmen eine nützliche Laufbahn zu krönen, in der ich vielleicht
einiges Gute gewirkt habe; mir scheint, als vergäße ich in Euerer
Mitte viele vergangene Täuschungen und die Beschwerlichkeiten po¬
litischer Größe, deren Bürde ich nur um meines Vaterlandes willen
übernommen hatte. Die Zukunft bewahrt mir noch Entschädigungen
auf, und der 2. October 1837, der Tag, an dem ich meine kauf¬
männische Laufbahn wieder begonnen habe, tröstet mich über den 18.
Januar 1831, wo ich fie verließ."

Es ist ein Laffitte's ganz würdiger Gedanke, der kleinen Jndußrie
einen fortwährenden Credit zu eröffnen; der bescheidene Fabrikant,
von dem drängenden Wucherer gerettet, bekommt seine Papiere zu
billigem Preis discontirt, legt seine Kapitalien sicher und vorteilhaft
an, zieht sie wieder ein, wie es ihm gefällt, und segnet den Stifter
der Discontokasse.

Es gibt drei Menschen zugleich in Laffitte: den Privatmann,
den Finanzmann und den Politiker; seine vollkommene Güte, iebens-
würdige Einfachheit und unermüdliche Wohlthätigkeit sind bekannt,
und wir sprechen nicht davon; sein Verdienst als Finanzmann ist
ebenso unbestreitbar und unbestritten; über den Politiker Liffitte ist
man weniger einig. Ein feuriger Monarchist bei dem Beginn der
Julirevolution, steht Laffitte heute auf der äußersten Grenx, welche
den Monarchismus von dem Republikanismus trennt. In den letz¬
ten vier Jahren hat keine politische Persönlichkeit seltsamereWandlun-
gen erfahren. Als Minister fanden ihn die Radikalen zu dynastisch,
und die Dynastischen zu republikanisch, und wir können, um diese
Verschiedenheit der Urtheile zu erklären, mit keinem bessere, Ausspruche
als der Anwendung eines Wortes Napoleons schließen: Daß das
Herz eines Staatsmannes im Kopfe sein müsse, und des Laffitte zu
viel Gemüth hat, um ein Staatsmann zu sein.




Geschäfte liquidirt, sein Banquierhaus wieder errichtet, und seine Dis-
contokasse wieder gegründet, welche eine der nützlichsten Institutionell
unserer Tage bildet. Als er 1837 die Versammlung der Actionäre
dieses Unternehmens eröffnete, sprach er die schönen Worte, die wir
unseren Lesern nicht vorenthalten wollen: „Ich kann mich nicht, sagte
er, ohne Bewegung mit Arbeiten beschäftigt sehen, die mir werth sein
müssen, indem ich bereitbin, durch ein, aller meiner Anstrengungen würdiges
Unternehmen eine nützliche Laufbahn zu krönen, in der ich vielleicht
einiges Gute gewirkt habe; mir scheint, als vergäße ich in Euerer
Mitte viele vergangene Täuschungen und die Beschwerlichkeiten po¬
litischer Größe, deren Bürde ich nur um meines Vaterlandes willen
übernommen hatte. Die Zukunft bewahrt mir noch Entschädigungen
auf, und der 2. October 1837, der Tag, an dem ich meine kauf¬
männische Laufbahn wieder begonnen habe, tröstet mich über den 18.
Januar 1831, wo ich fie verließ."

Es ist ein Laffitte's ganz würdiger Gedanke, der kleinen Jndußrie
einen fortwährenden Credit zu eröffnen; der bescheidene Fabrikant,
von dem drängenden Wucherer gerettet, bekommt seine Papiere zu
billigem Preis discontirt, legt seine Kapitalien sicher und vorteilhaft
an, zieht sie wieder ein, wie es ihm gefällt, und segnet den Stifter
der Discontokasse.

Es gibt drei Menschen zugleich in Laffitte: den Privatmann,
den Finanzmann und den Politiker; seine vollkommene Güte, iebens-
würdige Einfachheit und unermüdliche Wohlthätigkeit sind bekannt,
und wir sprechen nicht davon; sein Verdienst als Finanzmann ist
ebenso unbestreitbar und unbestritten; über den Politiker Liffitte ist
man weniger einig. Ein feuriger Monarchist bei dem Beginn der
Julirevolution, steht Laffitte heute auf der äußersten Grenx, welche
den Monarchismus von dem Republikanismus trennt. In den letz¬
ten vier Jahren hat keine politische Persönlichkeit seltsamereWandlun-
gen erfahren. Als Minister fanden ihn die Radikalen zu dynastisch,
und die Dynastischen zu republikanisch, und wir können, um diese
Verschiedenheit der Urtheile zu erklären, mit keinem bessere, Ausspruche
als der Anwendung eines Wortes Napoleons schließen: Daß das
Herz eines Staatsmannes im Kopfe sein müsse, und des Laffitte zu
viel Gemüth hat, um ein Staatsmann zu sein.




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[0452] Geschäfte liquidirt, sein Banquierhaus wieder errichtet, und seine Dis- contokasse wieder gegründet, welche eine der nützlichsten Institutionell unserer Tage bildet. Als er 1837 die Versammlung der Actionäre dieses Unternehmens eröffnete, sprach er die schönen Worte, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten wollen: „Ich kann mich nicht, sagte er, ohne Bewegung mit Arbeiten beschäftigt sehen, die mir werth sein müssen, indem ich bereitbin, durch ein, aller meiner Anstrengungen würdiges Unternehmen eine nützliche Laufbahn zu krönen, in der ich vielleicht einiges Gute gewirkt habe; mir scheint, als vergäße ich in Euerer Mitte viele vergangene Täuschungen und die Beschwerlichkeiten po¬ litischer Größe, deren Bürde ich nur um meines Vaterlandes willen übernommen hatte. Die Zukunft bewahrt mir noch Entschädigungen auf, und der 2. October 1837, der Tag, an dem ich meine kauf¬ männische Laufbahn wieder begonnen habe, tröstet mich über den 18. Januar 1831, wo ich fie verließ." Es ist ein Laffitte's ganz würdiger Gedanke, der kleinen Jndußrie einen fortwährenden Credit zu eröffnen; der bescheidene Fabrikant, von dem drängenden Wucherer gerettet, bekommt seine Papiere zu billigem Preis discontirt, legt seine Kapitalien sicher und vorteilhaft an, zieht sie wieder ein, wie es ihm gefällt, und segnet den Stifter der Discontokasse. Es gibt drei Menschen zugleich in Laffitte: den Privatmann, den Finanzmann und den Politiker; seine vollkommene Güte, iebens- würdige Einfachheit und unermüdliche Wohlthätigkeit sind bekannt, und wir sprechen nicht davon; sein Verdienst als Finanzmann ist ebenso unbestreitbar und unbestritten; über den Politiker Liffitte ist man weniger einig. Ein feuriger Monarchist bei dem Beginn der Julirevolution, steht Laffitte heute auf der äußersten Grenx, welche den Monarchismus von dem Republikanismus trennt. In den letz¬ ten vier Jahren hat keine politische Persönlichkeit seltsamereWandlun- gen erfahren. Als Minister fanden ihn die Radikalen zu dynastisch, und die Dynastischen zu republikanisch, und wir können, um diese Verschiedenheit der Urtheile zu erklären, mit keinem bessere, Ausspruche als der Anwendung eines Wortes Napoleons schließen: Daß das Herz eines Staatsmannes im Kopfe sein müsse, und des Laffitte zu viel Gemüth hat, um ein Staatsmann zu sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/452>, abgerufen am 28.09.2024.