Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.Versetzung in Anklagestand zu entscheiden. Das Wahlgesetz mit sei¬ Die Rechte war nicht viel gefügiger. Guizot, Perier, Dupin Eine nicht minder bedauernswerthe Spaltung zwischen dem Con¬ Dem Lande gegenüber war die Stellung des Ministeriums noch Nach dreimonatlicher Eristenz war das Ministerium Laffitte be¬ Versetzung in Anklagestand zu entscheiden. Das Wahlgesetz mit sei¬ Die Rechte war nicht viel gefügiger. Guizot, Perier, Dupin Eine nicht minder bedauernswerthe Spaltung zwischen dem Con¬ Dem Lande gegenüber war die Stellung des Ministeriums noch Nach dreimonatlicher Eristenz war das Ministerium Laffitte be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0450" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180163"/> <p xml:id="ID_1199" prev="#ID_1198"> Versetzung in Anklagestand zu entscheiden. Das Wahlgesetz mit sei¬<lb/> nem Census von 300 Francs, ein Wahlmonopol, welches Laffitte jetzt<lb/> selbst so lebhaft bekämpft) wurde von der Linken mit dem herbsten<lb/> Tadel empfangen. Im Ganzen fand sie Laffitte unentschieden und zu<lb/> wenig zum Fortschritt geneigt; sie warf ihm vor, daß er 18 Millio¬<lb/> nen Civilliste und Apanagen verlangte; daß er so oft die Nichtigkeit<lb/> der Ansprüche Belgiens auf Luremburg proclamirte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1200"> Die Rechte war nicht viel gefügiger. Guizot, Perier, Dupin<lb/> verlangten energische Maßregeln gegen die Einmischung der Massen in<lb/> die Staatsangelegenheiten, und eine regelmäßigere und besser zusam¬<lb/> mengesetzte administrative Hierarchie; vergebens donnerte der Präsident,<lb/> um sie zu befriedigen, gegen die Friedensstörer, die man<lb/> vernichten müsse. Diese Heftigkeit in Worten, denen er durch<lb/> die That nie entsprach, entfremdete Laffitte jene schwankende Partei der<lb/> Kammern, die sich unter allen Regierungen nach Nuhe, Ordnung<lb/> und Frieden sehnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1201"> Eine nicht minder bedauernswerthe Spaltung zwischen dem Con¬<lb/> seilpräsidenten und dem Kriegsminister veranlaßte eine unentschiedene<lb/> und farblose, halb herausfordernde und halb schüchterne Politik dem<lb/> Auslande gegenüber.</p><lb/> <p xml:id="ID_1202"> Dem Lande gegenüber war die Stellung des Ministeriums noch<lb/> kritischer. Unruhe und Mißbehagen aller Arten; Arbeitslosigkeit, denn<lb/> die Kapitalien hatten sich zurückgezogen, wo die Emeute auf den Stra¬<lb/> ßen herrschte; die Fallissements mehrten sich mit reißender Schnellig¬<lb/> keit, und anstatt der einheimischen Industrie unter die Arme zu grei¬<lb/> fen, war der Schatz oft selbst in Verlegenheit, wie er seine Verbind¬<lb/> lichkeiten erfüllen sollte; die schwebende Schuld hatte sich bereits um<lb/> zwei Drittel vermehrt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1203" next="#ID_1204"> Nach dreimonatlicher Eristenz war das Ministerium Laffitte be¬<lb/> reits abgenutzt; die Unruhen des 14. Februar vollendeten seinen<lb/> Sturz. Ueber die Unthätigkeit des Ministeriums der Polizei bei der<lb/> Zerstörung des erzbischöflichen Palastes entstand ein skandalöser Streit<lb/> in der Kammer zwischen Montalivet und Odilon-Barrot; der Letztere<lb/> reichte seine Entlassung ein, und Laffitte zögerte nicht, ihm zu folgen.<lb/> Man behauptet, diplomatische Noten über die Intervention Oester¬<lb/> reichs in Italien seien dem Conseilpräsidenten vorenthalten worden,<lb/> und dies sei die Ursache seines Rücktritts gewesen; aber auch Laffit-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0450]
Versetzung in Anklagestand zu entscheiden. Das Wahlgesetz mit sei¬
nem Census von 300 Francs, ein Wahlmonopol, welches Laffitte jetzt
selbst so lebhaft bekämpft) wurde von der Linken mit dem herbsten
Tadel empfangen. Im Ganzen fand sie Laffitte unentschieden und zu
wenig zum Fortschritt geneigt; sie warf ihm vor, daß er 18 Millio¬
nen Civilliste und Apanagen verlangte; daß er so oft die Nichtigkeit
der Ansprüche Belgiens auf Luremburg proclamirte.
Die Rechte war nicht viel gefügiger. Guizot, Perier, Dupin
verlangten energische Maßregeln gegen die Einmischung der Massen in
die Staatsangelegenheiten, und eine regelmäßigere und besser zusam¬
mengesetzte administrative Hierarchie; vergebens donnerte der Präsident,
um sie zu befriedigen, gegen die Friedensstörer, die man
vernichten müsse. Diese Heftigkeit in Worten, denen er durch
die That nie entsprach, entfremdete Laffitte jene schwankende Partei der
Kammern, die sich unter allen Regierungen nach Nuhe, Ordnung
und Frieden sehnt.
Eine nicht minder bedauernswerthe Spaltung zwischen dem Con¬
seilpräsidenten und dem Kriegsminister veranlaßte eine unentschiedene
und farblose, halb herausfordernde und halb schüchterne Politik dem
Auslande gegenüber.
Dem Lande gegenüber war die Stellung des Ministeriums noch
kritischer. Unruhe und Mißbehagen aller Arten; Arbeitslosigkeit, denn
die Kapitalien hatten sich zurückgezogen, wo die Emeute auf den Stra¬
ßen herrschte; die Fallissements mehrten sich mit reißender Schnellig¬
keit, und anstatt der einheimischen Industrie unter die Arme zu grei¬
fen, war der Schatz oft selbst in Verlegenheit, wie er seine Verbind¬
lichkeiten erfüllen sollte; die schwebende Schuld hatte sich bereits um
zwei Drittel vermehrt.
Nach dreimonatlicher Eristenz war das Ministerium Laffitte be¬
reits abgenutzt; die Unruhen des 14. Februar vollendeten seinen
Sturz. Ueber die Unthätigkeit des Ministeriums der Polizei bei der
Zerstörung des erzbischöflichen Palastes entstand ein skandalöser Streit
in der Kammer zwischen Montalivet und Odilon-Barrot; der Letztere
reichte seine Entlassung ein, und Laffitte zögerte nicht, ihm zu folgen.
Man behauptet, diplomatische Noten über die Intervention Oester¬
reichs in Italien seien dem Conseilpräsidenten vorenthalten worden,
und dies sei die Ursache seines Rücktritts gewesen; aber auch Laffit-
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