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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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führung des protestantischen Gustav-Adolphvcrcins gemeldet und sie
über die Tendenzen desselben, die durchaus nicht gegen den Katholicis¬
mus gerichtet sind, zu beruhigen gesucht. Polemische Störungen sollen
von protestantischer Seite nicht stattfinden. Hoffentlich werden also die
katholischen Bischöfe Preußens keinen Einspruch erheben?! Wir aber
wünschten, daß Eichhorn'S Epistel lieber an den König von Baiern
gerichtet worden wäre, damit die armen bairischen Protestanten, die
doch Steine zum Kölner Dombau liefern, vom Gustav-Adolphvercin
Brod annehmen dürften.

-- Der Bischof Alexander in Jerusalem soll große Eroberungen
machen. Die Zahl der Proselyten, die er gewonnen, wird bald die
der Einwohner von Palästina und Syrien übersteigen; so daß er al¬
lein für die Befreiung des heiligen Grabes mehr gethan hat, als
Gottfried von Bouillon mit Tausenden von Rittern und Knappen.
Die englischen Fünfpfündcr und Guineen sollen sich dabei alö sehr
gute Glaubcnswaffen beweisen. So melden die Zeitungen neuerdings
von einem "jüdischen Doctor", den er sammt Weib und Kind getauft
hat. Freilich wird nicht gesagt, ob dieser Doctor an der Universität
von Jerusalem, Aleppo oder Damaskus promovirt, oder ob Alexander
ihn gleich als Proselytcnparadcpfcrd aus Europa mitgebracht hat.

-- Die "Jahrbücher der Gegenwart" weisen nach, was Alles zu
einem "christlichen Staat" gehöre oder eigentlich nicht gehöre. Es genügt
nicht, eine christliche Theologie oder allenfalls Philosophie zusahen; das
Wort ist eine Chimäre, wenn nicht die wesentlichsten, den Staat bil¬
denden Elemente des Lebens streng christlich und auf das Evangelium
gegründet sind. Vor Allem eine christliche Geschichte. "Weg also
mit der profanen Geschichtschreibung", die an Alles denselben Maßstab
historischer Beurtheilung legt und auch das Heidenthum als gesunde
Frucht des menschlichen Wesens bewundert! Weg mit der historischen
Kritik, denn aus ihr kommt der Zweifel, der bald auch in die heilige
Geschichte dringt. Unsere einzigen Historiker bleiben dann: Leo, Hur-
ter und Görres. Wir müssen, eben deshalb, eine christliche Philo¬
logie und Aesthetik haben; jedenfalls eine christliche Jurispru¬
denz. Schon das Sprichwort: Juristen sind schlechte Christen, er¬
innert an die Unchristlichkcit des Naturrechts und aller anderen Rechte.
"Wem die Verordnung eines Heiden, der gerichtliche Verfolgung und
Züchtigung des Beleidigers erlaubt, mehr gilt, als die Stimme des
Evangeliums, die gebietet, Dem, welcher uns auf die eine Wange
schlägt, die andere auch darzubieten", ist doch nicht sehr christlich; und
solche Menschen tragen, stützen und machen unseren Staat aus. "Daß
auch die Nationalökonomie und Finanz w lösen schaft christlich
sein sollen, ist noch von Niemand verlangt worden, aber wenn man


führung des protestantischen Gustav-Adolphvcrcins gemeldet und sie
über die Tendenzen desselben, die durchaus nicht gegen den Katholicis¬
mus gerichtet sind, zu beruhigen gesucht. Polemische Störungen sollen
von protestantischer Seite nicht stattfinden. Hoffentlich werden also die
katholischen Bischöfe Preußens keinen Einspruch erheben?! Wir aber
wünschten, daß Eichhorn'S Epistel lieber an den König von Baiern
gerichtet worden wäre, damit die armen bairischen Protestanten, die
doch Steine zum Kölner Dombau liefern, vom Gustav-Adolphvercin
Brod annehmen dürften.

— Der Bischof Alexander in Jerusalem soll große Eroberungen
machen. Die Zahl der Proselyten, die er gewonnen, wird bald die
der Einwohner von Palästina und Syrien übersteigen; so daß er al¬
lein für die Befreiung des heiligen Grabes mehr gethan hat, als
Gottfried von Bouillon mit Tausenden von Rittern und Knappen.
Die englischen Fünfpfündcr und Guineen sollen sich dabei alö sehr
gute Glaubcnswaffen beweisen. So melden die Zeitungen neuerdings
von einem „jüdischen Doctor", den er sammt Weib und Kind getauft
hat. Freilich wird nicht gesagt, ob dieser Doctor an der Universität
von Jerusalem, Aleppo oder Damaskus promovirt, oder ob Alexander
ihn gleich als Proselytcnparadcpfcrd aus Europa mitgebracht hat.

— Die „Jahrbücher der Gegenwart" weisen nach, was Alles zu
einem »christlichen Staat" gehöre oder eigentlich nicht gehöre. Es genügt
nicht, eine christliche Theologie oder allenfalls Philosophie zusahen; das
Wort ist eine Chimäre, wenn nicht die wesentlichsten, den Staat bil¬
denden Elemente des Lebens streng christlich und auf das Evangelium
gegründet sind. Vor Allem eine christliche Geschichte. „Weg also
mit der profanen Geschichtschreibung", die an Alles denselben Maßstab
historischer Beurtheilung legt und auch das Heidenthum als gesunde
Frucht des menschlichen Wesens bewundert! Weg mit der historischen
Kritik, denn aus ihr kommt der Zweifel, der bald auch in die heilige
Geschichte dringt. Unsere einzigen Historiker bleiben dann: Leo, Hur-
ter und Görres. Wir müssen, eben deshalb, eine christliche Philo¬
logie und Aesthetik haben; jedenfalls eine christliche Jurispru¬
denz. Schon das Sprichwort: Juristen sind schlechte Christen, er¬
innert an die Unchristlichkcit des Naturrechts und aller anderen Rechte.
„Wem die Verordnung eines Heiden, der gerichtliche Verfolgung und
Züchtigung des Beleidigers erlaubt, mehr gilt, als die Stimme des
Evangeliums, die gebietet, Dem, welcher uns auf die eine Wange
schlägt, die andere auch darzubieten", ist doch nicht sehr christlich; und
solche Menschen tragen, stützen und machen unseren Staat aus. „Daß
auch die Nationalökonomie und Finanz w lösen schaft christlich
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[0430] führung des protestantischen Gustav-Adolphvcrcins gemeldet und sie über die Tendenzen desselben, die durchaus nicht gegen den Katholicis¬ mus gerichtet sind, zu beruhigen gesucht. Polemische Störungen sollen von protestantischer Seite nicht stattfinden. Hoffentlich werden also die katholischen Bischöfe Preußens keinen Einspruch erheben?! Wir aber wünschten, daß Eichhorn'S Epistel lieber an den König von Baiern gerichtet worden wäre, damit die armen bairischen Protestanten, die doch Steine zum Kölner Dombau liefern, vom Gustav-Adolphvercin Brod annehmen dürften. — Der Bischof Alexander in Jerusalem soll große Eroberungen machen. Die Zahl der Proselyten, die er gewonnen, wird bald die der Einwohner von Palästina und Syrien übersteigen; so daß er al¬ lein für die Befreiung des heiligen Grabes mehr gethan hat, als Gottfried von Bouillon mit Tausenden von Rittern und Knappen. Die englischen Fünfpfündcr und Guineen sollen sich dabei alö sehr gute Glaubcnswaffen beweisen. So melden die Zeitungen neuerdings von einem „jüdischen Doctor", den er sammt Weib und Kind getauft hat. Freilich wird nicht gesagt, ob dieser Doctor an der Universität von Jerusalem, Aleppo oder Damaskus promovirt, oder ob Alexander ihn gleich als Proselytcnparadcpfcrd aus Europa mitgebracht hat. — Die „Jahrbücher der Gegenwart" weisen nach, was Alles zu einem »christlichen Staat" gehöre oder eigentlich nicht gehöre. Es genügt nicht, eine christliche Theologie oder allenfalls Philosophie zusahen; das Wort ist eine Chimäre, wenn nicht die wesentlichsten, den Staat bil¬ denden Elemente des Lebens streng christlich und auf das Evangelium gegründet sind. Vor Allem eine christliche Geschichte. „Weg also mit der profanen Geschichtschreibung", die an Alles denselben Maßstab historischer Beurtheilung legt und auch das Heidenthum als gesunde Frucht des menschlichen Wesens bewundert! Weg mit der historischen Kritik, denn aus ihr kommt der Zweifel, der bald auch in die heilige Geschichte dringt. Unsere einzigen Historiker bleiben dann: Leo, Hur- ter und Görres. Wir müssen, eben deshalb, eine christliche Philo¬ logie und Aesthetik haben; jedenfalls eine christliche Jurispru¬ denz. Schon das Sprichwort: Juristen sind schlechte Christen, er¬ innert an die Unchristlichkcit des Naturrechts und aller anderen Rechte. „Wem die Verordnung eines Heiden, der gerichtliche Verfolgung und Züchtigung des Beleidigers erlaubt, mehr gilt, als die Stimme des Evangeliums, die gebietet, Dem, welcher uns auf die eine Wange schlägt, die andere auch darzubieten", ist doch nicht sehr christlich; und solche Menschen tragen, stützen und machen unseren Staat aus. „Daß auch die Nationalökonomie und Finanz w lösen schaft christlich sein sollen, ist noch von Niemand verlangt worden, aber wenn man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/430>, abgerufen am 22.12.2024.