fichtige Hände, die mich eben so tief rühren, wie ein blasses, verwein¬ tes Antlitz; dann wieder andere, die mir mit ihren schlanken, energi¬ schen, vornehmen Fingern eben so imponiren, wie das Auge eines geistigen Herrschers. Es ist hier nicht der Ort, dies genauer zu er¬ örtern, sondern zu meinem Ausgangspunkt zurückkehrend, will ich nur noch bemerken: Durch das beständige Handschuhmalen verlernen un¬ sere Künstler Hände zu malen. Vergleiche die, welche man auf den Bildern der alten, einer vorjacquemar'schen Periode angehörenden Künstler sieht, mit denen, die jetzt gemalt werden, und diese letzteren werden Dir kalte, abgestorbene Todtenhände scheinen. Uebrigens sind auch die Handschuhe aus dem in Rede stehenden Porträt nicht so gut gemalt wie der Rest.
Wir verlassen den Saal und kehren in ein Kabinet, das wir vorhin nur flüchtig durchschritten, zurück. Mir pocht das Herz, wie wenn ich am Christabend die Thüre des Zimmers ausschließe, in dem Kinder ihre Weihnachtsfreude finden sollen. So freue ich mich des Entzückens, das Deiner hier wartet. Das Kabinet ist geheim¬ nißvoll verdunkelt, nur durch eine schmale Oeffnung bricht ein Licht¬ strahl herein und zeigt Dir, auf einer Staffelei ruhend, die wunder¬ barsten Glasmalereien. Das brennt, glüht, flammt und leuchtet, das übermeistert Dir alle Sinne, das umfluthet Dich wie Duft und Klang, durchströmt Dein Innerstes wie ein phantastisches Gedicht und was diese Wunder in Dir bewirkt, ist das Lichtkind Farbe. Und wenn Du Dich dann besinnst, wenn Du Deiner selbst wieder Herr werden willst und Dir sagst: "Du trunknes, gluthberauschtes Körper^ auge, nicht Dir allein will ich trauen: mit dem Auge des Geistes will ich des Geistes Werk betrachten, ob es solcher Bewunderung würdig!" -- wenn Du dies sagst und Dick versenkst in der Bilder Gedanken, Sinn, Bedeutung, da wird innere Wonne durch Dein Herz gehen; immer Heller wird Dir's tagen, immer herrlicher wird sich der Erdenstoff verklären, und endlich wird Dein Gefühl nicht mehr Staunen, Bewunderung, es wird entzückte, unaussprechliche Andacht sein. Du wirst fühlen: diese Bilder wurden nicht blos ge¬ malt, um durch Reiz und Pracht der Farbe das Auge zu ergötzen, der Künstler schuf sie, um einen heiligen Gedanken dem Menschen- sinn zu offenbaren.
Se. Christoph, das Gotteskind durch die Fluch tragend. Hoch-
fichtige Hände, die mich eben so tief rühren, wie ein blasses, verwein¬ tes Antlitz; dann wieder andere, die mir mit ihren schlanken, energi¬ schen, vornehmen Fingern eben so imponiren, wie das Auge eines geistigen Herrschers. Es ist hier nicht der Ort, dies genauer zu er¬ örtern, sondern zu meinem Ausgangspunkt zurückkehrend, will ich nur noch bemerken: Durch das beständige Handschuhmalen verlernen un¬ sere Künstler Hände zu malen. Vergleiche die, welche man auf den Bildern der alten, einer vorjacquemar'schen Periode angehörenden Künstler sieht, mit denen, die jetzt gemalt werden, und diese letzteren werden Dir kalte, abgestorbene Todtenhände scheinen. Uebrigens sind auch die Handschuhe aus dem in Rede stehenden Porträt nicht so gut gemalt wie der Rest.
Wir verlassen den Saal und kehren in ein Kabinet, das wir vorhin nur flüchtig durchschritten, zurück. Mir pocht das Herz, wie wenn ich am Christabend die Thüre des Zimmers ausschließe, in dem Kinder ihre Weihnachtsfreude finden sollen. So freue ich mich des Entzückens, das Deiner hier wartet. Das Kabinet ist geheim¬ nißvoll verdunkelt, nur durch eine schmale Oeffnung bricht ein Licht¬ strahl herein und zeigt Dir, auf einer Staffelei ruhend, die wunder¬ barsten Glasmalereien. Das brennt, glüht, flammt und leuchtet, das übermeistert Dir alle Sinne, das umfluthet Dich wie Duft und Klang, durchströmt Dein Innerstes wie ein phantastisches Gedicht und was diese Wunder in Dir bewirkt, ist das Lichtkind Farbe. Und wenn Du Dich dann besinnst, wenn Du Deiner selbst wieder Herr werden willst und Dir sagst: „Du trunknes, gluthberauschtes Körper^ auge, nicht Dir allein will ich trauen: mit dem Auge des Geistes will ich des Geistes Werk betrachten, ob es solcher Bewunderung würdig!" — wenn Du dies sagst und Dick versenkst in der Bilder Gedanken, Sinn, Bedeutung, da wird innere Wonne durch Dein Herz gehen; immer Heller wird Dir's tagen, immer herrlicher wird sich der Erdenstoff verklären, und endlich wird Dein Gefühl nicht mehr Staunen, Bewunderung, es wird entzückte, unaussprechliche Andacht sein. Du wirst fühlen: diese Bilder wurden nicht blos ge¬ malt, um durch Reiz und Pracht der Farbe das Auge zu ergötzen, der Künstler schuf sie, um einen heiligen Gedanken dem Menschen- sinn zu offenbaren.
Se. Christoph, das Gotteskind durch die Fluch tragend. Hoch-
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tes Antlitz; dann wieder andere, die mir mit ihren schlanken, energi¬
schen, vornehmen Fingern eben so imponiren, wie das Auge eines
geistigen Herrschers. Es ist hier nicht der Ort, dies genauer zu er¬
örtern, sondern zu meinem Ausgangspunkt zurückkehrend, will ich nur
noch bemerken: Durch das beständige Handschuhmalen verlernen un¬
sere Künstler Hände zu malen. Vergleiche die, welche man auf den
Bildern der alten, einer vorjacquemar'schen Periode angehörenden
Künstler sieht, mit denen, die jetzt gemalt werden, und diese letzteren
werden Dir kalte, abgestorbene Todtenhände scheinen. Uebrigens sind
auch die Handschuhe aus dem in Rede stehenden Porträt nicht so
gut gemalt wie der Rest.
Wir verlassen den Saal und kehren in ein Kabinet, das wir
vorhin nur flüchtig durchschritten, zurück. Mir pocht das Herz, wie
wenn ich am Christabend die Thüre des Zimmers ausschließe, in
dem Kinder ihre Weihnachtsfreude finden sollen. So freue ich mich
des Entzückens, das Deiner hier wartet. Das Kabinet ist geheim¬
nißvoll verdunkelt, nur durch eine schmale Oeffnung bricht ein Licht¬
strahl herein und zeigt Dir, auf einer Staffelei ruhend, die wunder¬
barsten Glasmalereien. Das brennt, glüht, flammt und leuchtet, das
übermeistert Dir alle Sinne, das umfluthet Dich wie Duft und
Klang, durchströmt Dein Innerstes wie ein phantastisches Gedicht und
was diese Wunder in Dir bewirkt, ist das Lichtkind Farbe. Und
wenn Du Dich dann besinnst, wenn Du Deiner selbst wieder Herr
werden willst und Dir sagst: „Du trunknes, gluthberauschtes Körper^
auge, nicht Dir allein will ich trauen: mit dem Auge des Geistes
will ich des Geistes Werk betrachten, ob es solcher Bewunderung
würdig!" — wenn Du dies sagst und Dick versenkst in der Bilder
Gedanken, Sinn, Bedeutung, da wird innere Wonne durch Dein
Herz gehen; immer Heller wird Dir's tagen, immer herrlicher wird
sich der Erdenstoff verklären, und endlich wird Dein Gefühl nicht
mehr Staunen, Bewunderung, es wird entzückte, unaussprechliche
Andacht sein. Du wirst fühlen: diese Bilder wurden nicht blos ge¬
malt, um durch Reiz und Pracht der Farbe das Auge zu ergötzen,
der Künstler schuf sie, um einen heiligen Gedanken dem Menschen-
sinn zu offenbaren.
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/420>, abgerufen am 07.01.2025.
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