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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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von jenem lichten Braun, das, wenn ein Sonnenstrahl darauf fallt,
wie gebräuntes Gold erglänzt. Wirklich ergießt sich das Licht auf
die reichen Flechten und Locken, daß sie wie eine Glorie schimmern.

Weniger angesprochen fühle ich mich von der Landschaft; ich
finde sie liituilsamer du.in rmnäsome, mit einem Wort etwas über¬
laden.

Laß uns an dem einzigen Aquarellbild der Sammlung nicht
vorübergehen. Es ist das Innere der von Graf Kvlowrat neu er¬
bauten Kirche zu Reichenau in Böhmen. Ein hoher gothischer Bau,
dessen Ausschmückung mit wahrhaft großartiger Munificenz bedacht
ward. Das Altarblatt, die Dreieinigkeit vorstellend, ist von Lippa-
rini mit der größten Vollendung gemalt; da ich das Bild in dem
Atelier des Künstlers sah, kann ich Dir diese Versicherung geben,
während ich mich über die zwei Seitengemälde von Dittcrbcrger (der
heilige Franziskus und die heilige Rosa), die ich nicht sah, des Ur¬
theils enthalten muß. Oberhalb des Hauptaltars befinden sich die
Landespatrone von Böhmen, um die Kanzel herum laufen die Bild¬
nisse der Apostel, nach Raphael gemalt. Auffallend schön, im reinsten
gothischen Geschmack ist das Schnitzwerk an den Bet- und nament¬
lich an den Beichtstühlen; ich konnte mich des Staunens nicht er¬
wehren, als man mir versicherte, es sei auf dem Lande, in Reichenau
selbst gearbeitet worden. -- Immer hört man wiederholen, man wisse
dergleichen nicht mehr anzufertigen, die Zeiten seien vorbei, wo sich
das Handwerk bis zur Kunst erhob u. s. w. Ich aber sage: Nein!
das Geschick ist nicht ausgestorben, sondern nur die Lust, es zum
rechten Zwecke zu verwenden. Wenn Ihr, die Reichen und Vielvcr-
mvgenden, dem edeln Beispiel, das hier gegeben ward, folgend, Kunst-
zweckc im Auge hättet, statt Euerer läppischen Eleganz; wenn Euch
der leidigen Mode wegen das absurde Rococogenre nicht lieber wäre,
als die Harmonie einer wahrhaft schönen Form; wenn Ihr für et¬
was Besseres als ephemeren Reiz Sinn hättet, so würde mancher
Zweig der Kunst, den Ihr schon abgestorben wähnt, wieder frisch auf¬
blühen. Aber ein kopfwackelnder Mandarin von Kiscuit ne 8poro"
ist Euch lieber als der Apoll von Belvedere.

Um wieder auf das Bild zurückzukommen, so ist es mit großem
Fleiß und vieler Treue gemalt; nur die Anforderungen der Perspek¬
tive scheinen mir nicht vollkommen berücksichtigt. Immerhin bleibt es


von jenem lichten Braun, das, wenn ein Sonnenstrahl darauf fallt,
wie gebräuntes Gold erglänzt. Wirklich ergießt sich das Licht auf
die reichen Flechten und Locken, daß sie wie eine Glorie schimmern.

Weniger angesprochen fühle ich mich von der Landschaft; ich
finde sie liituilsamer du.in rmnäsome, mit einem Wort etwas über¬
laden.

Laß uns an dem einzigen Aquarellbild der Sammlung nicht
vorübergehen. Es ist das Innere der von Graf Kvlowrat neu er¬
bauten Kirche zu Reichenau in Böhmen. Ein hoher gothischer Bau,
dessen Ausschmückung mit wahrhaft großartiger Munificenz bedacht
ward. Das Altarblatt, die Dreieinigkeit vorstellend, ist von Lippa-
rini mit der größten Vollendung gemalt; da ich das Bild in dem
Atelier des Künstlers sah, kann ich Dir diese Versicherung geben,
während ich mich über die zwei Seitengemälde von Dittcrbcrger (der
heilige Franziskus und die heilige Rosa), die ich nicht sah, des Ur¬
theils enthalten muß. Oberhalb des Hauptaltars befinden sich die
Landespatrone von Böhmen, um die Kanzel herum laufen die Bild¬
nisse der Apostel, nach Raphael gemalt. Auffallend schön, im reinsten
gothischen Geschmack ist das Schnitzwerk an den Bet- und nament¬
lich an den Beichtstühlen; ich konnte mich des Staunens nicht er¬
wehren, als man mir versicherte, es sei auf dem Lande, in Reichenau
selbst gearbeitet worden. — Immer hört man wiederholen, man wisse
dergleichen nicht mehr anzufertigen, die Zeiten seien vorbei, wo sich
das Handwerk bis zur Kunst erhob u. s. w. Ich aber sage: Nein!
das Geschick ist nicht ausgestorben, sondern nur die Lust, es zum
rechten Zwecke zu verwenden. Wenn Ihr, die Reichen und Vielvcr-
mvgenden, dem edeln Beispiel, das hier gegeben ward, folgend, Kunst-
zweckc im Auge hättet, statt Euerer läppischen Eleganz; wenn Euch
der leidigen Mode wegen das absurde Rococogenre nicht lieber wäre,
als die Harmonie einer wahrhaft schönen Form; wenn Ihr für et¬
was Besseres als ephemeren Reiz Sinn hättet, so würde mancher
Zweig der Kunst, den Ihr schon abgestorben wähnt, wieder frisch auf¬
blühen. Aber ein kopfwackelnder Mandarin von Kiscuit ne 8poro»
ist Euch lieber als der Apoll von Belvedere.

Um wieder auf das Bild zurückzukommen, so ist es mit großem
Fleiß und vieler Treue gemalt; nur die Anforderungen der Perspek¬
tive scheinen mir nicht vollkommen berücksichtigt. Immerhin bleibt es


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[0418] von jenem lichten Braun, das, wenn ein Sonnenstrahl darauf fallt, wie gebräuntes Gold erglänzt. Wirklich ergießt sich das Licht auf die reichen Flechten und Locken, daß sie wie eine Glorie schimmern. Weniger angesprochen fühle ich mich von der Landschaft; ich finde sie liituilsamer du.in rmnäsome, mit einem Wort etwas über¬ laden. Laß uns an dem einzigen Aquarellbild der Sammlung nicht vorübergehen. Es ist das Innere der von Graf Kvlowrat neu er¬ bauten Kirche zu Reichenau in Böhmen. Ein hoher gothischer Bau, dessen Ausschmückung mit wahrhaft großartiger Munificenz bedacht ward. Das Altarblatt, die Dreieinigkeit vorstellend, ist von Lippa- rini mit der größten Vollendung gemalt; da ich das Bild in dem Atelier des Künstlers sah, kann ich Dir diese Versicherung geben, während ich mich über die zwei Seitengemälde von Dittcrbcrger (der heilige Franziskus und die heilige Rosa), die ich nicht sah, des Ur¬ theils enthalten muß. Oberhalb des Hauptaltars befinden sich die Landespatrone von Böhmen, um die Kanzel herum laufen die Bild¬ nisse der Apostel, nach Raphael gemalt. Auffallend schön, im reinsten gothischen Geschmack ist das Schnitzwerk an den Bet- und nament¬ lich an den Beichtstühlen; ich konnte mich des Staunens nicht er¬ wehren, als man mir versicherte, es sei auf dem Lande, in Reichenau selbst gearbeitet worden. — Immer hört man wiederholen, man wisse dergleichen nicht mehr anzufertigen, die Zeiten seien vorbei, wo sich das Handwerk bis zur Kunst erhob u. s. w. Ich aber sage: Nein! das Geschick ist nicht ausgestorben, sondern nur die Lust, es zum rechten Zwecke zu verwenden. Wenn Ihr, die Reichen und Vielvcr- mvgenden, dem edeln Beispiel, das hier gegeben ward, folgend, Kunst- zweckc im Auge hättet, statt Euerer läppischen Eleganz; wenn Euch der leidigen Mode wegen das absurde Rococogenre nicht lieber wäre, als die Harmonie einer wahrhaft schönen Form; wenn Ihr für et¬ was Besseres als ephemeren Reiz Sinn hättet, so würde mancher Zweig der Kunst, den Ihr schon abgestorben wähnt, wieder frisch auf¬ blühen. Aber ein kopfwackelnder Mandarin von Kiscuit ne 8poro» ist Euch lieber als der Apoll von Belvedere. Um wieder auf das Bild zurückzukommen, so ist es mit großem Fleiß und vieler Treue gemalt; nur die Anforderungen der Perspek¬ tive scheinen mir nicht vollkommen berücksichtigt. Immerhin bleibt es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/418>, abgerufen am 26.06.2024.