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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Held. Ein sehr schön gedachtes Bild von ungemeiner Energie und
tiefem Ernst. Der Kopf ist scharf charakterisirt, das Kolorit vortreff¬
lich. Das ist nicht kaffee-, nicht rußfarb, welche zwei Nuancen ohne
weiteres Erinner für orientalische Köpfe so oft herhalten müssen. Die
Färbung dieses Bildes wüßte ich nur mit Victor Hugo's Worten zu
schildern, wenn er von einer schönen Orientalin sagt:


1°u n'es ni Iilrmelxz ni euivrvs,
M.iis N s^ni-is ^n'on t'a, <toi"6v
^pee um i-AZ'n" <^n "vivit.

Warm, durchsichtig, tropisch ist die Luft; das Nebenwerk, die
Haltung des Ganzen von den größten Effecten, eben darum, weil
keine Effekthascherei sichtbar.

, Noch befindet sich in diesem Zimmer eine Skizze Lipparini's:
Der Tod des Marco Bozzaris. Die Gruppe ist vortrefflich componirt.
Ohne Verzerrung, ohne theatralische Verrenkung liegt der an seinen
Todeswunden verbindende Held in den Armen seiner Getreuen. Eine
schöne, Schreck- und schmerzverstörte Gestalt beugt sich über ihn und
scheint dies fliehende Leben zurückhalten zu wollen. Ein Grieche,
Bozzaris' sinkendes Haupt unterstützend, wendet sich seitwärts; sein
Blick späht in die Ferne, als fürchte er, die nahenden Verfolger könn¬
ten die letzten Augenblicke des theueren Führers und Freundes stö¬
ren und sich der edlen Leiche bemächtigen. Ein Jüngling, Bozzaris'
Sohn, kniet zu den Füßen des Sterbenden, der ihm den Schwur
abnimmt, den Tod seines Vaters zu rächen. Tragisch erschütternd
und wahr ist die Gruppe. DaS sind Griechen, nicht Griechen aus
dem hübschen Ballet till-an-et-i, "II ni8"t"l"""l>i, das ich in Trieft
sah, sondern wahrhaft Söhne von Hellas, Klephten, die hinziehen auf
den freien Bergen, den blauen Himmel zum Dach, die treue Flinte
zur Geliebten. Man fühlt die Wahrheit dieser Localfarbe. Kein
Wunder! Lipparini lebt in Venedig, und Venedig ist eine halb orien¬
talische Stadt. Was die Ausführung bis in's kleinste Detail hinein
betrifft, so möchte ich gar sehr wünschen, daß sie auf jedem prätentiö¬
sen Bilde unserer Maler nur halb so vollendet wäre, wie auf diese"',
das Lipparini selbst nur eine Skizze nennt. Da ist eine Freiheit,
eine Großheit, eine Farbenpracht, die man nicht genug bewundern
kann.

Wir treten nun in einen andern Saal. Worauf soll ich Dich


Held. Ein sehr schön gedachtes Bild von ungemeiner Energie und
tiefem Ernst. Der Kopf ist scharf charakterisirt, das Kolorit vortreff¬
lich. Das ist nicht kaffee-, nicht rußfarb, welche zwei Nuancen ohne
weiteres Erinner für orientalische Köpfe so oft herhalten müssen. Die
Färbung dieses Bildes wüßte ich nur mit Victor Hugo's Worten zu
schildern, wenn er von einer schönen Orientalin sagt:


1°u n'es ni Iilrmelxz ni euivrvs,
M.iis N s^ni-is ^n'on t'a, <toi"6v
^pee um i-AZ'n» <^n «vivit.

Warm, durchsichtig, tropisch ist die Luft; das Nebenwerk, die
Haltung des Ganzen von den größten Effecten, eben darum, weil
keine Effekthascherei sichtbar.

, Noch befindet sich in diesem Zimmer eine Skizze Lipparini's:
Der Tod des Marco Bozzaris. Die Gruppe ist vortrefflich componirt.
Ohne Verzerrung, ohne theatralische Verrenkung liegt der an seinen
Todeswunden verbindende Held in den Armen seiner Getreuen. Eine
schöne, Schreck- und schmerzverstörte Gestalt beugt sich über ihn und
scheint dies fliehende Leben zurückhalten zu wollen. Ein Grieche,
Bozzaris' sinkendes Haupt unterstützend, wendet sich seitwärts; sein
Blick späht in die Ferne, als fürchte er, die nahenden Verfolger könn¬
ten die letzten Augenblicke des theueren Führers und Freundes stö¬
ren und sich der edlen Leiche bemächtigen. Ein Jüngling, Bozzaris'
Sohn, kniet zu den Füßen des Sterbenden, der ihm den Schwur
abnimmt, den Tod seines Vaters zu rächen. Tragisch erschütternd
und wahr ist die Gruppe. DaS sind Griechen, nicht Griechen aus
dem hübschen Ballet till-an-et-i, «II ni8«t»l»»»l>i, das ich in Trieft
sah, sondern wahrhaft Söhne von Hellas, Klephten, die hinziehen auf
den freien Bergen, den blauen Himmel zum Dach, die treue Flinte
zur Geliebten. Man fühlt die Wahrheit dieser Localfarbe. Kein
Wunder! Lipparini lebt in Venedig, und Venedig ist eine halb orien¬
talische Stadt. Was die Ausführung bis in's kleinste Detail hinein
betrifft, so möchte ich gar sehr wünschen, daß sie auf jedem prätentiö¬
sen Bilde unserer Maler nur halb so vollendet wäre, wie auf diese»',
das Lipparini selbst nur eine Skizze nennt. Da ist eine Freiheit,
eine Großheit, eine Farbenpracht, die man nicht genug bewundern
kann.

Wir treten nun in einen andern Saal. Worauf soll ich Dich


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[0414] Held. Ein sehr schön gedachtes Bild von ungemeiner Energie und tiefem Ernst. Der Kopf ist scharf charakterisirt, das Kolorit vortreff¬ lich. Das ist nicht kaffee-, nicht rußfarb, welche zwei Nuancen ohne weiteres Erinner für orientalische Köpfe so oft herhalten müssen. Die Färbung dieses Bildes wüßte ich nur mit Victor Hugo's Worten zu schildern, wenn er von einer schönen Orientalin sagt: 1°u n'es ni Iilrmelxz ni euivrvs, M.iis N s^ni-is ^n'on t'a, <toi"6v ^pee um i-AZ'n» <^n «vivit. Warm, durchsichtig, tropisch ist die Luft; das Nebenwerk, die Haltung des Ganzen von den größten Effecten, eben darum, weil keine Effekthascherei sichtbar. , Noch befindet sich in diesem Zimmer eine Skizze Lipparini's: Der Tod des Marco Bozzaris. Die Gruppe ist vortrefflich componirt. Ohne Verzerrung, ohne theatralische Verrenkung liegt der an seinen Todeswunden verbindende Held in den Armen seiner Getreuen. Eine schöne, Schreck- und schmerzverstörte Gestalt beugt sich über ihn und scheint dies fliehende Leben zurückhalten zu wollen. Ein Grieche, Bozzaris' sinkendes Haupt unterstützend, wendet sich seitwärts; sein Blick späht in die Ferne, als fürchte er, die nahenden Verfolger könn¬ ten die letzten Augenblicke des theueren Führers und Freundes stö¬ ren und sich der edlen Leiche bemächtigen. Ein Jüngling, Bozzaris' Sohn, kniet zu den Füßen des Sterbenden, der ihm den Schwur abnimmt, den Tod seines Vaters zu rächen. Tragisch erschütternd und wahr ist die Gruppe. DaS sind Griechen, nicht Griechen aus dem hübschen Ballet till-an-et-i, «II ni8«t»l»»»l>i, das ich in Trieft sah, sondern wahrhaft Söhne von Hellas, Klephten, die hinziehen auf den freien Bergen, den blauen Himmel zum Dach, die treue Flinte zur Geliebten. Man fühlt die Wahrheit dieser Localfarbe. Kein Wunder! Lipparini lebt in Venedig, und Venedig ist eine halb orien¬ talische Stadt. Was die Ausführung bis in's kleinste Detail hinein betrifft, so möchte ich gar sehr wünschen, daß sie auf jedem prätentiö¬ sen Bilde unserer Maler nur halb so vollendet wäre, wie auf diese»', das Lipparini selbst nur eine Skizze nennt. Da ist eine Freiheit, eine Großheit, eine Farbenpracht, die man nicht genug bewundern kann. Wir treten nun in einen andern Saal. Worauf soll ich Dich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/414>, abgerufen am 26.06.2024.