Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

habe mir oft gesagt: wenn ich an Seelenwanderung glaubte, müßte
ich mich für überzeugt halten, Jakob Foscari'S Geist sei in mich ge¬
fahren. Ich Will mich indessen anstrengen und von Venedig zu spre¬
chen suchen, wie andere vernünftige Leuten

Das eine Bild ist von Bosa und stellt die Pescaria vor. Unter
dem improvisirten Zelte von Segeln, ist das ein Getreide! Hier
feilscht eine hübsche Magd um einen Fisch; sie ist schon halb zum
Gehen gewendet, ihr letztes Anbot scheint gethan, und unschlüssig sieht
der Verkäufer drein, zweifelhaft, ob er die Prachtwaare für den Spott¬
preis lassen solle oder nicht. Ganz venetianisch, südlich reizend und
indolent ist das Mädchen, das sich an die Schulter der Feilschenden
lehnt und dein Handel zusieht. Rechts stürzen zwei Fischerjungen ei¬
ner Matrone zu, die mit prüfendem Kennerblick ihre Waare mustert;
im Hintergrunde gewahrst Du die gravitätische Gestalt eines Abbate,
mit gleicher Musterung beschäftigt. Andere haben das schwierige
Geschäft des Einkaufs schon beendigt und braten, schmoren, kochen
ihre Acquisttion an einem lustigen Feuer sur los Uoux mvmeg. Va¬
ter Neptun muß seine Kinder ernähren.

Das zweite Bildchen (ein Albumblatt) schildert eine neu eröff¬
nete Schenke. Es besteht nämlich in Venedig der Gebrauch, daß,
wer ein Wirthshaus eröffnet, drei Tage hindurch seinen Wein un-
entgeldlich ausschenken muß; daß es dabei an Zuspruch nicht fehlt,
kannst Du Dir denken. Nun sieh Dir diese erasperirte Wirthssigur
an! Man setzt dem armen Manne dergestalt zu, daß er nicht mehr
weiß, wo ihm der Kopf steht. Im Begriffe, dem Einen einzuschen¬
ken, wird er auf der anderen Seite von einem ungestümen Forde¬
rer angefallen, und während er diesen zur Vernunft, d. h. zum War¬
ten bringen will, gießt er das rothe Naß daneben, was denn wie¬
der einen verzweiflungsvollen Angriff von Seiten des dadurch Beein¬
trächtigten zur Folge hat. Nebenan sitzen Glücklichere, die sich mit
ihrer werthen Beute aus dem Getümmel gerettet haben und nun, mit
behaglicher Ruhe auf die noch Kämpfenden blickend, sich der edeln
Gottesgabe freuen.

Weißt Du, was mir beim Anblick dieser beiden Bilder einfiel?
Ich sagte mir: Was für glückliche Leute sind doch diese Italiener,
und vor Allem ihre Maler, die gerade nur wiederzugeben brauchen,
was sie täglich mit gebenedeiten Augen sehen. Denke Dir, wenn ein


habe mir oft gesagt: wenn ich an Seelenwanderung glaubte, müßte
ich mich für überzeugt halten, Jakob Foscari'S Geist sei in mich ge¬
fahren. Ich Will mich indessen anstrengen und von Venedig zu spre¬
chen suchen, wie andere vernünftige Leuten

Das eine Bild ist von Bosa und stellt die Pescaria vor. Unter
dem improvisirten Zelte von Segeln, ist das ein Getreide! Hier
feilscht eine hübsche Magd um einen Fisch; sie ist schon halb zum
Gehen gewendet, ihr letztes Anbot scheint gethan, und unschlüssig sieht
der Verkäufer drein, zweifelhaft, ob er die Prachtwaare für den Spott¬
preis lassen solle oder nicht. Ganz venetianisch, südlich reizend und
indolent ist das Mädchen, das sich an die Schulter der Feilschenden
lehnt und dein Handel zusieht. Rechts stürzen zwei Fischerjungen ei¬
ner Matrone zu, die mit prüfendem Kennerblick ihre Waare mustert;
im Hintergrunde gewahrst Du die gravitätische Gestalt eines Abbate,
mit gleicher Musterung beschäftigt. Andere haben das schwierige
Geschäft des Einkaufs schon beendigt und braten, schmoren, kochen
ihre Acquisttion an einem lustigen Feuer sur los Uoux mvmeg. Va¬
ter Neptun muß seine Kinder ernähren.

Das zweite Bildchen (ein Albumblatt) schildert eine neu eröff¬
nete Schenke. Es besteht nämlich in Venedig der Gebrauch, daß,
wer ein Wirthshaus eröffnet, drei Tage hindurch seinen Wein un-
entgeldlich ausschenken muß; daß es dabei an Zuspruch nicht fehlt,
kannst Du Dir denken. Nun sieh Dir diese erasperirte Wirthssigur
an! Man setzt dem armen Manne dergestalt zu, daß er nicht mehr
weiß, wo ihm der Kopf steht. Im Begriffe, dem Einen einzuschen¬
ken, wird er auf der anderen Seite von einem ungestümen Forde¬
rer angefallen, und während er diesen zur Vernunft, d. h. zum War¬
ten bringen will, gießt er das rothe Naß daneben, was denn wie¬
der einen verzweiflungsvollen Angriff von Seiten des dadurch Beein¬
trächtigten zur Folge hat. Nebenan sitzen Glücklichere, die sich mit
ihrer werthen Beute aus dem Getümmel gerettet haben und nun, mit
behaglicher Ruhe auf die noch Kämpfenden blickend, sich der edeln
Gottesgabe freuen.

Weißt Du, was mir beim Anblick dieser beiden Bilder einfiel?
Ich sagte mir: Was für glückliche Leute sind doch diese Italiener,
und vor Allem ihre Maler, die gerade nur wiederzugeben brauchen,
was sie täglich mit gebenedeiten Augen sehen. Denke Dir, wenn ein


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0412" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180125"/>
          <p xml:id="ID_1074" prev="#ID_1073"> habe mir oft gesagt: wenn ich an Seelenwanderung glaubte, müßte<lb/>
ich mich für überzeugt halten, Jakob Foscari'S Geist sei in mich ge¬<lb/>
fahren. Ich Will mich indessen anstrengen und von Venedig zu spre¬<lb/>
chen suchen, wie andere vernünftige Leuten</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1075"> Das eine Bild ist von Bosa und stellt die Pescaria vor. Unter<lb/>
dem improvisirten Zelte von Segeln, ist das ein Getreide! Hier<lb/>
feilscht eine hübsche Magd um einen Fisch; sie ist schon halb zum<lb/>
Gehen gewendet, ihr letztes Anbot scheint gethan, und unschlüssig sieht<lb/>
der Verkäufer drein, zweifelhaft, ob er die Prachtwaare für den Spott¬<lb/>
preis lassen solle oder nicht. Ganz venetianisch, südlich reizend und<lb/>
indolent ist das Mädchen, das sich an die Schulter der Feilschenden<lb/>
lehnt und dein Handel zusieht. Rechts stürzen zwei Fischerjungen ei¬<lb/>
ner Matrone zu, die mit prüfendem Kennerblick ihre Waare mustert;<lb/>
im Hintergrunde gewahrst Du die gravitätische Gestalt eines Abbate,<lb/>
mit gleicher Musterung beschäftigt. Andere haben das schwierige<lb/>
Geschäft des Einkaufs schon beendigt und braten, schmoren, kochen<lb/>
ihre Acquisttion an einem lustigen Feuer sur los Uoux mvmeg. Va¬<lb/>
ter Neptun muß seine Kinder ernähren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1076"> Das zweite Bildchen (ein Albumblatt) schildert eine neu eröff¬<lb/>
nete Schenke. Es besteht nämlich in Venedig der Gebrauch, daß,<lb/>
wer ein Wirthshaus eröffnet, drei Tage hindurch seinen Wein un-<lb/>
entgeldlich ausschenken muß; daß es dabei an Zuspruch nicht fehlt,<lb/>
kannst Du Dir denken. Nun sieh Dir diese erasperirte Wirthssigur<lb/>
an! Man setzt dem armen Manne dergestalt zu, daß er nicht mehr<lb/>
weiß, wo ihm der Kopf steht. Im Begriffe, dem Einen einzuschen¬<lb/>
ken, wird er auf der anderen Seite von einem ungestümen Forde¬<lb/>
rer angefallen, und während er diesen zur Vernunft, d. h. zum War¬<lb/>
ten bringen will, gießt er das rothe Naß daneben, was denn wie¬<lb/>
der einen verzweiflungsvollen Angriff von Seiten des dadurch Beein¬<lb/>
trächtigten zur Folge hat. Nebenan sitzen Glücklichere, die sich mit<lb/>
ihrer werthen Beute aus dem Getümmel gerettet haben und nun, mit<lb/>
behaglicher Ruhe auf die noch Kämpfenden blickend, sich der edeln<lb/>
Gottesgabe freuen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1077" next="#ID_1078"> Weißt Du, was mir beim Anblick dieser beiden Bilder einfiel?<lb/>
Ich sagte mir: Was für glückliche Leute sind doch diese Italiener,<lb/>
und vor Allem ihre Maler, die gerade nur wiederzugeben brauchen,<lb/>
was sie täglich mit gebenedeiten Augen sehen. Denke Dir, wenn ein</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0412] habe mir oft gesagt: wenn ich an Seelenwanderung glaubte, müßte ich mich für überzeugt halten, Jakob Foscari'S Geist sei in mich ge¬ fahren. Ich Will mich indessen anstrengen und von Venedig zu spre¬ chen suchen, wie andere vernünftige Leuten Das eine Bild ist von Bosa und stellt die Pescaria vor. Unter dem improvisirten Zelte von Segeln, ist das ein Getreide! Hier feilscht eine hübsche Magd um einen Fisch; sie ist schon halb zum Gehen gewendet, ihr letztes Anbot scheint gethan, und unschlüssig sieht der Verkäufer drein, zweifelhaft, ob er die Prachtwaare für den Spott¬ preis lassen solle oder nicht. Ganz venetianisch, südlich reizend und indolent ist das Mädchen, das sich an die Schulter der Feilschenden lehnt und dein Handel zusieht. Rechts stürzen zwei Fischerjungen ei¬ ner Matrone zu, die mit prüfendem Kennerblick ihre Waare mustert; im Hintergrunde gewahrst Du die gravitätische Gestalt eines Abbate, mit gleicher Musterung beschäftigt. Andere haben das schwierige Geschäft des Einkaufs schon beendigt und braten, schmoren, kochen ihre Acquisttion an einem lustigen Feuer sur los Uoux mvmeg. Va¬ ter Neptun muß seine Kinder ernähren. Das zweite Bildchen (ein Albumblatt) schildert eine neu eröff¬ nete Schenke. Es besteht nämlich in Venedig der Gebrauch, daß, wer ein Wirthshaus eröffnet, drei Tage hindurch seinen Wein un- entgeldlich ausschenken muß; daß es dabei an Zuspruch nicht fehlt, kannst Du Dir denken. Nun sieh Dir diese erasperirte Wirthssigur an! Man setzt dem armen Manne dergestalt zu, daß er nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht. Im Begriffe, dem Einen einzuschen¬ ken, wird er auf der anderen Seite von einem ungestümen Forde¬ rer angefallen, und während er diesen zur Vernunft, d. h. zum War¬ ten bringen will, gießt er das rothe Naß daneben, was denn wie¬ der einen verzweiflungsvollen Angriff von Seiten des dadurch Beein¬ trächtigten zur Folge hat. Nebenan sitzen Glücklichere, die sich mit ihrer werthen Beute aus dem Getümmel gerettet haben und nun, mit behaglicher Ruhe auf die noch Kämpfenden blickend, sich der edeln Gottesgabe freuen. Weißt Du, was mir beim Anblick dieser beiden Bilder einfiel? Ich sagte mir: Was für glückliche Leute sind doch diese Italiener, und vor Allem ihre Maler, die gerade nur wiederzugeben brauchen, was sie täglich mit gebenedeiten Augen sehen. Denke Dir, wenn ein

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/412
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/412>, abgerufen am 26.06.2024.