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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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die Moldau, noch ein anderes nordisches Gewässer überhaupt. Wahr¬
scheinlich wurden beide Bilder in Prag entworfen und erst später in
Italien ausgeführt. So läßt sich's leicht erklären, daß der Maler
die Farbe seiner heimathlichen Ströme auf den Strom einer nördli¬
cheren Gegend übertrug.

Nun kommen wir zu einem hübschen Gemälde Eberle's: eine
Schafheerde, in die ein Paar gar grimmige Wölse hereinbrechen.
Das arme geängstigte Schasvolk'hat sich zu einem wirren Knaul
geballt und stürzt in Hast einem AbHange zu, von dem der Vorder¬
mann oder eigentlich das Vorderschaf, ont"" Leithammel, auch schon
hinabkollcrt. Die Verfolger sind dicht hinterdrein, sie sehen so ver¬
zweifelt ausgehungert aus, daß auf keinen Pardon zu hoffen ist, ja
der Eine ist schon im Begriffe, ein Lamm zu erfassen. Diese bedräng¬
ten Schafe, was für Angst mögen die ausstehen, wie mögen die ar¬
men Thierherzen fliegen lind hämmern! Aber gottlob! dort kommt
der Hirt herbeigeeilt, er trägt einen derben Knüttel -- wenn er nur
noch zur rechten Zeit kommt, wenn der Knüttel nur ausreicht! Eins
von den Thieren wird gewiß geopfert werden müssen, und ich wüßte
nicht, welches ich dem blutigen Verhängniß weihen möchte, so un¬
schuldig dumm und unglücklich sehen alle aus. Ich habe von jeher
ein großes, mit Rührung vermischtes Faible für alle Dummheit ge¬
habt, notabene für solche, die nicht sprechen und mich folglich nicht
langweilen kann. Nur sprechende und schreibende Dummheit habe
ich en tiorreur.

Sieh diesen Pferdestall von dem Münchner Adam; steh Dir vor
Allem die Pferde recht genau an, denn die werde ich Dir nicht be¬
schreiben. Ich bin eine gar zu schlechte Hippologin; ich habe Pferde
zwar ganz lieb, wenn sie meine Trägheit im Wagen weiterziehen,
aber sonst befasse ich mich nicht mit ihnen. Dagegen habe ich eine
um so größere Passion für Hunde; nicht für die kleinen Kläffer, die
den Eintritt in manches Zimmer unleidlich machen, sondern für schnell-
kräftige, kampffreudige Jagdhunde und dann für die armen, verach¬
teten, nur selten durch einen fetten Bissen getrösteten Stallhundc.
Jene liebe ich, weil sie die Helden, die Anderen, weil sie die Pro¬
letarier ihres Geschlechtes sind; nur der eier-8 owl ist mir zuwider.
Die Familie, die ich Dir hier vorstellen will, besteht ans einer Mama
und vier oder fünf Kindern, "aus dem Volke." Die Pferde spelta-


die Moldau, noch ein anderes nordisches Gewässer überhaupt. Wahr¬
scheinlich wurden beide Bilder in Prag entworfen und erst später in
Italien ausgeführt. So läßt sich's leicht erklären, daß der Maler
die Farbe seiner heimathlichen Ströme auf den Strom einer nördli¬
cheren Gegend übertrug.

Nun kommen wir zu einem hübschen Gemälde Eberle's: eine
Schafheerde, in die ein Paar gar grimmige Wölse hereinbrechen.
Das arme geängstigte Schasvolk'hat sich zu einem wirren Knaul
geballt und stürzt in Hast einem AbHange zu, von dem der Vorder¬
mann oder eigentlich das Vorderschaf, ont»« Leithammel, auch schon
hinabkollcrt. Die Verfolger sind dicht hinterdrein, sie sehen so ver¬
zweifelt ausgehungert aus, daß auf keinen Pardon zu hoffen ist, ja
der Eine ist schon im Begriffe, ein Lamm zu erfassen. Diese bedräng¬
ten Schafe, was für Angst mögen die ausstehen, wie mögen die ar¬
men Thierherzen fliegen lind hämmern! Aber gottlob! dort kommt
der Hirt herbeigeeilt, er trägt einen derben Knüttel — wenn er nur
noch zur rechten Zeit kommt, wenn der Knüttel nur ausreicht! Eins
von den Thieren wird gewiß geopfert werden müssen, und ich wüßte
nicht, welches ich dem blutigen Verhängniß weihen möchte, so un¬
schuldig dumm und unglücklich sehen alle aus. Ich habe von jeher
ein großes, mit Rührung vermischtes Faible für alle Dummheit ge¬
habt, notabene für solche, die nicht sprechen und mich folglich nicht
langweilen kann. Nur sprechende und schreibende Dummheit habe
ich en tiorreur.

Sieh diesen Pferdestall von dem Münchner Adam; steh Dir vor
Allem die Pferde recht genau an, denn die werde ich Dir nicht be¬
schreiben. Ich bin eine gar zu schlechte Hippologin; ich habe Pferde
zwar ganz lieb, wenn sie meine Trägheit im Wagen weiterziehen,
aber sonst befasse ich mich nicht mit ihnen. Dagegen habe ich eine
um so größere Passion für Hunde; nicht für die kleinen Kläffer, die
den Eintritt in manches Zimmer unleidlich machen, sondern für schnell-
kräftige, kampffreudige Jagdhunde und dann für die armen, verach¬
teten, nur selten durch einen fetten Bissen getrösteten Stallhundc.
Jene liebe ich, weil sie die Helden, die Anderen, weil sie die Pro¬
letarier ihres Geschlechtes sind; nur der eier-8 owl ist mir zuwider.
Die Familie, die ich Dir hier vorstellen will, besteht ans einer Mama
und vier oder fünf Kindern, „aus dem Volke." Die Pferde spelta-


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[0410] die Moldau, noch ein anderes nordisches Gewässer überhaupt. Wahr¬ scheinlich wurden beide Bilder in Prag entworfen und erst später in Italien ausgeführt. So läßt sich's leicht erklären, daß der Maler die Farbe seiner heimathlichen Ströme auf den Strom einer nördli¬ cheren Gegend übertrug. Nun kommen wir zu einem hübschen Gemälde Eberle's: eine Schafheerde, in die ein Paar gar grimmige Wölse hereinbrechen. Das arme geängstigte Schasvolk'hat sich zu einem wirren Knaul geballt und stürzt in Hast einem AbHange zu, von dem der Vorder¬ mann oder eigentlich das Vorderschaf, ont»« Leithammel, auch schon hinabkollcrt. Die Verfolger sind dicht hinterdrein, sie sehen so ver¬ zweifelt ausgehungert aus, daß auf keinen Pardon zu hoffen ist, ja der Eine ist schon im Begriffe, ein Lamm zu erfassen. Diese bedräng¬ ten Schafe, was für Angst mögen die ausstehen, wie mögen die ar¬ men Thierherzen fliegen lind hämmern! Aber gottlob! dort kommt der Hirt herbeigeeilt, er trägt einen derben Knüttel — wenn er nur noch zur rechten Zeit kommt, wenn der Knüttel nur ausreicht! Eins von den Thieren wird gewiß geopfert werden müssen, und ich wüßte nicht, welches ich dem blutigen Verhängniß weihen möchte, so un¬ schuldig dumm und unglücklich sehen alle aus. Ich habe von jeher ein großes, mit Rührung vermischtes Faible für alle Dummheit ge¬ habt, notabene für solche, die nicht sprechen und mich folglich nicht langweilen kann. Nur sprechende und schreibende Dummheit habe ich en tiorreur. Sieh diesen Pferdestall von dem Münchner Adam; steh Dir vor Allem die Pferde recht genau an, denn die werde ich Dir nicht be¬ schreiben. Ich bin eine gar zu schlechte Hippologin; ich habe Pferde zwar ganz lieb, wenn sie meine Trägheit im Wagen weiterziehen, aber sonst befasse ich mich nicht mit ihnen. Dagegen habe ich eine um so größere Passion für Hunde; nicht für die kleinen Kläffer, die den Eintritt in manches Zimmer unleidlich machen, sondern für schnell- kräftige, kampffreudige Jagdhunde und dann für die armen, verach¬ teten, nur selten durch einen fetten Bissen getrösteten Stallhundc. Jene liebe ich, weil sie die Helden, die Anderen, weil sie die Pro¬ letarier ihres Geschlechtes sind; nur der eier-8 owl ist mir zuwider. Die Familie, die ich Dir hier vorstellen will, besteht ans einer Mama und vier oder fünf Kindern, „aus dem Volke." Die Pferde spelta-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/410>, abgerufen am 26.06.2024.