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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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überbreiten. Ich gedachte dabei Grün's schöner Worte von der
Natur:


"Sie läßt den grünen Teppich niedergleiten
Auf allen Moder der Vergangenheiten!"

Und dieser ewig regencrirenden Kraft wollen wir unser und der
Welt Geschick vertrauen! --

Wir kommen nun zu einem Gemälde Müller's (Feucrmüller
nennen ihn die Münchner). Es Ist eine Scene aus dem Tyroler-
krieg. Bon dem Widerscheine des in Flammen auflodernden Dorfes
beleuchtet, stehen oder knieen Landleute auf dem Dach ihres Hauffe
und schießen auf die Blauen, die in einiger Entfernung kämpfend
sichtbar sind. Unübertrefflich ist der Ausdruck im Kopf deS Alten,
der so besonnen, ruhig und sicher zielt und seinen Mann gewiß nicht
fehlen wird. Eben so ausgezeichnet ist der kleine Junge, der mit
dem ausgestreckten Finger dem älteren, neben ihm knieenden Bruder
deutet, wohin er zu zielen habe. Das stehende Mädchen, das an
dem Kampfe gleichfalls Theil nimmt, ist eine schöne, jugendkräftige
Gestalt, nur vielleicht im ! Ausdruck nicht so einfach und unbe¬
fangen, wie es zu wünschen wäre und wie es die Uebrigen auch
wirklich sind. Ungemein gelungen ist die Färbung des Bildes; die¬
ses Gemisch von Rauch, Pulverdampf und Flammenwiderschein kann
nicht treuer und wirksamer gegeben werden.

Zwei Bilder von Canella darfst Du ja nicht übergehen; es sind
Ansichten von Prag, "der alten, der wunderschönen Stadt", wie eS
im Schwerinliedc heißt. Die eine derselben ist von der Kleinscite,
die andere von der Färberinsel aufgenommen. Der königliche Hrad-
schin schwebt wie eine Krone über der herrlichen Stadt, der ihre vie¬
len, mitunter so seltsam geformten Thürme und Kuppeln ein nicht¬
europäisches, phantastisch schönes Gepräge geben. Stark, fest und
kühn wie die Zeit, die sie erbaute, schwingt sich die Moldaubrücke
von einem Ufer zum andern. Welche Erinnerungen drängen sich
hier auf, welche Schicksale und Kämpfe wurden hier ausgcfochte" !
Mir ist die alte Brücke in Prag das, was mir in Venedig der
Marcusplcch ist. Canella hat die eigenthümliche Physiognomie Prags
aufgefaßt, wie dies von einem Maler feines Ranges zu erwarten
stand. Das Einzige, was mir nicht ganz richtig scheint, ist die Farbe
des Wassers, das ich zu blau, zu durchsichtig finde. So ist weder


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überbreiten. Ich gedachte dabei Grün's schöner Worte von der
Natur:


„Sie läßt den grünen Teppich niedergleiten
Auf allen Moder der Vergangenheiten!"

Und dieser ewig regencrirenden Kraft wollen wir unser und der
Welt Geschick vertrauen! —

Wir kommen nun zu einem Gemälde Müller's (Feucrmüller
nennen ihn die Münchner). Es Ist eine Scene aus dem Tyroler-
krieg. Bon dem Widerscheine des in Flammen auflodernden Dorfes
beleuchtet, stehen oder knieen Landleute auf dem Dach ihres Hauffe
und schießen auf die Blauen, die in einiger Entfernung kämpfend
sichtbar sind. Unübertrefflich ist der Ausdruck im Kopf deS Alten,
der so besonnen, ruhig und sicher zielt und seinen Mann gewiß nicht
fehlen wird. Eben so ausgezeichnet ist der kleine Junge, der mit
dem ausgestreckten Finger dem älteren, neben ihm knieenden Bruder
deutet, wohin er zu zielen habe. Das stehende Mädchen, das an
dem Kampfe gleichfalls Theil nimmt, ist eine schöne, jugendkräftige
Gestalt, nur vielleicht im ! Ausdruck nicht so einfach und unbe¬
fangen, wie es zu wünschen wäre und wie es die Uebrigen auch
wirklich sind. Ungemein gelungen ist die Färbung des Bildes; die¬
ses Gemisch von Rauch, Pulverdampf und Flammenwiderschein kann
nicht treuer und wirksamer gegeben werden.

Zwei Bilder von Canella darfst Du ja nicht übergehen; es sind
Ansichten von Prag, „der alten, der wunderschönen Stadt", wie eS
im Schwerinliedc heißt. Die eine derselben ist von der Kleinscite,
die andere von der Färberinsel aufgenommen. Der königliche Hrad-
schin schwebt wie eine Krone über der herrlichen Stadt, der ihre vie¬
len, mitunter so seltsam geformten Thürme und Kuppeln ein nicht¬
europäisches, phantastisch schönes Gepräge geben. Stark, fest und
kühn wie die Zeit, die sie erbaute, schwingt sich die Moldaubrücke
von einem Ufer zum andern. Welche Erinnerungen drängen sich
hier auf, welche Schicksale und Kämpfe wurden hier ausgcfochte» !
Mir ist die alte Brücke in Prag das, was mir in Venedig der
Marcusplcch ist. Canella hat die eigenthümliche Physiognomie Prags
aufgefaßt, wie dies von einem Maler feines Ranges zu erwarten
stand. Das Einzige, was mir nicht ganz richtig scheint, ist die Farbe
des Wassers, das ich zu blau, zu durchsichtig finde. So ist weder


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[0409] überbreiten. Ich gedachte dabei Grün's schöner Worte von der Natur: „Sie läßt den grünen Teppich niedergleiten Auf allen Moder der Vergangenheiten!" Und dieser ewig regencrirenden Kraft wollen wir unser und der Welt Geschick vertrauen! — Wir kommen nun zu einem Gemälde Müller's (Feucrmüller nennen ihn die Münchner). Es Ist eine Scene aus dem Tyroler- krieg. Bon dem Widerscheine des in Flammen auflodernden Dorfes beleuchtet, stehen oder knieen Landleute auf dem Dach ihres Hauffe und schießen auf die Blauen, die in einiger Entfernung kämpfend sichtbar sind. Unübertrefflich ist der Ausdruck im Kopf deS Alten, der so besonnen, ruhig und sicher zielt und seinen Mann gewiß nicht fehlen wird. Eben so ausgezeichnet ist der kleine Junge, der mit dem ausgestreckten Finger dem älteren, neben ihm knieenden Bruder deutet, wohin er zu zielen habe. Das stehende Mädchen, das an dem Kampfe gleichfalls Theil nimmt, ist eine schöne, jugendkräftige Gestalt, nur vielleicht im ! Ausdruck nicht so einfach und unbe¬ fangen, wie es zu wünschen wäre und wie es die Uebrigen auch wirklich sind. Ungemein gelungen ist die Färbung des Bildes; die¬ ses Gemisch von Rauch, Pulverdampf und Flammenwiderschein kann nicht treuer und wirksamer gegeben werden. Zwei Bilder von Canella darfst Du ja nicht übergehen; es sind Ansichten von Prag, „der alten, der wunderschönen Stadt", wie eS im Schwerinliedc heißt. Die eine derselben ist von der Kleinscite, die andere von der Färberinsel aufgenommen. Der königliche Hrad- schin schwebt wie eine Krone über der herrlichen Stadt, der ihre vie¬ len, mitunter so seltsam geformten Thürme und Kuppeln ein nicht¬ europäisches, phantastisch schönes Gepräge geben. Stark, fest und kühn wie die Zeit, die sie erbaute, schwingt sich die Moldaubrücke von einem Ufer zum andern. Welche Erinnerungen drängen sich hier auf, welche Schicksale und Kämpfe wurden hier ausgcfochte» ! Mir ist die alte Brücke in Prag das, was mir in Venedig der Marcusplcch ist. Canella hat die eigenthümliche Physiognomie Prags aufgefaßt, wie dies von einem Maler feines Ranges zu erwarten stand. Das Einzige, was mir nicht ganz richtig scheint, ist die Farbe des Wassers, das ich zu blau, zu durchsichtig finde. So ist weder Gr«>zvotcil 1«/./«. I.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/409>, abgerufen am 26.06.2024.