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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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-- Der Berliner GucMstner sin Glasbrcnncr'ö Berliner Volks-
scenen XX. Heft) verbreitet sich wieder sehr ergötzlich über Europäische
Politik, über die griechische Revolution, über die Legitimisten und den
Herzog von Bordeaux, über die Jesuiten in der Schweiz, den deut¬
schen Bunocstag u. s. w. Und das Alles ans offener Straße, vor
ein Paar Gassenjungen und einem Schneidergesellen; kein Minister
beschränkt diese Lehrfreiheit, nur der "Jcnsdcirm" treibt ihn um zehn
Uhr nach Hause. Manche gute Lehre wird dabei wiederholt. Wenn
'ne Nation wat will, sagt er, oder wenn 'ne Nation wat will,
dann ist Alles durchzusetzen. Wäre doch in Berlin so viel Weisheit
bei Geheimräthen. und anderen großen Herren, als bei Eckenstehern und
Guckkästnern Witz'ist!

-- Das Geheimniß der vielen "Geheimnisse", die uns jetzt be¬
stürmen? Wer etwas wirklich Neues sagt, entdeckt immer Geheimnisse;
jedes gute Buch enthält Mysterien, die vor Aller Augen liegen uno
die Niemand sieht. Es ist für jedes ausgezeichnete Buch daher gewiß
der treffendste Titel. Jetzt regnet es aber von allen Seiten so viel ge¬
niale, echt deutsche Werke dieser Art, daß man mit dem Mann in
der Carricatur des Pariser Charivari, der, durch eine enge Gasse gehend,
von einem Mvstcricnregcn getroffen wird, rufen möchte: Gibt es doch
Parapluies und Parasols", warum gibt es keine ParaimMrcs?

--- In der griechischen Nationalversammlung stellte der russisch
gesinnte Zographos den Antrag, man möge beschließen, daß die Re¬
genten künftig griechischer Religion sein müßten; worauf die Häupter
der französischen und der nationalen Partei, Kolcttis und Maurokordatos,
erwiederten, daS sei nicht zu verlangen, denn in der ganzen Welt gebe
es kein Regentenhaus von griechischer Religion, als das russische, und
man werde die Könige Griechenlands doch nicht zwingen wollen, blos
russische Prinzessinnen zu heirathen > Ein anderer Deputirter sprach sich
sogar für die bürgerliche Berechtigung der Juden aus. Als künftigen
König Griechenlands bezeichnet man, im Fall der Entfernung Otto's,
einen Enkel Louis Philipp's, der, nach der "Dorfzcitung", schon fünf
Jahre alt und durchaus nicht abgeneigt ist, die Zügel der Regierung
zu ergreifen.

-- Die Königin Pomare auf Taiti hätte bald einen Weltkrieg
hervorgerufen. Frankreich und England, d. h. Guizot und Peel, lagen
sich beinahe schon in den Haaren. Pomare scheint die Franzosen per¬
sönlich mehr zu lieben, die englischen Kanonen aber mehr zu achten.




Verlag von Fr. Lndw. Herbig. -- Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.

— Der Berliner GucMstner sin Glasbrcnncr'ö Berliner Volks-
scenen XX. Heft) verbreitet sich wieder sehr ergötzlich über Europäische
Politik, über die griechische Revolution, über die Legitimisten und den
Herzog von Bordeaux, über die Jesuiten in der Schweiz, den deut¬
schen Bunocstag u. s. w. Und das Alles ans offener Straße, vor
ein Paar Gassenjungen und einem Schneidergesellen; kein Minister
beschränkt diese Lehrfreiheit, nur der „Jcnsdcirm" treibt ihn um zehn
Uhr nach Hause. Manche gute Lehre wird dabei wiederholt. Wenn
'ne Nation wat will, sagt er, oder wenn 'ne Nation wat will,
dann ist Alles durchzusetzen. Wäre doch in Berlin so viel Weisheit
bei Geheimräthen. und anderen großen Herren, als bei Eckenstehern und
Guckkästnern Witz'ist!

— Das Geheimniß der vielen „Geheimnisse", die uns jetzt be¬
stürmen? Wer etwas wirklich Neues sagt, entdeckt immer Geheimnisse;
jedes gute Buch enthält Mysterien, die vor Aller Augen liegen uno
die Niemand sieht. Es ist für jedes ausgezeichnete Buch daher gewiß
der treffendste Titel. Jetzt regnet es aber von allen Seiten so viel ge¬
niale, echt deutsche Werke dieser Art, daß man mit dem Mann in
der Carricatur des Pariser Charivari, der, durch eine enge Gasse gehend,
von einem Mvstcricnregcn getroffen wird, rufen möchte: Gibt es doch
Parapluies und Parasols", warum gibt es keine ParaimMrcs?

-— In der griechischen Nationalversammlung stellte der russisch
gesinnte Zographos den Antrag, man möge beschließen, daß die Re¬
genten künftig griechischer Religion sein müßten; worauf die Häupter
der französischen und der nationalen Partei, Kolcttis und Maurokordatos,
erwiederten, daS sei nicht zu verlangen, denn in der ganzen Welt gebe
es kein Regentenhaus von griechischer Religion, als das russische, und
man werde die Könige Griechenlands doch nicht zwingen wollen, blos
russische Prinzessinnen zu heirathen > Ein anderer Deputirter sprach sich
sogar für die bürgerliche Berechtigung der Juden aus. Als künftigen
König Griechenlands bezeichnet man, im Fall der Entfernung Otto's,
einen Enkel Louis Philipp's, der, nach der „Dorfzcitung", schon fünf
Jahre alt und durchaus nicht abgeneigt ist, die Zügel der Regierung
zu ergreifen.

— Die Königin Pomare auf Taiti hätte bald einen Weltkrieg
hervorgerufen. Frankreich und England, d. h. Guizot und Peel, lagen
sich beinahe schon in den Haaren. Pomare scheint die Franzosen per¬
sönlich mehr zu lieben, die englischen Kanonen aber mehr zu achten.




Verlag von Fr. Lndw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
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[0400] — Der Berliner GucMstner sin Glasbrcnncr'ö Berliner Volks- scenen XX. Heft) verbreitet sich wieder sehr ergötzlich über Europäische Politik, über die griechische Revolution, über die Legitimisten und den Herzog von Bordeaux, über die Jesuiten in der Schweiz, den deut¬ schen Bunocstag u. s. w. Und das Alles ans offener Straße, vor ein Paar Gassenjungen und einem Schneidergesellen; kein Minister beschränkt diese Lehrfreiheit, nur der „Jcnsdcirm" treibt ihn um zehn Uhr nach Hause. Manche gute Lehre wird dabei wiederholt. Wenn 'ne Nation wat will, sagt er, oder wenn 'ne Nation wat will, dann ist Alles durchzusetzen. Wäre doch in Berlin so viel Weisheit bei Geheimräthen. und anderen großen Herren, als bei Eckenstehern und Guckkästnern Witz'ist! — Das Geheimniß der vielen „Geheimnisse", die uns jetzt be¬ stürmen? Wer etwas wirklich Neues sagt, entdeckt immer Geheimnisse; jedes gute Buch enthält Mysterien, die vor Aller Augen liegen uno die Niemand sieht. Es ist für jedes ausgezeichnete Buch daher gewiß der treffendste Titel. Jetzt regnet es aber von allen Seiten so viel ge¬ niale, echt deutsche Werke dieser Art, daß man mit dem Mann in der Carricatur des Pariser Charivari, der, durch eine enge Gasse gehend, von einem Mvstcricnregcn getroffen wird, rufen möchte: Gibt es doch Parapluies und Parasols", warum gibt es keine ParaimMrcs? -— In der griechischen Nationalversammlung stellte der russisch gesinnte Zographos den Antrag, man möge beschließen, daß die Re¬ genten künftig griechischer Religion sein müßten; worauf die Häupter der französischen und der nationalen Partei, Kolcttis und Maurokordatos, erwiederten, daS sei nicht zu verlangen, denn in der ganzen Welt gebe es kein Regentenhaus von griechischer Religion, als das russische, und man werde die Könige Griechenlands doch nicht zwingen wollen, blos russische Prinzessinnen zu heirathen > Ein anderer Deputirter sprach sich sogar für die bürgerliche Berechtigung der Juden aus. Als künftigen König Griechenlands bezeichnet man, im Fall der Entfernung Otto's, einen Enkel Louis Philipp's, der, nach der „Dorfzcitung", schon fünf Jahre alt und durchaus nicht abgeneigt ist, die Zügel der Regierung zu ergreifen. — Die Königin Pomare auf Taiti hätte bald einen Weltkrieg hervorgerufen. Frankreich und England, d. h. Guizot und Peel, lagen sich beinahe schon in den Haaren. Pomare scheint die Franzosen per¬ sönlich mehr zu lieben, die englischen Kanonen aber mehr zu achten. Verlag von Fr. Lndw. Herbig. — Redacteur I. Kuranda. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/400>, abgerufen am 26.06.2024.