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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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rcichs Interessen in loyaler und würdiger Weise gegen Rußla"^ "er¬
focht, auf dessen Wunsch bestrafen. Das wird wohl nicht geschahen.
Aber schon die Zumuthung ist empörend. Die Schuld liegt d,er
übertriebenen Strenge der österreichischen Ccnsurgesctze, die eine Schrift
ohne das ü",n'imij.tur der österreichischen Behörde im Auslande drucken
zu lassen verbieten. Schusclka's Schrift ist in Hamburg bei Hoffmann
und Campe erschienen. Rußland brauchte ihn also nur bei der Wie-
ner Censur zu denunziren und auf die Anwendung der österreichischen
Gesetze zu dringen.

-- Ein neues Buch über Nußland: "Mvstsres as !->, Kussie oder
I^s, Ku"si>-, I-r kravos et I'^IIemnxn", reSiKves für los notss ä'un vieux
,Ils>I""i!>!ez von I<""iirni>'r, wird nächstens in deutscher Uebersetzung (bei
Gutsch in Karlsruhe) erscheinen.

-- Wer an der französischen Nation verzweifeln möchte -- sagt
Dahlmann in der Einleitung seiner so eben erschienenen Geschichte der
englischen Revolution -- weil sie nach ihrer größere" Umwälzunq v?n
nun bald zwei Menschenaltern noch immer keine Ruhe wieder finden
kann, dein soll man nur vorhalte,,, daß das englische Volk zwei Jahr¬
hunderte brauchte, um die seine zu vollbringen, ihre Früchte zu sam¬
meln und von ihr zu genesen. Denn schon unter den Tudors nimmt
sie in der Kirche ihren Anfang, drückt gewaltig von oben nach unter,
bis dann uuter den Stuarts ein unqcstümcr Gegendruck erfolgt. --
Die Machthaber in Deutschland, die so gerne auf die Stammcögcmcin-
schaft zwischen Deutschen und Engländern hinweisen lassen, um
uns vor französischen Sympathien ein Gegengift einzugeben, können
ans Dahlmann'ö Buch mit großem Nutzen sich belehren, daß auch in
England Druck und Gegendruck naturgemäß einander folgten. --

-- Ruge hat seine Pariser Revue damit begonnen, daß er den
deutschen Geist als solchen "niederträchtig" nennt. Ist das eine Albern¬
heit ,ulmi oder s pciswi'wii? Börne, dem viclverlästcrtcn, läßt sich
keine Plattitüde der Art nachweisen; durch sein schwärzesten Verwün¬
schungen geht doch ein Ton des gerechten Schmerzes und der Leiden¬
schaft, leuchtet doch eine Flamme des Geistes, die mit ihm versöhnt und den
Fluch in Segen wandelt. Wenn er daS deutsche Volk verkannte, so geschah
es inVcrzwciflnng, und in seinen bittersten Pillen war stets ein Gran Hellc-
borus. Man glaubte sonst, nur ein deutscher Jude könne so hart über das deut¬
sche Volk urtheilen; nun, Rüge ist ein Deutscher von Race, ein echt deut¬
scher philosophischer Haudegen Von altem Schrot und Korn. Und er
bricht in trockenem Kathcdcrton den Stab über seines Volkes Geist.
Vielleicht waren Börne's Anklagen nur darum so verletzend, weil sie,
selbst beim blindesten Zorn, noch etwas Treffendes hatten.


rcichs Interessen in loyaler und würdiger Weise gegen Rußla"^ "er¬
focht, auf dessen Wunsch bestrafen. Das wird wohl nicht geschahen.
Aber schon die Zumuthung ist empörend. Die Schuld liegt d,er
übertriebenen Strenge der österreichischen Ccnsurgesctze, die eine Schrift
ohne das ü»,n'imij.tur der österreichischen Behörde im Auslande drucken
zu lassen verbieten. Schusclka's Schrift ist in Hamburg bei Hoffmann
und Campe erschienen. Rußland brauchte ihn also nur bei der Wie-
ner Censur zu denunziren und auf die Anwendung der österreichischen
Gesetze zu dringen.

— Ein neues Buch über Nußland: „Mvstsres as !->, Kussie oder
I^s, Ku»si>-, I-r kravos et I'^IIemnxn«, reSiKves für los notss ä'un vieux
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Gutsch in Karlsruhe) erscheinen.

— Wer an der französischen Nation verzweifeln möchte — sagt
Dahlmann in der Einleitung seiner so eben erschienenen Geschichte der
englischen Revolution — weil sie nach ihrer größere» Umwälzunq v?n
nun bald zwei Menschenaltern noch immer keine Ruhe wieder finden
kann, dein soll man nur vorhalte,,, daß das englische Volk zwei Jahr¬
hunderte brauchte, um die seine zu vollbringen, ihre Früchte zu sam¬
meln und von ihr zu genesen. Denn schon unter den Tudors nimmt
sie in der Kirche ihren Anfang, drückt gewaltig von oben nach unter,
bis dann uuter den Stuarts ein unqcstümcr Gegendruck erfolgt. —
Die Machthaber in Deutschland, die so gerne auf die Stammcögcmcin-
schaft zwischen Deutschen und Engländern hinweisen lassen, um
uns vor französischen Sympathien ein Gegengift einzugeben, können
ans Dahlmann'ö Buch mit großem Nutzen sich belehren, daß auch in
England Druck und Gegendruck naturgemäß einander folgten. —

— Ruge hat seine Pariser Revue damit begonnen, daß er den
deutschen Geist als solchen „niederträchtig" nennt. Ist das eine Albern¬
heit ,ulmi oder s pciswi'wii? Börne, dem viclverlästcrtcn, läßt sich
keine Plattitüde der Art nachweisen; durch sein schwärzesten Verwün¬
schungen geht doch ein Ton des gerechten Schmerzes und der Leiden¬
schaft, leuchtet doch eine Flamme des Geistes, die mit ihm versöhnt und den
Fluch in Segen wandelt. Wenn er daS deutsche Volk verkannte, so geschah
es inVcrzwciflnng, und in seinen bittersten Pillen war stets ein Gran Hellc-
borus. Man glaubte sonst, nur ein deutscher Jude könne so hart über das deut¬
sche Volk urtheilen; nun, Rüge ist ein Deutscher von Race, ein echt deut¬
scher philosophischer Haudegen Von altem Schrot und Korn. Und er
bricht in trockenem Kathcdcrton den Stab über seines Volkes Geist.
Vielleicht waren Börne's Anklagen nur darum so verletzend, weil sie,
selbst beim blindesten Zorn, noch etwas Treffendes hatten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/399>, abgerufen am 26.06.2024.