Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester. Und ach, wie scheinet die Deutung mir wahr: Als Hellas auf üppigem Sterbebette, Als Roma lag an Tyrannenkette, Da erst an mancher altheiliger Stätte Erhoben sich Tempel und Saint' und Altar. Erinnerungszeilen sind Zeiten der Schwäche! Das Schilf im Strombett versickerter Bäche Aefft nach die Welle, die einstens hier sprang -- Der Wüste gedenket der Löwe im Bauer -- Der Aar verlassener Hochlandsschauer, Und Freiheit durchwehte das Lied der Trauer, Das an den Strömen Babels erklang. O laß Dich nicht durch ein Standbild bethöre", Mein großes Volk, und lerne beschwören Mit todten Helden die todte Kraft! Manch ehernes Werk hast zu bau'n Du begonnen, Umstrahlt von des Geistes weitleuchtenden Sonnen, Und wieder ist es in Nebel zerronnen, Vom co'gen Erbfeind dahingerafft. Ein Sockl war's, den Du anfingst zu bauen Mit Männerblut und dem Schmucke der Frauen, Das achtzehnhundert und dreizehnte Jahr. Wo blieb der Gott, von dem Du gesprochen? Du hast ihn mit blutigen Opfern gerochen -- Doch ach, wie bald war der Zauber gebrochen, -- Und Unkraut umwuchert der Heimath Altar. Und drei Jahrhunderte kaum sind verflossen, Da hat dem Geiste ein Denkmal gegossen Der Mann, der die Nacht und die Kutte zerriß - Zu Wittenberg, von Säulen getragen, Sieht er um die Welt sich geifernd schlagen Die Schlange und giftig sein Werk benagen, Die kraftlos ihn in die Ferse biß. Und ach, wie scheinet die Deutung mir wahr: Als Hellas auf üppigem Sterbebette, Als Roma lag an Tyrannenkette, Da erst an mancher altheiliger Stätte Erhoben sich Tempel und Saint' und Altar. Erinnerungszeilen sind Zeiten der Schwäche! Das Schilf im Strombett versickerter Bäche Aefft nach die Welle, die einstens hier sprang — Der Wüste gedenket der Löwe im Bauer — Der Aar verlassener Hochlandsschauer, Und Freiheit durchwehte das Lied der Trauer, Das an den Strömen Babels erklang. O laß Dich nicht durch ein Standbild bethöre», Mein großes Volk, und lerne beschwören Mit todten Helden die todte Kraft! Manch ehernes Werk hast zu bau'n Du begonnen, Umstrahlt von des Geistes weitleuchtenden Sonnen, Und wieder ist es in Nebel zerronnen, Vom co'gen Erbfeind dahingerafft. Ein Sockl war's, den Du anfingst zu bauen Mit Männerblut und dem Schmucke der Frauen, Das achtzehnhundert und dreizehnte Jahr. Wo blieb der Gott, von dem Du gesprochen? Du hast ihn mit blutigen Opfern gerochen — Doch ach, wie bald war der Zauber gebrochen, — Und Unkraut umwuchert der Heimath Altar. Und drei Jahrhunderte kaum sind verflossen, Da hat dem Geiste ein Denkmal gegossen Der Mann, der die Nacht und die Kutte zerriß - Zu Wittenberg, von Säulen getragen, Sieht er um die Welt sich geifernd schlagen Die Schlange und giftig sein Werk benagen, Die kraftlos ihn in die Ferse biß. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180103"/> <lg xml:id="POEMID_13" type="poem"> <l> Und ach, wie scheinet die Deutung mir wahr:<lb/> Als Hellas auf üppigem Sterbebette,<lb/> Als Roma lag an Tyrannenkette,<lb/> Da erst an mancher altheiliger Stätte<lb/> Erhoben sich Tempel und Saint' und Altar.</l> <l> Erinnerungszeilen sind Zeiten der Schwäche!<lb/> Das Schilf im Strombett versickerter Bäche<lb/> Aefft nach die Welle, die einstens hier sprang —<lb/> Der Wüste gedenket der Löwe im Bauer —<lb/> Der Aar verlassener Hochlandsschauer,<lb/> Und Freiheit durchwehte das Lied der Trauer,<lb/> Das an den Strömen Babels erklang.</l> <l> O laß Dich nicht durch ein Standbild bethöre»,<lb/> Mein großes Volk, und lerne beschwören<lb/> Mit todten Helden die todte Kraft!<lb/> Manch ehernes Werk hast zu bau'n Du begonnen,<lb/> Umstrahlt von des Geistes weitleuchtenden Sonnen,<lb/> Und wieder ist es in Nebel zerronnen,<lb/> Vom co'gen Erbfeind dahingerafft.</l> <l> Ein Sockl war's, den Du anfingst zu bauen<lb/> Mit Männerblut und dem Schmucke der Frauen,<lb/> Das achtzehnhundert und dreizehnte Jahr.<lb/> Wo blieb der Gott, von dem Du gesprochen?<lb/> Du hast ihn mit blutigen Opfern gerochen —<lb/> Doch ach, wie bald war der Zauber gebrochen, —<lb/> Und Unkraut umwuchert der Heimath Altar.</l> <l> Und drei Jahrhunderte kaum sind verflossen,<lb/> Da hat dem Geiste ein Denkmal gegossen<lb/> Der Mann, der die Nacht und die Kutte zerriß -<lb/> Zu Wittenberg, von Säulen getragen,<lb/> Sieht er um die Welt sich geifernd schlagen<lb/> Die Schlange und giftig sein Werk benagen,<lb/> Die kraftlos ihn in die Ferse biß.</l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0390]
Und ach, wie scheinet die Deutung mir wahr:
Als Hellas auf üppigem Sterbebette,
Als Roma lag an Tyrannenkette,
Da erst an mancher altheiliger Stätte
Erhoben sich Tempel und Saint' und Altar. Erinnerungszeilen sind Zeiten der Schwäche!
Das Schilf im Strombett versickerter Bäche
Aefft nach die Welle, die einstens hier sprang —
Der Wüste gedenket der Löwe im Bauer —
Der Aar verlassener Hochlandsschauer,
Und Freiheit durchwehte das Lied der Trauer,
Das an den Strömen Babels erklang. O laß Dich nicht durch ein Standbild bethöre»,
Mein großes Volk, und lerne beschwören
Mit todten Helden die todte Kraft!
Manch ehernes Werk hast zu bau'n Du begonnen,
Umstrahlt von des Geistes weitleuchtenden Sonnen,
Und wieder ist es in Nebel zerronnen,
Vom co'gen Erbfeind dahingerafft. Ein Sockl war's, den Du anfingst zu bauen
Mit Männerblut und dem Schmucke der Frauen,
Das achtzehnhundert und dreizehnte Jahr.
Wo blieb der Gott, von dem Du gesprochen?
Du hast ihn mit blutigen Opfern gerochen —
Doch ach, wie bald war der Zauber gebrochen, —
Und Unkraut umwuchert der Heimath Altar. Und drei Jahrhunderte kaum sind verflossen,
Da hat dem Geiste ein Denkmal gegossen
Der Mann, der die Nacht und die Kutte zerriß -
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