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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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zeigt sich überhaupt, daß ma" in Deutschland die Oeffentlichkeit nicht ein¬
mal zum Spaße liebt. Frankreich hat am FastuachtSdienstcig seine öf¬
fentliche" Maskenzüge beim boviik alt- in->,all A,^, die Niederlande
habe" ihre vermummte" Cavalcade" a" diesem Tage. Italie" sogar
erlaubt öffciitliche Mummereien, nur Deutschland ist auch an solche"
Tage" still u"d philisterhaft, ohne Volksschauspiel "ud öffentliche
Straße"freuten. Nur die Rheinlande in ihrer Nachbarschaft mil Frank¬
reich und den Niederlanden machen eine Ausnahme. Im übrigen
Deutschland hat man die Essenz der CarnevalSfreiidcn in einen großen
Wassertopf gegossen, der dadurch nur el" diei" we"ig roth gefärbt
wurde und a"ö dem man das Vergnügen homöopathisch genießt. Hier
in Wie" concentrirt sich der ganze Fastuachtöspaß auf den Besuch der
Dieustagrcdoutc, die aber durch die Ueberfüllung von mehr als 4VW
Menschen außer allem Spaße ist, sondern ganz ernsthafte Schweißtro¬
pfen und Rippenstöße kostet. Die anständige Welt besucht diese Re-
doute daher erst gage" Mitternacht, weil da die Musik aufhört und
der große Haufe sich allmälig verliert. Dazu kömmt auch, daß je¬
desmal am Faschingsdienstag ein Ball bei Hofe ist, und da dieser noch
vor Mitternacht endigt (er beginnt schon um 7 Uhr), so strömt die
Hofwelt noch nachträglich den: Redoutensaale z". Der diesjährige Hof¬
ball am FaschingSdicnstagc hatte eine kleine politische Färbung. Es ist
nämlich Regel, daß zu diesem Balle keine Fremden, sondern nur Oester-
reicher geladen werden und von den Gesandtschaften nur die sogenann-
ten Familie>igcsaudtc" Einladungen erhalte". Diesmal wurde jedoch
zu Gu"ste" des anwesende" russische" Brautwerbers, des Grafen Or-
loff, eine Ausnahme gemacht und er sowohl als auch der russische Ge¬
sandte wurde" geladen. Fast hätte diese Einladung zu ernste" Hän¬
deln Anlaß gegeben. Der galizische Fürst Z., der in dem polnische"
Aufstande mitgefochten und dessen Bruder gcfanqe" wurde und eilf
Jahre ein, Kaukasus schmachtete, war bei dem Hofball in seiner polni¬
schen Nationaltracht, worüber sich der Gesandte des Czaren nicht wenig
ärgerte. Es scheint, daß schon der Anblick einer polnischen Uniform
den zarten russischen Nerven Zuckungen verursacht. Graf Orloff machte
eine satyrische Bemerkung, welche die Freunde des Fürsten Z. nicht
hinnehmen wollten. Es bildeten sich förmlich zwei Parteien, wovon
die eine russisch und die andere polnisch gesinnt war. Jndcssc" kam
cL nicht zur Schlacht und kein Ostrolxmka beendete den Feldzug. Daß
der Erzherzog Stephan um die russische Olga anhalten wird, unter¬
liegt kaum einem Zweifel mehr. Die russische Prinzessin, die de"
starken Geist ihres Vaters besitzen soll, wird sich aber in Böhmen ge¬
wiß nicht alö U"tcrdrückerin des Panslavismus zeige". -- Die Ezechc-
"namen werde" sich gratuliren. Aber Oesterreich? -- --'


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zeigt sich überhaupt, daß ma» in Deutschland die Oeffentlichkeit nicht ein¬
mal zum Spaße liebt. Frankreich hat am FastuachtSdienstcig seine öf¬
fentliche» Maskenzüge beim boviik alt- in->,all A,^, die Niederlande
habe» ihre vermummte» Cavalcade» a» diesem Tage. Italie» sogar
erlaubt öffciitliche Mummereien, nur Deutschland ist auch an solche»
Tage» still u»d philisterhaft, ohne Volksschauspiel „ud öffentliche
Straße»freuten. Nur die Rheinlande in ihrer Nachbarschaft mil Frank¬
reich und den Niederlanden machen eine Ausnahme. Im übrigen
Deutschland hat man die Essenz der CarnevalSfreiidcn in einen großen
Wassertopf gegossen, der dadurch nur el» diei» we»ig roth gefärbt
wurde und a»ö dem man das Vergnügen homöopathisch genießt. Hier
in Wie» concentrirt sich der ganze Fastuachtöspaß auf den Besuch der
Dieustagrcdoutc, die aber durch die Ueberfüllung von mehr als 4VW
Menschen außer allem Spaße ist, sondern ganz ernsthafte Schweißtro¬
pfen und Rippenstöße kostet. Die anständige Welt besucht diese Re-
doute daher erst gage» Mitternacht, weil da die Musik aufhört und
der große Haufe sich allmälig verliert. Dazu kömmt auch, daß je¬
desmal am Faschingsdienstag ein Ball bei Hofe ist, und da dieser noch
vor Mitternacht endigt (er beginnt schon um 7 Uhr), so strömt die
Hofwelt noch nachträglich den: Redoutensaale z». Der diesjährige Hof¬
ball am FaschingSdicnstagc hatte eine kleine politische Färbung. Es ist
nämlich Regel, daß zu diesem Balle keine Fremden, sondern nur Oester-
reicher geladen werden und von den Gesandtschaften nur die sogenann-
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zu Gu»ste» des anwesende» russische» Brautwerbers, des Grafen Or-
loff, eine Ausnahme gemacht und er sowohl als auch der russische Ge¬
sandte wurde» geladen. Fast hätte diese Einladung zu ernste» Hän¬
deln Anlaß gegeben. Der galizische Fürst Z., der in dem polnische»
Aufstande mitgefochten und dessen Bruder gcfanqe» wurde und eilf
Jahre ein, Kaukasus schmachtete, war bei dem Hofball in seiner polni¬
schen Nationaltracht, worüber sich der Gesandte des Czaren nicht wenig
ärgerte. Es scheint, daß schon der Anblick einer polnischen Uniform
den zarten russischen Nerven Zuckungen verursacht. Graf Orloff machte
eine satyrische Bemerkung, welche die Freunde des Fürsten Z. nicht
hinnehmen wollten. Es bildeten sich förmlich zwei Parteien, wovon
die eine russisch und die andere polnisch gesinnt war. Jndcssc» kam
cL nicht zur Schlacht und kein Ostrolxmka beendete den Feldzug. Daß
der Erzherzog Stephan um die russische Olga anhalten wird, unter¬
liegt kaum einem Zweifel mehr. Die russische Prinzessin, die de»
starken Geist ihres Vaters besitzen soll, wird sich aber in Böhmen ge¬
wiß nicht alö U»tcrdrückerin des Panslavismus zeige». — Die Ezechc-
«namen werde» sich gratuliren. Aber Oesterreich? — —'


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[0363] zeigt sich überhaupt, daß ma» in Deutschland die Oeffentlichkeit nicht ein¬ mal zum Spaße liebt. Frankreich hat am FastuachtSdienstcig seine öf¬ fentliche» Maskenzüge beim boviik alt- in->,all A,^, die Niederlande habe» ihre vermummte» Cavalcade» a» diesem Tage. Italie» sogar erlaubt öffciitliche Mummereien, nur Deutschland ist auch an solche» Tage» still u»d philisterhaft, ohne Volksschauspiel „ud öffentliche Straße»freuten. Nur die Rheinlande in ihrer Nachbarschaft mil Frank¬ reich und den Niederlanden machen eine Ausnahme. Im übrigen Deutschland hat man die Essenz der CarnevalSfreiidcn in einen großen Wassertopf gegossen, der dadurch nur el» diei» we»ig roth gefärbt wurde und a»ö dem man das Vergnügen homöopathisch genießt. Hier in Wie» concentrirt sich der ganze Fastuachtöspaß auf den Besuch der Dieustagrcdoutc, die aber durch die Ueberfüllung von mehr als 4VW Menschen außer allem Spaße ist, sondern ganz ernsthafte Schweißtro¬ pfen und Rippenstöße kostet. Die anständige Welt besucht diese Re- doute daher erst gage» Mitternacht, weil da die Musik aufhört und der große Haufe sich allmälig verliert. Dazu kömmt auch, daß je¬ desmal am Faschingsdienstag ein Ball bei Hofe ist, und da dieser noch vor Mitternacht endigt (er beginnt schon um 7 Uhr), so strömt die Hofwelt noch nachträglich den: Redoutensaale z». Der diesjährige Hof¬ ball am FaschingSdicnstagc hatte eine kleine politische Färbung. Es ist nämlich Regel, daß zu diesem Balle keine Fremden, sondern nur Oester- reicher geladen werden und von den Gesandtschaften nur die sogenann- ten Familie>igcsaudtc» Einladungen erhalte». Diesmal wurde jedoch zu Gu»ste» des anwesende» russische» Brautwerbers, des Grafen Or- loff, eine Ausnahme gemacht und er sowohl als auch der russische Ge¬ sandte wurde» geladen. Fast hätte diese Einladung zu ernste» Hän¬ deln Anlaß gegeben. Der galizische Fürst Z., der in dem polnische» Aufstande mitgefochten und dessen Bruder gcfanqe» wurde und eilf Jahre ein, Kaukasus schmachtete, war bei dem Hofball in seiner polni¬ schen Nationaltracht, worüber sich der Gesandte des Czaren nicht wenig ärgerte. Es scheint, daß schon der Anblick einer polnischen Uniform den zarten russischen Nerven Zuckungen verursacht. Graf Orloff machte eine satyrische Bemerkung, welche die Freunde des Fürsten Z. nicht hinnehmen wollten. Es bildeten sich förmlich zwei Parteien, wovon die eine russisch und die andere polnisch gesinnt war. Jndcssc» kam cL nicht zur Schlacht und kein Ostrolxmka beendete den Feldzug. Daß der Erzherzog Stephan um die russische Olga anhalten wird, unter¬ liegt kaum einem Zweifel mehr. Die russische Prinzessin, die de» starken Geist ihres Vaters besitzen soll, wird sich aber in Böhmen ge¬ wiß nicht alö U»tcrdrückerin des Panslavismus zeige». — Die Ezechc- «namen werde» sich gratuliren. Aber Oesterreich? — —' » 4 4. 47 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/363>, abgerufen am 26.06.2024.