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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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und weniger bedeutende Stücke herabsetzte, die Freibillets decimiren u. s. w.
Jetzt zeigt es sich, daß der kluge Bühnenleiter dabei einen bestimmten
und wohlgemeinten Zweck verfolgte, und indem er nach Abschluß der
Iahresrcchnuugcu Ueberschüsse auftveiscu konnte, eroberte er sich und
seiner Administration den Credit, den er zur Durchführung seines Tau-
twmcnplancs nöthig hatte. Man hatte vor Allein gegen diesn? den
Einwurf gemacht, daß die Theaterkasse, indem sie dem Autor allabend¬
lich zehn Procent von der Brntto-Einnahme zuwiese, sich zu einer Aus¬
gabe engagire, die sie in ein großes Deficit bringen könnte. Herr v.
Holbein mußte es also vor Allem dahin bringen, daß er nicht in den Ruf
eines leichtsinnigen Rechners komme, und dies ist ihm gelungen. Auch
soll der Plan, den er vorgelegt, so klar und evident nachweisen, daß,
weit entfernt, die Kasse deö Burgtheaterö in Schaden zu bringen, die
neue Tantieme vielmehr die Einnahmen erhöhen müsse, daß er endlich
vollständig damit durchdrang. -- Eine hübsche Seene fand in Folge des¬
sen bei der letzten Versammlung der Concordia (eine Gesellschaft, i"
welcher sich an jedem Samstag Abend die meisten hiesigen Schriftstel¬
ler und Componistc" versammeln) statt. Bauerufcld brachte einen glän¬
zenden Toast auf Herrn von Holbein ans. Dieser ersuchte darauf die
Gesellschaft, in einen gleichen auf Generalintendant von Küstner in
Berlin cinzustimuie", der sich mit gleiche"! Eifer der Sache angenom¬
men habe und der in wenigen Tage" vielleicht schon mit einem glei¬
chen Publicandum hervortrete" werde. Einer der anwehe"den Opern-
componisten (der Kapellmeister Nicolai) äußerte hierauf, daß, so sehr er
sich über den Fortschritt freue, zu dem er den dramatischen Autoren
gratuliren müsse, so sei es jetzt doch um so schmerzlicher, daß der
Opcrndichtcr sich nicht eines ähnlichen Rechtes erfreue. Herr von Hol¬
bein machte hierauf der Gesellschaft die angenehme Eröffnung, daß man
in Berlin, wo Oper und Schauspiel uuter einer und derselben Admi¬
nistration ständen, wirklich beabsichtige, die Tantumic sowohl für den
Dichter, als für den Componistc" einzuführen. Dieses sott übrigens
auch bei der hiesigen Oper statt finden. Der Contract, den der Im-
pressario Balochini am Kärnthncrthorthcatcr hat, geht zu E"de und
unter den Bedingungen, die ma" dem neue" Pächter vorlege" wird,
soll auch die sein, daß der Componist jeden Abend seine Tanti>mie
beziehe.

Nachträglich noch Einiges vom Fasching. Man sollte glaube",
daß in Wie", das ohnehin bei jeder Gelegenheit sich gerne ein Avr"
thut, der Fasching ganz Außerordentliches hervorbringen müßte, Dem
ist aber nicht so. Der Wiener Fasching hat nicht die mindeste Eigen¬
thümlichkeit und steht jedenfalls den CarnevalSbclnstigungcn in Köln,
Mainz und überhaupt den Rheinstädten in Allem nach,'waS Charak¬
ter und originelles Gepräge heißt. Man liebt bei uns den Cha¬
rakter nicht, selbst wenn er eine Narrenjackc trägt. Es


und weniger bedeutende Stücke herabsetzte, die Freibillets decimiren u. s. w.
Jetzt zeigt es sich, daß der kluge Bühnenleiter dabei einen bestimmten
und wohlgemeinten Zweck verfolgte, und indem er nach Abschluß der
Iahresrcchnuugcu Ueberschüsse auftveiscu konnte, eroberte er sich und
seiner Administration den Credit, den er zur Durchführung seines Tau-
twmcnplancs nöthig hatte. Man hatte vor Allein gegen diesn? den
Einwurf gemacht, daß die Theaterkasse, indem sie dem Autor allabend¬
lich zehn Procent von der Brntto-Einnahme zuwiese, sich zu einer Aus¬
gabe engagire, die sie in ein großes Deficit bringen könnte. Herr v.
Holbein mußte es also vor Allem dahin bringen, daß er nicht in den Ruf
eines leichtsinnigen Rechners komme, und dies ist ihm gelungen. Auch
soll der Plan, den er vorgelegt, so klar und evident nachweisen, daß,
weit entfernt, die Kasse deö Burgtheaterö in Schaden zu bringen, die
neue Tantieme vielmehr die Einnahmen erhöhen müsse, daß er endlich
vollständig damit durchdrang. — Eine hübsche Seene fand in Folge des¬
sen bei der letzten Versammlung der Concordia (eine Gesellschaft, i»
welcher sich an jedem Samstag Abend die meisten hiesigen Schriftstel¬
ler und Componistc» versammeln) statt. Bauerufcld brachte einen glän¬
zenden Toast auf Herrn von Holbein ans. Dieser ersuchte darauf die
Gesellschaft, in einen gleichen auf Generalintendant von Küstner in
Berlin cinzustimuie», der sich mit gleiche»! Eifer der Sache angenom¬
men habe und der in wenigen Tage» vielleicht schon mit einem glei¬
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componisten (der Kapellmeister Nicolai) äußerte hierauf, daß, so sehr er
sich über den Fortschritt freue, zu dem er den dramatischen Autoren
gratuliren müsse, so sei es jetzt doch um so schmerzlicher, daß der
Opcrndichtcr sich nicht eines ähnlichen Rechtes erfreue. Herr von Hol¬
bein machte hierauf der Gesellschaft die angenehme Eröffnung, daß man
in Berlin, wo Oper und Schauspiel uuter einer und derselben Admi¬
nistration ständen, wirklich beabsichtige, die Tantumic sowohl für den
Dichter, als für den Componistc» einzuführen. Dieses sott übrigens
auch bei der hiesigen Oper statt finden. Der Contract, den der Im-
pressario Balochini am Kärnthncrthorthcatcr hat, geht zu E»de und
unter den Bedingungen, die ma» dem neue» Pächter vorlege» wird,
soll auch die sein, daß der Componist jeden Abend seine Tanti>mie
beziehe.

Nachträglich noch Einiges vom Fasching. Man sollte glaube»,
daß in Wie», das ohnehin bei jeder Gelegenheit sich gerne ein Avr«
thut, der Fasching ganz Außerordentliches hervorbringen müßte, Dem
ist aber nicht so. Der Wiener Fasching hat nicht die mindeste Eigen¬
thümlichkeit und steht jedenfalls den CarnevalSbclnstigungcn in Köln,
Mainz und überhaupt den Rheinstädten in Allem nach,'waS Charak¬
ter und originelles Gepräge heißt. Man liebt bei uns den Cha¬
rakter nicht, selbst wenn er eine Narrenjackc trägt. Es


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[0362] und weniger bedeutende Stücke herabsetzte, die Freibillets decimiren u. s. w. Jetzt zeigt es sich, daß der kluge Bühnenleiter dabei einen bestimmten und wohlgemeinten Zweck verfolgte, und indem er nach Abschluß der Iahresrcchnuugcu Ueberschüsse auftveiscu konnte, eroberte er sich und seiner Administration den Credit, den er zur Durchführung seines Tau- twmcnplancs nöthig hatte. Man hatte vor Allein gegen diesn? den Einwurf gemacht, daß die Theaterkasse, indem sie dem Autor allabend¬ lich zehn Procent von der Brntto-Einnahme zuwiese, sich zu einer Aus¬ gabe engagire, die sie in ein großes Deficit bringen könnte. Herr v. Holbein mußte es also vor Allem dahin bringen, daß er nicht in den Ruf eines leichtsinnigen Rechners komme, und dies ist ihm gelungen. Auch soll der Plan, den er vorgelegt, so klar und evident nachweisen, daß, weit entfernt, die Kasse deö Burgtheaterö in Schaden zu bringen, die neue Tantieme vielmehr die Einnahmen erhöhen müsse, daß er endlich vollständig damit durchdrang. — Eine hübsche Seene fand in Folge des¬ sen bei der letzten Versammlung der Concordia (eine Gesellschaft, i» welcher sich an jedem Samstag Abend die meisten hiesigen Schriftstel¬ ler und Componistc» versammeln) statt. Bauerufcld brachte einen glän¬ zenden Toast auf Herrn von Holbein ans. Dieser ersuchte darauf die Gesellschaft, in einen gleichen auf Generalintendant von Küstner in Berlin cinzustimuie», der sich mit gleiche»! Eifer der Sache angenom¬ men habe und der in wenigen Tage» vielleicht schon mit einem glei¬ chen Publicandum hervortrete» werde. Einer der anwehe»den Opern- componisten (der Kapellmeister Nicolai) äußerte hierauf, daß, so sehr er sich über den Fortschritt freue, zu dem er den dramatischen Autoren gratuliren müsse, so sei es jetzt doch um so schmerzlicher, daß der Opcrndichtcr sich nicht eines ähnlichen Rechtes erfreue. Herr von Hol¬ bein machte hierauf der Gesellschaft die angenehme Eröffnung, daß man in Berlin, wo Oper und Schauspiel uuter einer und derselben Admi¬ nistration ständen, wirklich beabsichtige, die Tantumic sowohl für den Dichter, als für den Componistc» einzuführen. Dieses sott übrigens auch bei der hiesigen Oper statt finden. Der Contract, den der Im- pressario Balochini am Kärnthncrthorthcatcr hat, geht zu E»de und unter den Bedingungen, die ma» dem neue» Pächter vorlege» wird, soll auch die sein, daß der Componist jeden Abend seine Tanti>mie beziehe. Nachträglich noch Einiges vom Fasching. Man sollte glaube», daß in Wie», das ohnehin bei jeder Gelegenheit sich gerne ein Avr« thut, der Fasching ganz Außerordentliches hervorbringen müßte, Dem ist aber nicht so. Der Wiener Fasching hat nicht die mindeste Eigen¬ thümlichkeit und steht jedenfalls den CarnevalSbclnstigungcn in Köln, Mainz und überhaupt den Rheinstädten in Allem nach,'waS Charak¬ ter und originelles Gepräge heißt. Man liebt bei uns den Cha¬ rakter nicht, selbst wenn er eine Narrenjackc trägt. Es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/362>, abgerufen am 26.06.2024.