Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

Pariser Frieden eine ähnliche Periode durchgemacht, in der viele süße
Worte, aber wenig Thaten erklungen sind. Zu dieser Zeit trat Jo¬
hann Ludwig Heiberg auf, ein durchaus feiner Geist, der wohl
fühlte, daß die Literatur keine Lobversicherungö - Anstalt sei. Wie
Apoll trug er die Leier des Gesanges in der Hand, während aus
seinem Rücken die silbernen Pfeile der Satyre klirrten. Er wollte
keiner blind anerkannten Große trauen, wenn er sie nicht selbst mit
kritischem Barometer gemessen hatte; seine reiche, ästhetische Bildung
berechtigte ihn vollkommen dazu, und er brachte die edlen Pflanzen
zur besseren Blüthe, indem er das Unkraut niedertrat.

Heiberg, der Sohn eines ausgezeichneten Elternpaares, wurde
am 14. December 1791 zu Kopenhagen geboren. Als er achtzehn
Jahre zählte, widmete er sich dem Studium der Medizin, doch wurde
ihm bald klar, daß er zu einer anderen Anatomie berufen sei, als zu
der, welche ihr Messer in menschliche Leiber senkt. Nun geriet!) er
in's Schwanken und wußte nicht, ob er Dichter, Musiker oder Na¬
turforscher werden sollte. Talent und Wissenschaft fehlten ihm zu
allen diesen Fächern nicht. Doch der innerste Drang zog ihn auf
die Bahn der Poesie und gab ihn so derjenigen Kunst zurück, für
welche ihn recht eigentlich die Natur geschaffen hatte. Einige seiner
dramatischen Jugendarbeiten weckten bedeutende Hoffnungen und Hei¬
berg stieg, mit den Fruchtbergen der Klassicität gründlich vertraut,
nun auch zu den kühnen Felsenklippen südlicher Romantik empor.
Ein Schauspiel: "Dristig vovct halv er vundet -- Frisch gewagt ist
halb gewonnen" und eine höchst geistreiche Dissertation: i>ne-
"vos "le-itMiltikii," ^"znore Iilsu.mico et ni'ne""!! ein <Jo I'eerr <^,'et-
"Zt-rouo "Zo Il>, Litt-c-i", waren die Ausbeute dieser Wanderung. Für
die letztere Arbeit wurde ihm 1817 der Doctorgrad ertheilt. Noch
in demselben Jahre erschien ein mythologisches Schauspiel: "Psyche'S
Weihe" und eine aristophanische Komödie: "Julespog og Nytaars-
löcir -- Weihnachtsscherz und Ncujahrspossen", welche eine Fülle
von sprudelndem Humor, dichterischer Anmuth und treffender Satyre
verrieth.

Heiberg ging nun nach Paris, lebte dort von 1814--1822 in
den angenehmsten Verhältnissen und machte das französische Theater
zum Mittelpunkt seiner Beobachtungen. Als er heimkehrte, wurde
ihm zu Kiel eine Professur der dänischen Sprache übertragen. Hei-


Pariser Frieden eine ähnliche Periode durchgemacht, in der viele süße
Worte, aber wenig Thaten erklungen sind. Zu dieser Zeit trat Jo¬
hann Ludwig Heiberg auf, ein durchaus feiner Geist, der wohl
fühlte, daß die Literatur keine Lobversicherungö - Anstalt sei. Wie
Apoll trug er die Leier des Gesanges in der Hand, während aus
seinem Rücken die silbernen Pfeile der Satyre klirrten. Er wollte
keiner blind anerkannten Große trauen, wenn er sie nicht selbst mit
kritischem Barometer gemessen hatte; seine reiche, ästhetische Bildung
berechtigte ihn vollkommen dazu, und er brachte die edlen Pflanzen
zur besseren Blüthe, indem er das Unkraut niedertrat.

Heiberg, der Sohn eines ausgezeichneten Elternpaares, wurde
am 14. December 1791 zu Kopenhagen geboren. Als er achtzehn
Jahre zählte, widmete er sich dem Studium der Medizin, doch wurde
ihm bald klar, daß er zu einer anderen Anatomie berufen sei, als zu
der, welche ihr Messer in menschliche Leiber senkt. Nun geriet!) er
in's Schwanken und wußte nicht, ob er Dichter, Musiker oder Na¬
turforscher werden sollte. Talent und Wissenschaft fehlten ihm zu
allen diesen Fächern nicht. Doch der innerste Drang zog ihn auf
die Bahn der Poesie und gab ihn so derjenigen Kunst zurück, für
welche ihn recht eigentlich die Natur geschaffen hatte. Einige seiner
dramatischen Jugendarbeiten weckten bedeutende Hoffnungen und Hei¬
berg stieg, mit den Fruchtbergen der Klassicität gründlich vertraut,
nun auch zu den kühnen Felsenklippen südlicher Romantik empor.
Ein Schauspiel: „Dristig vovct halv er vundet — Frisch gewagt ist
halb gewonnen" und eine höchst geistreiche Dissertation: i>ne-
«vos «le-itMiltikii,« ^«znore Iilsu.mico et ni'ne««!! ein <Jo I'eerr <^,'et-
«Zt-rouo »Zo Il>, Litt-c-i", waren die Ausbeute dieser Wanderung. Für
die letztere Arbeit wurde ihm 1817 der Doctorgrad ertheilt. Noch
in demselben Jahre erschien ein mythologisches Schauspiel: „Psyche'S
Weihe" und eine aristophanische Komödie: „Julespog og Nytaars-
löcir — Weihnachtsscherz und Ncujahrspossen", welche eine Fülle
von sprudelndem Humor, dichterischer Anmuth und treffender Satyre
verrieth.

Heiberg ging nun nach Paris, lebte dort von 1814—1822 in
den angenehmsten Verhältnissen und machte das französische Theater
zum Mittelpunkt seiner Beobachtungen. Als er heimkehrte, wurde
ihm zu Kiel eine Professur der dänischen Sprache übertragen. Hei-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0340" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180053"/>
            <p xml:id="ID_863" prev="#ID_862"> Pariser Frieden eine ähnliche Periode durchgemacht, in der viele süße<lb/>
Worte, aber wenig Thaten erklungen sind. Zu dieser Zeit trat Jo¬<lb/>
hann Ludwig Heiberg auf, ein durchaus feiner Geist, der wohl<lb/>
fühlte, daß die Literatur keine Lobversicherungö - Anstalt sei. Wie<lb/>
Apoll trug er die Leier des Gesanges in der Hand, während aus<lb/>
seinem Rücken die silbernen Pfeile der Satyre klirrten. Er wollte<lb/>
keiner blind anerkannten Große trauen, wenn er sie nicht selbst mit<lb/>
kritischem Barometer gemessen hatte; seine reiche, ästhetische Bildung<lb/>
berechtigte ihn vollkommen dazu, und er brachte die edlen Pflanzen<lb/>
zur besseren Blüthe, indem er das Unkraut niedertrat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_864"> Heiberg, der Sohn eines ausgezeichneten Elternpaares, wurde<lb/>
am 14. December 1791 zu Kopenhagen geboren. Als er achtzehn<lb/>
Jahre zählte, widmete er sich dem Studium der Medizin, doch wurde<lb/>
ihm bald klar, daß er zu einer anderen Anatomie berufen sei, als zu<lb/>
der, welche ihr Messer in menschliche Leiber senkt. Nun geriet!) er<lb/>
in's Schwanken und wußte nicht, ob er Dichter, Musiker oder Na¬<lb/>
turforscher werden sollte. Talent und Wissenschaft fehlten ihm zu<lb/>
allen diesen Fächern nicht. Doch der innerste Drang zog ihn auf<lb/>
die Bahn der Poesie und gab ihn so derjenigen Kunst zurück, für<lb/>
welche ihn recht eigentlich die Natur geschaffen hatte. Einige seiner<lb/>
dramatischen Jugendarbeiten weckten bedeutende Hoffnungen und Hei¬<lb/>
berg stieg, mit den Fruchtbergen der Klassicität gründlich vertraut,<lb/>
nun auch zu den kühnen Felsenklippen südlicher Romantik empor.<lb/>
Ein Schauspiel: &#x201E;Dristig vovct halv er vundet &#x2014; Frisch gewagt ist<lb/>
halb gewonnen" und eine höchst geistreiche Dissertation: i&gt;ne-<lb/>
«vos «le-itMiltikii,« ^«znore Iilsu.mico et ni'ne««!! ein &lt;Jo I'eerr &lt;^,'et-<lb/>
«Zt-rouo »Zo Il&gt;, Litt-c-i", waren die Ausbeute dieser Wanderung. Für<lb/>
die letztere Arbeit wurde ihm 1817 der Doctorgrad ertheilt. Noch<lb/>
in demselben Jahre erschien ein mythologisches Schauspiel: &#x201E;Psyche'S<lb/>
Weihe" und eine aristophanische Komödie: &#x201E;Julespog og Nytaars-<lb/>
löcir &#x2014; Weihnachtsscherz und Ncujahrspossen", welche eine Fülle<lb/>
von sprudelndem Humor, dichterischer Anmuth und treffender Satyre<lb/>
verrieth.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_865" next="#ID_866"> Heiberg ging nun nach Paris, lebte dort von 1814&#x2014;1822 in<lb/>
den angenehmsten Verhältnissen und machte das französische Theater<lb/>
zum Mittelpunkt seiner Beobachtungen. Als er heimkehrte, wurde<lb/>
ihm zu Kiel eine Professur der dänischen Sprache übertragen. Hei-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0340] Pariser Frieden eine ähnliche Periode durchgemacht, in der viele süße Worte, aber wenig Thaten erklungen sind. Zu dieser Zeit trat Jo¬ hann Ludwig Heiberg auf, ein durchaus feiner Geist, der wohl fühlte, daß die Literatur keine Lobversicherungö - Anstalt sei. Wie Apoll trug er die Leier des Gesanges in der Hand, während aus seinem Rücken die silbernen Pfeile der Satyre klirrten. Er wollte keiner blind anerkannten Große trauen, wenn er sie nicht selbst mit kritischem Barometer gemessen hatte; seine reiche, ästhetische Bildung berechtigte ihn vollkommen dazu, und er brachte die edlen Pflanzen zur besseren Blüthe, indem er das Unkraut niedertrat. Heiberg, der Sohn eines ausgezeichneten Elternpaares, wurde am 14. December 1791 zu Kopenhagen geboren. Als er achtzehn Jahre zählte, widmete er sich dem Studium der Medizin, doch wurde ihm bald klar, daß er zu einer anderen Anatomie berufen sei, als zu der, welche ihr Messer in menschliche Leiber senkt. Nun geriet!) er in's Schwanken und wußte nicht, ob er Dichter, Musiker oder Na¬ turforscher werden sollte. Talent und Wissenschaft fehlten ihm zu allen diesen Fächern nicht. Doch der innerste Drang zog ihn auf die Bahn der Poesie und gab ihn so derjenigen Kunst zurück, für welche ihn recht eigentlich die Natur geschaffen hatte. Einige seiner dramatischen Jugendarbeiten weckten bedeutende Hoffnungen und Hei¬ berg stieg, mit den Fruchtbergen der Klassicität gründlich vertraut, nun auch zu den kühnen Felsenklippen südlicher Romantik empor. Ein Schauspiel: „Dristig vovct halv er vundet — Frisch gewagt ist halb gewonnen" und eine höchst geistreiche Dissertation: i>ne- «vos «le-itMiltikii,« ^«znore Iilsu.mico et ni'ne««!! ein <Jo I'eerr <^,'et- «Zt-rouo »Zo Il>, Litt-c-i", waren die Ausbeute dieser Wanderung. Für die letztere Arbeit wurde ihm 1817 der Doctorgrad ertheilt. Noch in demselben Jahre erschien ein mythologisches Schauspiel: „Psyche'S Weihe" und eine aristophanische Komödie: „Julespog og Nytaars- löcir — Weihnachtsscherz und Ncujahrspossen", welche eine Fülle von sprudelndem Humor, dichterischer Anmuth und treffender Satyre verrieth. Heiberg ging nun nach Paris, lebte dort von 1814—1822 in den angenehmsten Verhältnissen und machte das französische Theater zum Mittelpunkt seiner Beobachtungen. Als er heimkehrte, wurde ihm zu Kiel eine Professur der dänischen Sprache übertragen. Hei-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/340
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/340>, abgerufen am 26.06.2024.