Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

In reichster Fülle sprudelte ihm nun der poetische Born und zwei
kräftig schöne Trauerspiele, "Bajazet" und "Tiber" entstanden (1828)
schnell nach einander. Tieck sagte: eS wären die besten Dramen der
Neuzeit, und dies Urtheil paßt hauptsächlich auf den Bajazet, wenn
Ulan nämlich von einem Drama nicht verlangt, daß eS bühnengerecht
sein müsse. Hauch'S Tragödien verlieren sich viel zu sehr in eine
stolze epische Breite und ihr begeistert fluthendcr Strom läßt sich nicht
in die engen Coulissenräumc einschachteln. Er hat viele Reisen ge¬
macht, aber zu wenig in Residenzen gelebt, darum kennt er den klei¬
nen Mechanismus des Theaters nicht genug. Die Bühne ist wie
ein kokettes Weib; sie verlangt jcchrela ge Hingebung, aufmerksames
Studium ihrer verstecktesten Launen, wenn sie ihre Gunst dem Dich¬
ter schenken soll. Weil Hauch ihr jene Aufmerksamkeit versagte, woll-
ten seine dramatischen Poesien bei der Darstellung keinen Anklang
finden. Wohl staunte das Publicum die Schönheit ihrer Sprache,
die Größe ihrer Charakterzeichnung an, doch eS blieb kühl und be¬
schaulich; eS wurde nicht hingerissen von unwiderstehlicher Gewalt.

Seitdem schrieb Hauch noch mehrere Dramen, in denen die
Hand deö Meisters waltet, allein er sandte sie gar nicht mehr zur
Aufführung ein. Von denselben müssen besonders das Drama "Don
Juan" und das aristophanische Lustspiel: "den babiloniste Taarn-
bygning i Mignature" anerkannt werden. Später wandte er sich
mehr dem Romane zu; "En polst Familie" ist wahrhaft classisch, und
auch gegenwärtig beschäftigt ihn ein neues Gebilde in derselben Form.
Als Lyriker besitzt Hauch wohl kühne, begeisterte Kraft, aber ihm fehlt
jener rhythmische Schmelz und Duft, welcher der Poesie ihren eigen¬
thümlichen Reiz verleihen muß.

Wir stehen jetzt an der Grenze eines neuen Abschnittes der dä¬
nischen Poesiegeschichte. Bisher herrschte tiefer Frieden in dein Dich-
terwald; seit Baggesen'S Zeit hatte kein kritischer Sturm die Wipfel
mehr geschüttelt. Elstern und Spatzen wiegten sich so ungestört wie
Nachtigallen und Turteltauben auf den grünen Zweigen, sie zwitscher¬
ten oder sangen und saßen brütend auf ihrem Nest. Der Staar
nannte den Wiedehopf einen begeisterten Minnesänger und der Wie¬
dehopf pries dagegen die treffliche Sprache des Staars. ES war
eine so zünftige Gemüthlichkeit, daß man sie von der Kameraderie
kaum unterscheiden konnte. Auch Deutschland hat nach dem zweiten


44 *

In reichster Fülle sprudelte ihm nun der poetische Born und zwei
kräftig schöne Trauerspiele, „Bajazet" und „Tiber" entstanden (1828)
schnell nach einander. Tieck sagte: eS wären die besten Dramen der
Neuzeit, und dies Urtheil paßt hauptsächlich auf den Bajazet, wenn
Ulan nämlich von einem Drama nicht verlangt, daß eS bühnengerecht
sein müsse. Hauch'S Tragödien verlieren sich viel zu sehr in eine
stolze epische Breite und ihr begeistert fluthendcr Strom läßt sich nicht
in die engen Coulissenräumc einschachteln. Er hat viele Reisen ge¬
macht, aber zu wenig in Residenzen gelebt, darum kennt er den klei¬
nen Mechanismus des Theaters nicht genug. Die Bühne ist wie
ein kokettes Weib; sie verlangt jcchrela ge Hingebung, aufmerksames
Studium ihrer verstecktesten Launen, wenn sie ihre Gunst dem Dich¬
ter schenken soll. Weil Hauch ihr jene Aufmerksamkeit versagte, woll-
ten seine dramatischen Poesien bei der Darstellung keinen Anklang
finden. Wohl staunte das Publicum die Schönheit ihrer Sprache,
die Größe ihrer Charakterzeichnung an, doch eS blieb kühl und be¬
schaulich; eS wurde nicht hingerissen von unwiderstehlicher Gewalt.

Seitdem schrieb Hauch noch mehrere Dramen, in denen die
Hand deö Meisters waltet, allein er sandte sie gar nicht mehr zur
Aufführung ein. Von denselben müssen besonders das Drama „Don
Juan" und das aristophanische Lustspiel: „den babiloniste Taarn-
bygning i Mignature" anerkannt werden. Später wandte er sich
mehr dem Romane zu; „En polst Familie" ist wahrhaft classisch, und
auch gegenwärtig beschäftigt ihn ein neues Gebilde in derselben Form.
Als Lyriker besitzt Hauch wohl kühne, begeisterte Kraft, aber ihm fehlt
jener rhythmische Schmelz und Duft, welcher der Poesie ihren eigen¬
thümlichen Reiz verleihen muß.

Wir stehen jetzt an der Grenze eines neuen Abschnittes der dä¬
nischen Poesiegeschichte. Bisher herrschte tiefer Frieden in dein Dich-
terwald; seit Baggesen'S Zeit hatte kein kritischer Sturm die Wipfel
mehr geschüttelt. Elstern und Spatzen wiegten sich so ungestört wie
Nachtigallen und Turteltauben auf den grünen Zweigen, sie zwitscher¬
ten oder sangen und saßen brütend auf ihrem Nest. Der Staar
nannte den Wiedehopf einen begeisterten Minnesänger und der Wie¬
dehopf pries dagegen die treffliche Sprache des Staars. ES war
eine so zünftige Gemüthlichkeit, daß man sie von der Kameraderie
kaum unterscheiden konnte. Auch Deutschland hat nach dem zweiten


44 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180052"/>
            <p xml:id="ID_860"> In reichster Fülle sprudelte ihm nun der poetische Born und zwei<lb/>
kräftig schöne Trauerspiele, &#x201E;Bajazet" und &#x201E;Tiber" entstanden (1828)<lb/>
schnell nach einander. Tieck sagte: eS wären die besten Dramen der<lb/>
Neuzeit, und dies Urtheil paßt hauptsächlich auf den Bajazet, wenn<lb/>
Ulan nämlich von einem Drama nicht verlangt, daß eS bühnengerecht<lb/>
sein müsse. Hauch'S Tragödien verlieren sich viel zu sehr in eine<lb/>
stolze epische Breite und ihr begeistert fluthendcr Strom läßt sich nicht<lb/>
in die engen Coulissenräumc einschachteln. Er hat viele Reisen ge¬<lb/>
macht, aber zu wenig in Residenzen gelebt, darum kennt er den klei¬<lb/>
nen Mechanismus des Theaters nicht genug. Die Bühne ist wie<lb/>
ein kokettes Weib; sie verlangt jcchrela ge Hingebung, aufmerksames<lb/>
Studium ihrer verstecktesten Launen, wenn sie ihre Gunst dem Dich¬<lb/>
ter schenken soll. Weil Hauch ihr jene Aufmerksamkeit versagte, woll-<lb/>
ten seine dramatischen Poesien bei der Darstellung keinen Anklang<lb/>
finden. Wohl staunte das Publicum die Schönheit ihrer Sprache,<lb/>
die Größe ihrer Charakterzeichnung an, doch eS blieb kühl und be¬<lb/>
schaulich; eS wurde nicht hingerissen von unwiderstehlicher Gewalt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_861"> Seitdem schrieb Hauch noch mehrere Dramen, in denen die<lb/>
Hand deö Meisters waltet, allein er sandte sie gar nicht mehr zur<lb/>
Aufführung ein. Von denselben müssen besonders das Drama &#x201E;Don<lb/>
Juan" und das aristophanische Lustspiel: &#x201E;den babiloniste Taarn-<lb/>
bygning i Mignature" anerkannt werden. Später wandte er sich<lb/>
mehr dem Romane zu; &#x201E;En polst Familie" ist wahrhaft classisch, und<lb/>
auch gegenwärtig beschäftigt ihn ein neues Gebilde in derselben Form.<lb/>
Als Lyriker besitzt Hauch wohl kühne, begeisterte Kraft, aber ihm fehlt<lb/>
jener rhythmische Schmelz und Duft, welcher der Poesie ihren eigen¬<lb/>
thümlichen Reiz verleihen muß.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_862" next="#ID_863"> Wir stehen jetzt an der Grenze eines neuen Abschnittes der dä¬<lb/>
nischen Poesiegeschichte. Bisher herrschte tiefer Frieden in dein Dich-<lb/>
terwald; seit Baggesen'S Zeit hatte kein kritischer Sturm die Wipfel<lb/>
mehr geschüttelt. Elstern und Spatzen wiegten sich so ungestört wie<lb/>
Nachtigallen und Turteltauben auf den grünen Zweigen, sie zwitscher¬<lb/>
ten oder sangen und saßen brütend auf ihrem Nest. Der Staar<lb/>
nannte den Wiedehopf einen begeisterten Minnesänger und der Wie¬<lb/>
dehopf pries dagegen die treffliche Sprache des Staars. ES war<lb/>
eine so zünftige Gemüthlichkeit, daß man sie von der Kameraderie<lb/>
kaum unterscheiden konnte. Auch Deutschland hat nach dem zweiten</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig"> 44 *</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0339] In reichster Fülle sprudelte ihm nun der poetische Born und zwei kräftig schöne Trauerspiele, „Bajazet" und „Tiber" entstanden (1828) schnell nach einander. Tieck sagte: eS wären die besten Dramen der Neuzeit, und dies Urtheil paßt hauptsächlich auf den Bajazet, wenn Ulan nämlich von einem Drama nicht verlangt, daß eS bühnengerecht sein müsse. Hauch'S Tragödien verlieren sich viel zu sehr in eine stolze epische Breite und ihr begeistert fluthendcr Strom läßt sich nicht in die engen Coulissenräumc einschachteln. Er hat viele Reisen ge¬ macht, aber zu wenig in Residenzen gelebt, darum kennt er den klei¬ nen Mechanismus des Theaters nicht genug. Die Bühne ist wie ein kokettes Weib; sie verlangt jcchrela ge Hingebung, aufmerksames Studium ihrer verstecktesten Launen, wenn sie ihre Gunst dem Dich¬ ter schenken soll. Weil Hauch ihr jene Aufmerksamkeit versagte, woll- ten seine dramatischen Poesien bei der Darstellung keinen Anklang finden. Wohl staunte das Publicum die Schönheit ihrer Sprache, die Größe ihrer Charakterzeichnung an, doch eS blieb kühl und be¬ schaulich; eS wurde nicht hingerissen von unwiderstehlicher Gewalt. Seitdem schrieb Hauch noch mehrere Dramen, in denen die Hand deö Meisters waltet, allein er sandte sie gar nicht mehr zur Aufführung ein. Von denselben müssen besonders das Drama „Don Juan" und das aristophanische Lustspiel: „den babiloniste Taarn- bygning i Mignature" anerkannt werden. Später wandte er sich mehr dem Romane zu; „En polst Familie" ist wahrhaft classisch, und auch gegenwärtig beschäftigt ihn ein neues Gebilde in derselben Form. Als Lyriker besitzt Hauch wohl kühne, begeisterte Kraft, aber ihm fehlt jener rhythmische Schmelz und Duft, welcher der Poesie ihren eigen¬ thümlichen Reiz verleihen muß. Wir stehen jetzt an der Grenze eines neuen Abschnittes der dä¬ nischen Poesiegeschichte. Bisher herrschte tiefer Frieden in dein Dich- terwald; seit Baggesen'S Zeit hatte kein kritischer Sturm die Wipfel mehr geschüttelt. Elstern und Spatzen wiegten sich so ungestört wie Nachtigallen und Turteltauben auf den grünen Zweigen, sie zwitscher¬ ten oder sangen und saßen brütend auf ihrem Nest. Der Staar nannte den Wiedehopf einen begeisterten Minnesänger und der Wie¬ dehopf pries dagegen die treffliche Sprache des Staars. ES war eine so zünftige Gemüthlichkeit, daß man sie von der Kameraderie kaum unterscheiden konnte. Auch Deutschland hat nach dem zweiten 44 *

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/339
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/339>, abgerufen am 23.12.2024.