Staatslexikon und der darin enthaltene Tadel des Kasseler Staatögc- richtShvfS gedruckt ist. Erhielt sie von Sachsen, wie zu erwarten, keine Genugthuung, so konnte sie beim Bundestag auf Untersuchung und gerichtliches Verfahren gegen das Wetter'sehe Staatslexikon antra¬ gen. Durchaus kein Recht aber hatte sic, sich an den, durch die Ver¬ antwortlichkeit der sächsischen Censur geschützten Verfasser zu halten. Sic aber hat sogar, ohne einen der erwähnten gesetzlichen Schritte zu thun, gleich und lediglich den Verfasser gepackt, weil er zufällig ihr Unterthan und ein freisinniger Mann ist.
-- Eine originelle Erscheinung ist der Taschenspiclkünstlcr L. Win¬ ter, der in Leipzig zwei Vorstellungen gab und allgemeines Interesse erregte. Die Kunststücke, die er macht, sind sehr hübsch und könnensich wohl mit denen Döblcr's messen; neu und ein sehr guter Einfall ist, daß Winter damit politische Improvisationen in Vers nud Prosa verbindet. Die Erläuterungen, mit denen er seine Stückchen begleitet, zeigen, daß Diplomatie und Taschcnspiclercl sehr oft verwandte Künste sind; er treibt die Sache o"n -unorv und mehr aus Passion, als zum Lebens¬ unterhalte. Leider ist der ekelhafte Polizcigeist immer bei der Hand, wo er einen anmuthigen und im Grunde harmlesen Scherz verderben kaun. Winter war kaum in Leipzig, so folgte ihm von Halle aus eine Denunciation, in Folge deren seine Vorstellung sehr beeinträchtig! und dem Publicum der rechte Genuß verkümmert wurde. Zuletzt wird man wirklich noch, wie in China, herausgeben ein: "Lexikon der Witze, welche gemacht werden dürfe".,,
-- Von welchen Zufälligkeiten hängt doch oft das Schicksal ei¬ nes Buches, das Glück eines Autors, die Gunst oder Ungunst deö Publicums abi Unsere RoinannbersetzungSdanipfmaschinenfabrikett lie¬ fern jährlich ganze Ale.vandrinischc Bibliotheken Untcrhaltungsfuttcr und die nachtheiligen Folgen davon sind oft genug beklagt, wenn anch nicht immer richtig bezeichnet worden. Unser Publicum lief't nicht zu viel stande Literatur! aber es lief't zu schlecht; ohne Geschmack und Auswahl schlingt es in sich hinein, ivaö Buchhändlcrspceulation, An-- bersetzcrnoth und Mode ihm auftischen. Vom eiuer ganzen Reihe aus¬ ländischer Erzähler, die nach einander unser Publicum beherrschten, hat Walter Scott allein den ungeheueren Lese-Enthusiasmus verdient, den er erregte. In der Regel ist jeder Vielschreiber Mode geworden; wes¬ sen Romane eine kleine Bibliothek bilden, reizt auch eher die Unter¬ nehmungslust des deutschen Buchhändlers. James und Ainsworth sind mehr gelesen worden, als der classische Irving; und während Cooper, Marryat, Bulwer eine Zeit lang die Götzen des Tages waren, ist mancher vortreffliche englische Roman, wie "Anastasius" von Hope oder "Tom Cringlc's Log" von Michael Scott u. a. in. unbcach-
Staatslexikon und der darin enthaltene Tadel des Kasseler Staatögc- richtShvfS gedruckt ist. Erhielt sie von Sachsen, wie zu erwarten, keine Genugthuung, so konnte sie beim Bundestag auf Untersuchung und gerichtliches Verfahren gegen das Wetter'sehe Staatslexikon antra¬ gen. Durchaus kein Recht aber hatte sic, sich an den, durch die Ver¬ antwortlichkeit der sächsischen Censur geschützten Verfasser zu halten. Sic aber hat sogar, ohne einen der erwähnten gesetzlichen Schritte zu thun, gleich und lediglich den Verfasser gepackt, weil er zufällig ihr Unterthan und ein freisinniger Mann ist.
— Eine originelle Erscheinung ist der Taschenspiclkünstlcr L. Win¬ ter, der in Leipzig zwei Vorstellungen gab und allgemeines Interesse erregte. Die Kunststücke, die er macht, sind sehr hübsch und könnensich wohl mit denen Döblcr's messen; neu und ein sehr guter Einfall ist, daß Winter damit politische Improvisationen in Vers nud Prosa verbindet. Die Erläuterungen, mit denen er seine Stückchen begleitet, zeigen, daß Diplomatie und Taschcnspiclercl sehr oft verwandte Künste sind; er treibt die Sache o»n -unorv und mehr aus Passion, als zum Lebens¬ unterhalte. Leider ist der ekelhafte Polizcigeist immer bei der Hand, wo er einen anmuthigen und im Grunde harmlesen Scherz verderben kaun. Winter war kaum in Leipzig, so folgte ihm von Halle aus eine Denunciation, in Folge deren seine Vorstellung sehr beeinträchtig! und dem Publicum der rechte Genuß verkümmert wurde. Zuletzt wird man wirklich noch, wie in China, herausgeben ein: „Lexikon der Witze, welche gemacht werden dürfe».,,
— Von welchen Zufälligkeiten hängt doch oft das Schicksal ei¬ nes Buches, das Glück eines Autors, die Gunst oder Ungunst deö Publicums abi Unsere RoinannbersetzungSdanipfmaschinenfabrikett lie¬ fern jährlich ganze Ale.vandrinischc Bibliotheken Untcrhaltungsfuttcr und die nachtheiligen Folgen davon sind oft genug beklagt, wenn anch nicht immer richtig bezeichnet worden. Unser Publicum lief't nicht zu viel stande Literatur! aber es lief't zu schlecht; ohne Geschmack und Auswahl schlingt es in sich hinein, ivaö Buchhändlcrspceulation, An-- bersetzcrnoth und Mode ihm auftischen. Vom eiuer ganzen Reihe aus¬ ländischer Erzähler, die nach einander unser Publicum beherrschten, hat Walter Scott allein den ungeheueren Lese-Enthusiasmus verdient, den er erregte. In der Regel ist jeder Vielschreiber Mode geworden; wes¬ sen Romane eine kleine Bibliothek bilden, reizt auch eher die Unter¬ nehmungslust des deutschen Buchhändlers. James und Ainsworth sind mehr gelesen worden, als der classische Irving; und während Cooper, Marryat, Bulwer eine Zeit lang die Götzen des Tages waren, ist mancher vortreffliche englische Roman, wie „Anastasius" von Hope oder „Tom Cringlc's Log" von Michael Scott u. a. in. unbcach-
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Staatslexikon und der darin enthaltene Tadel des Kasseler Staatögc-
richtShvfS gedruckt ist. Erhielt sie von Sachsen, wie zu erwarten,
keine Genugthuung, so konnte sie beim Bundestag auf Untersuchung
und gerichtliches Verfahren gegen das Wetter'sehe Staatslexikon antra¬
gen. Durchaus kein Recht aber hatte sic, sich an den, durch die Ver¬
antwortlichkeit der sächsischen Censur geschützten Verfasser zu halten.
Sic aber hat sogar, ohne einen der erwähnten gesetzlichen Schritte zu
thun, gleich und lediglich den Verfasser gepackt, weil er zufällig ihr
Unterthan und ein freisinniger Mann ist.
— Eine originelle Erscheinung ist der Taschenspiclkünstlcr L. Win¬
ter, der in Leipzig zwei Vorstellungen gab und allgemeines Interesse
erregte. Die Kunststücke, die er macht, sind sehr hübsch und könnensich
wohl mit denen Döblcr's messen; neu und ein sehr guter Einfall ist, daß
Winter damit politische Improvisationen in Vers nud Prosa verbindet.
Die Erläuterungen, mit denen er seine Stückchen begleitet, zeigen, daß
Diplomatie und Taschcnspiclercl sehr oft verwandte Künste sind; er
treibt die Sache o»n -unorv und mehr aus Passion, als zum Lebens¬
unterhalte. Leider ist der ekelhafte Polizcigeist immer bei der Hand,
wo er einen anmuthigen und im Grunde harmlesen Scherz verderben
kaun. Winter war kaum in Leipzig, so folgte ihm von Halle aus
eine Denunciation, in Folge deren seine Vorstellung sehr beeinträchtig!
und dem Publicum der rechte Genuß verkümmert wurde. Zuletzt wird
man wirklich noch, wie in China, herausgeben ein: „Lexikon der Witze,
welche gemacht werden dürfe».,,
— Von welchen Zufälligkeiten hängt doch oft das Schicksal ei¬
nes Buches, das Glück eines Autors, die Gunst oder Ungunst deö
Publicums abi Unsere RoinannbersetzungSdanipfmaschinenfabrikett lie¬
fern jährlich ganze Ale.vandrinischc Bibliotheken Untcrhaltungsfuttcr und
die nachtheiligen Folgen davon sind oft genug beklagt, wenn anch
nicht immer richtig bezeichnet worden. Unser Publicum lief't nicht zu
viel stande Literatur! aber es lief't zu schlecht; ohne Geschmack und
Auswahl schlingt es in sich hinein, ivaö Buchhändlcrspceulation, An--
bersetzcrnoth und Mode ihm auftischen. Vom eiuer ganzen Reihe aus¬
ländischer Erzähler, die nach einander unser Publicum beherrschten, hat
Walter Scott allein den ungeheueren Lese-Enthusiasmus verdient, den
er erregte. In der Regel ist jeder Vielschreiber Mode geworden; wes¬
sen Romane eine kleine Bibliothek bilden, reizt auch eher die Unter¬
nehmungslust des deutschen Buchhändlers. James und Ainsworth sind
mehr gelesen worden, als der classische Irving; und während Cooper,
Marryat, Bulwer eine Zeit lang die Götzen des Tages waren, ist
mancher vortreffliche englische Roman, wie „Anastasius" von Hope
oder „Tom Cringlc's Log" von Michael Scott u. a. in. unbcach-
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/327>, abgerufen am 23.12.2024.
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