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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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protestantischen Gemeinden "venige und sie liegen zerstreut auseinander
(soll doch jüngst auf einer Synode allen Ernstes der Antrag gestellt wor¬
den sein, für unvorhergesehene Fälle einen reitenden Candidaten
zu besolden!) -- dies bedingt naturgemäß eine Opposition gegen die
umwohnenden Katholiken, woher es denn kommt, daß die Protestan-
ten hier zu Lande ungemein gut preußisch gesinnt sind. Der freiere
Geist der katholischen Bevölkerung hingegen sucht sich i" meist harm¬
losen Humor Luft zu machen, wie z. B. die Narrenlappen des dies¬
jährigen Kölner Carnevals eine ergötzlich karritirende Persifflage der
neuen preußischen Pickelhauben sind.

Noch ein Paar Züge zur Charakteristik deS niederrheinischen
Volkes. Es liegt etwas ungemein DerbeS, UngcnirteS in seiner
Sinnesart, ganz natürlich -- niam lebt hier in der Regel weder von
Schwarzbrod noch von Weißbrod, sondern von Pumpernickel. Schon
oft nämlich kam mir der närrische Gedanke, den Westen Deutschlands
folgendermaßen abzustufen, nach Speis und Trank: Im Süden ißt
man Graubrod und trinkt Wein; in der Mitte Schwarzbrod und
Bier; im Norden gibt es Branntwein und Pumpernickel. Es liegt
viel Charakteristisches in dieser Einteilung. Hier also Pumpernickel!
Ich glaube darum, daß der Wirkungskreis, welchen sich Gutzkow als
Hauptmitarbeiter des Feuilletons der Kölnischen Zeitung ausersehen, an
Ort und Stelle wenigstens nicht so umfassend sein wird, wie sich's
von dem bedeutenden journalistischen Talente dieses Schriftstellers er¬
warten ließe. Gutzkow, dieser feine geistreiche Mann, dessen Pointen
meist halb verschleiert liegen und eben darin so großen Reiz haben,
Gutzkow, der in Kritik und Polemik nicht mit Flegeln drein drischt,
sondern leise und unbemerkt die schwache Seite des Gegners zu fas¬
sen weiß und dann mit ätzender Schärfe den Scheidungsprozeß des
Guten vom Schlechten beginnt, Gutzkow wird in den Rheinlanden
wenig nach Würden beurtheilt, selten mit vollem Behagen gelesen
werden. Wenn dagegen Roderich Benedir, der Verfasser des Doc-
tor Wespe, im Kölner Theater von der Katheder eines Weinfasses
herab Carnevalsvorträge hält über das Pantoffelregiment voll derber
Witze und localer Anspielungen, so fühlt sich das Publicum recht in
seinem Element; wer die Kölner enthufiasmircn will, der muß ihnen
vorerst etwas zu lachen geben. Ich glaube, in keinem Theater der
Welt wird so viel gelacht als in Köln. Es niest Jemand auf der


protestantischen Gemeinden »venige und sie liegen zerstreut auseinander
(soll doch jüngst auf einer Synode allen Ernstes der Antrag gestellt wor¬
den sein, für unvorhergesehene Fälle einen reitenden Candidaten
zu besolden!) — dies bedingt naturgemäß eine Opposition gegen die
umwohnenden Katholiken, woher es denn kommt, daß die Protestan-
ten hier zu Lande ungemein gut preußisch gesinnt sind. Der freiere
Geist der katholischen Bevölkerung hingegen sucht sich i» meist harm¬
losen Humor Luft zu machen, wie z. B. die Narrenlappen des dies¬
jährigen Kölner Carnevals eine ergötzlich karritirende Persifflage der
neuen preußischen Pickelhauben sind.

Noch ein Paar Züge zur Charakteristik deS niederrheinischen
Volkes. Es liegt etwas ungemein DerbeS, UngcnirteS in seiner
Sinnesart, ganz natürlich — niam lebt hier in der Regel weder von
Schwarzbrod noch von Weißbrod, sondern von Pumpernickel. Schon
oft nämlich kam mir der närrische Gedanke, den Westen Deutschlands
folgendermaßen abzustufen, nach Speis und Trank: Im Süden ißt
man Graubrod und trinkt Wein; in der Mitte Schwarzbrod und
Bier; im Norden gibt es Branntwein und Pumpernickel. Es liegt
viel Charakteristisches in dieser Einteilung. Hier also Pumpernickel!
Ich glaube darum, daß der Wirkungskreis, welchen sich Gutzkow als
Hauptmitarbeiter des Feuilletons der Kölnischen Zeitung ausersehen, an
Ort und Stelle wenigstens nicht so umfassend sein wird, wie sich's
von dem bedeutenden journalistischen Talente dieses Schriftstellers er¬
warten ließe. Gutzkow, dieser feine geistreiche Mann, dessen Pointen
meist halb verschleiert liegen und eben darin so großen Reiz haben,
Gutzkow, der in Kritik und Polemik nicht mit Flegeln drein drischt,
sondern leise und unbemerkt die schwache Seite des Gegners zu fas¬
sen weiß und dann mit ätzender Schärfe den Scheidungsprozeß des
Guten vom Schlechten beginnt, Gutzkow wird in den Rheinlanden
wenig nach Würden beurtheilt, selten mit vollem Behagen gelesen
werden. Wenn dagegen Roderich Benedir, der Verfasser des Doc-
tor Wespe, im Kölner Theater von der Katheder eines Weinfasses
herab Carnevalsvorträge hält über das Pantoffelregiment voll derber
Witze und localer Anspielungen, so fühlt sich das Publicum recht in
seinem Element; wer die Kölner enthufiasmircn will, der muß ihnen
vorerst etwas zu lachen geben. Ich glaube, in keinem Theater der
Welt wird so viel gelacht als in Köln. Es niest Jemand auf der


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[0318] protestantischen Gemeinden »venige und sie liegen zerstreut auseinander (soll doch jüngst auf einer Synode allen Ernstes der Antrag gestellt wor¬ den sein, für unvorhergesehene Fälle einen reitenden Candidaten zu besolden!) — dies bedingt naturgemäß eine Opposition gegen die umwohnenden Katholiken, woher es denn kommt, daß die Protestan- ten hier zu Lande ungemein gut preußisch gesinnt sind. Der freiere Geist der katholischen Bevölkerung hingegen sucht sich i» meist harm¬ losen Humor Luft zu machen, wie z. B. die Narrenlappen des dies¬ jährigen Kölner Carnevals eine ergötzlich karritirende Persifflage der neuen preußischen Pickelhauben sind. Noch ein Paar Züge zur Charakteristik deS niederrheinischen Volkes. Es liegt etwas ungemein DerbeS, UngcnirteS in seiner Sinnesart, ganz natürlich — niam lebt hier in der Regel weder von Schwarzbrod noch von Weißbrod, sondern von Pumpernickel. Schon oft nämlich kam mir der närrische Gedanke, den Westen Deutschlands folgendermaßen abzustufen, nach Speis und Trank: Im Süden ißt man Graubrod und trinkt Wein; in der Mitte Schwarzbrod und Bier; im Norden gibt es Branntwein und Pumpernickel. Es liegt viel Charakteristisches in dieser Einteilung. Hier also Pumpernickel! Ich glaube darum, daß der Wirkungskreis, welchen sich Gutzkow als Hauptmitarbeiter des Feuilletons der Kölnischen Zeitung ausersehen, an Ort und Stelle wenigstens nicht so umfassend sein wird, wie sich's von dem bedeutenden journalistischen Talente dieses Schriftstellers er¬ warten ließe. Gutzkow, dieser feine geistreiche Mann, dessen Pointen meist halb verschleiert liegen und eben darin so großen Reiz haben, Gutzkow, der in Kritik und Polemik nicht mit Flegeln drein drischt, sondern leise und unbemerkt die schwache Seite des Gegners zu fas¬ sen weiß und dann mit ätzender Schärfe den Scheidungsprozeß des Guten vom Schlechten beginnt, Gutzkow wird in den Rheinlanden wenig nach Würden beurtheilt, selten mit vollem Behagen gelesen werden. Wenn dagegen Roderich Benedir, der Verfasser des Doc- tor Wespe, im Kölner Theater von der Katheder eines Weinfasses herab Carnevalsvorträge hält über das Pantoffelregiment voll derber Witze und localer Anspielungen, so fühlt sich das Publicum recht in seinem Element; wer die Kölner enthufiasmircn will, der muß ihnen vorerst etwas zu lachen geben. Ich glaube, in keinem Theater der Welt wird so viel gelacht als in Köln. Es niest Jemand auf der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/318>, abgerufen am 22.12.2024.