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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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schlagen, thut Nichts zur Sache; es ist die Fabel vom Schäfer, der
dem Wolfe das Schaf abkämpft, um Wolle und Fleisch nicht zu
verlieren. Kommt nun aber Angesichts dieser Allianz das monarchi¬
sche Interesse in Conflict mit dem kirchlichen, so wird sich die Be¬
geisterung für Kirche und Clerus bis in'S Faradische steigern, und
das haben wir erlebt bei den erzbischöflichen Unruhen und in gerin¬
gerem Maßstabe bei den Hermesianischen Streitigkeiten. Man macht
sich schwerlich einen Begriff davon, welch ungünstige Stimmung ge¬
gen die Hermcsianer Braun und Achterfeld eine Mehrzahl beherrscht.
Ein seltsamer, aber charakteristischer Vorfall möge zum Beleg dienen.
Bor einiger Zeit war eine Kirche in der Nähe Borns eingestürzt;
die Gemeinde war arm, die Geistlichkeit forderte zu milden Beiträgen
auf. Allein ich glaube, es ging anfangs nicht viel ein. Da gerieth
Jemand auf den Einfall, seiner Gabe die Worte beizufügen: "Ehe
ich einen Katechismus von Achtcrfeld kaufe, gebe ich 10 Gr. für die
Kirche in L." Kaum las man dies im Bonner Wochenblatt, als
auch schon eine bedeutende Zahl von Beiträgen gezeichnet wurde, alle
mit derselben Aufschrift. Achterfcld rcmonstrirte dagegen, es sei doch
gar undelicat, daß man zu solchen Persönlichkeiten schreite. Allein
nun wurden die Beiträge noch reichlicher als vorher, indem ein An¬
derer, der seine Gabe mit den Worten einleitete: "Ehe ich einen --
kaufe, gebe ich :c." Hunderte von Nachfolgern fand. -- Ganz anders
ist hier das Verhältniß der protestantischen Geistlichkeit zum
Staate; ihr ist der Landesherr summus "z^iscsimis, sein Interesse
verknüpft mit dem ihrigen, und wenn Friedrich Wilhelm IV. bei je¬
der Gelegenheit erklärt, nicht weiter gehen zu wollen, als seines in
Gott ruhenden Herrn Vaters Majestät, so hat dieser Passus aus
guten Gründen gewiß sehr lieblichen Klang in den Ohren der evan¬
gelische,? Theologen. Außerdem mag auch die allem Anscheine nach
in Preußen projectirte Gründung einer protestantischen Hierarchie viel
Reizendes und Verbindendes für die Geistlichkeit haben. Allein sehen
wir ganz ab von diesen Einzelheiten, sehen wir ab von der Gegen¬
wart, stellen wir unsere Frage an die Vergangenheit, an die Geschichte,
so werden wir Protestanten gestehen müssen, wenn wir in Aufrich¬
tigkeit die Hemd auf's Herz legen, daß von Alters her kein Stand
mit größerer Devotion dem monarchischen Absolutismus die Hand
geküßt hat, als gerade unser Clerus. -- In der Rheinprovinz sind der


schlagen, thut Nichts zur Sache; es ist die Fabel vom Schäfer, der
dem Wolfe das Schaf abkämpft, um Wolle und Fleisch nicht zu
verlieren. Kommt nun aber Angesichts dieser Allianz das monarchi¬
sche Interesse in Conflict mit dem kirchlichen, so wird sich die Be¬
geisterung für Kirche und Clerus bis in'S Faradische steigern, und
das haben wir erlebt bei den erzbischöflichen Unruhen und in gerin¬
gerem Maßstabe bei den Hermesianischen Streitigkeiten. Man macht
sich schwerlich einen Begriff davon, welch ungünstige Stimmung ge¬
gen die Hermcsianer Braun und Achterfeld eine Mehrzahl beherrscht.
Ein seltsamer, aber charakteristischer Vorfall möge zum Beleg dienen.
Bor einiger Zeit war eine Kirche in der Nähe Borns eingestürzt;
die Gemeinde war arm, die Geistlichkeit forderte zu milden Beiträgen
auf. Allein ich glaube, es ging anfangs nicht viel ein. Da gerieth
Jemand auf den Einfall, seiner Gabe die Worte beizufügen: „Ehe
ich einen Katechismus von Achtcrfeld kaufe, gebe ich 10 Gr. für die
Kirche in L." Kaum las man dies im Bonner Wochenblatt, als
auch schon eine bedeutende Zahl von Beiträgen gezeichnet wurde, alle
mit derselben Aufschrift. Achterfcld rcmonstrirte dagegen, es sei doch
gar undelicat, daß man zu solchen Persönlichkeiten schreite. Allein
nun wurden die Beiträge noch reichlicher als vorher, indem ein An¬
derer, der seine Gabe mit den Worten einleitete: „Ehe ich einen —
kaufe, gebe ich :c." Hunderte von Nachfolgern fand. — Ganz anders
ist hier das Verhältniß der protestantischen Geistlichkeit zum
Staate; ihr ist der Landesherr summus «z^iscsimis, sein Interesse
verknüpft mit dem ihrigen, und wenn Friedrich Wilhelm IV. bei je¬
der Gelegenheit erklärt, nicht weiter gehen zu wollen, als seines in
Gott ruhenden Herrn Vaters Majestät, so hat dieser Passus aus
guten Gründen gewiß sehr lieblichen Klang in den Ohren der evan¬
gelische,? Theologen. Außerdem mag auch die allem Anscheine nach
in Preußen projectirte Gründung einer protestantischen Hierarchie viel
Reizendes und Verbindendes für die Geistlichkeit haben. Allein sehen
wir ganz ab von diesen Einzelheiten, sehen wir ab von der Gegen¬
wart, stellen wir unsere Frage an die Vergangenheit, an die Geschichte,
so werden wir Protestanten gestehen müssen, wenn wir in Aufrich¬
tigkeit die Hemd auf's Herz legen, daß von Alters her kein Stand
mit größerer Devotion dem monarchischen Absolutismus die Hand
geküßt hat, als gerade unser Clerus. — In der Rheinprovinz sind der


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[0317] schlagen, thut Nichts zur Sache; es ist die Fabel vom Schäfer, der dem Wolfe das Schaf abkämpft, um Wolle und Fleisch nicht zu verlieren. Kommt nun aber Angesichts dieser Allianz das monarchi¬ sche Interesse in Conflict mit dem kirchlichen, so wird sich die Be¬ geisterung für Kirche und Clerus bis in'S Faradische steigern, und das haben wir erlebt bei den erzbischöflichen Unruhen und in gerin¬ gerem Maßstabe bei den Hermesianischen Streitigkeiten. Man macht sich schwerlich einen Begriff davon, welch ungünstige Stimmung ge¬ gen die Hermcsianer Braun und Achterfeld eine Mehrzahl beherrscht. Ein seltsamer, aber charakteristischer Vorfall möge zum Beleg dienen. Bor einiger Zeit war eine Kirche in der Nähe Borns eingestürzt; die Gemeinde war arm, die Geistlichkeit forderte zu milden Beiträgen auf. Allein ich glaube, es ging anfangs nicht viel ein. Da gerieth Jemand auf den Einfall, seiner Gabe die Worte beizufügen: „Ehe ich einen Katechismus von Achtcrfeld kaufe, gebe ich 10 Gr. für die Kirche in L." Kaum las man dies im Bonner Wochenblatt, als auch schon eine bedeutende Zahl von Beiträgen gezeichnet wurde, alle mit derselben Aufschrift. Achterfcld rcmonstrirte dagegen, es sei doch gar undelicat, daß man zu solchen Persönlichkeiten schreite. Allein nun wurden die Beiträge noch reichlicher als vorher, indem ein An¬ derer, der seine Gabe mit den Worten einleitete: „Ehe ich einen — kaufe, gebe ich :c." Hunderte von Nachfolgern fand. — Ganz anders ist hier das Verhältniß der protestantischen Geistlichkeit zum Staate; ihr ist der Landesherr summus «z^iscsimis, sein Interesse verknüpft mit dem ihrigen, und wenn Friedrich Wilhelm IV. bei je¬ der Gelegenheit erklärt, nicht weiter gehen zu wollen, als seines in Gott ruhenden Herrn Vaters Majestät, so hat dieser Passus aus guten Gründen gewiß sehr lieblichen Klang in den Ohren der evan¬ gelische,? Theologen. Außerdem mag auch die allem Anscheine nach in Preußen projectirte Gründung einer protestantischen Hierarchie viel Reizendes und Verbindendes für die Geistlichkeit haben. Allein sehen wir ganz ab von diesen Einzelheiten, sehen wir ab von der Gegen¬ wart, stellen wir unsere Frage an die Vergangenheit, an die Geschichte, so werden wir Protestanten gestehen müssen, wenn wir in Aufrich¬ tigkeit die Hemd auf's Herz legen, daß von Alters her kein Stand mit größerer Devotion dem monarchischen Absolutismus die Hand geküßt hat, als gerade unser Clerus. — In der Rheinprovinz sind der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/317>, abgerufen am 26.06.2024.