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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Kleine Skizzen aus den Rheinlanden.
Köln und Bonn.



Der katholische Liberalismus. -- Braun und Achterfeld. -- Der reitende Can-
didnt. -- Pumpernickel. -- Gutzkow und Bcnedir. -- Kölnische Lachlust. --
Nitzsch, Sack und Kinkel in Bonn, -- Arndt und A. W>. von Schlegel. --
Studentengeist.

Der letzte Landtagsabschied der Rheinprovinz hat wieder viel be¬
trübte Herzen noch betrübter gemacht, -- so glaube ich, muß man
seinen Eindruck bezeichnen; denn das Zähneknirschen der Opposition
hat hier wie anderwärts aufgehört; -- man klagt ganz leise, oder
man schweigt. Schweigen ist auch Reden. Es ist ein seltsam Ding
um den angestammten Charakter eines Volksschlags; es rächt sich
schwer, wenn man ihm zu nahe tritt, und das dürste wohl eins der
schwierigsten Kapitel in der (IiLcij>>in" arc-nil unserer Regierungskunst
sein, keine Individualität anzutasten und doch aus den vielen Einzel-
körpern eine recht einmüthige Gesammtheit zu bauen. Zum allermin-
desten ist .man in diesem Betracht in Berlin oft unvorsichtig
gewesen. Zwei Dinge wiegen besonders schwer in den Rhein-
landen: die angeborne Freimüthigkeit und Thatkräftigkeit des Volkes
und seine Begeisterung für den Katholicismus. Anscheinend sehr
heterogene Elemente, aber das ist auch bloßer Schein. Seit den
Tagen, da Heinrich in Canossa kniete, hat die Hierarchie fast immer
einem volksthümlichen Liberalismus die Freundeshand gereicht; denn
beide hatten Einen gemeinsamen Erbfeind zu bekämpfen -- den mo¬
narchischen Absolutismus. Daß die Hierarchie mit dem Liberalis¬
mus sich alliirie, blos um ihn nachher in ihre eigenen Bande zu


Kleine Skizzen aus den Rheinlanden.
Köln und Bonn.



Der katholische Liberalismus. — Braun und Achterfeld. — Der reitende Can-
didnt. — Pumpernickel. — Gutzkow und Bcnedir. — Kölnische Lachlust. —
Nitzsch, Sack und Kinkel in Bonn, — Arndt und A. W>. von Schlegel. —
Studentengeist.

Der letzte Landtagsabschied der Rheinprovinz hat wieder viel be¬
trübte Herzen noch betrübter gemacht, — so glaube ich, muß man
seinen Eindruck bezeichnen; denn das Zähneknirschen der Opposition
hat hier wie anderwärts aufgehört; — man klagt ganz leise, oder
man schweigt. Schweigen ist auch Reden. Es ist ein seltsam Ding
um den angestammten Charakter eines Volksschlags; es rächt sich
schwer, wenn man ihm zu nahe tritt, und das dürste wohl eins der
schwierigsten Kapitel in der (IiLcij>>in» arc-nil unserer Regierungskunst
sein, keine Individualität anzutasten und doch aus den vielen Einzel-
körpern eine recht einmüthige Gesammtheit zu bauen. Zum allermin-
desten ist .man in diesem Betracht in Berlin oft unvorsichtig
gewesen. Zwei Dinge wiegen besonders schwer in den Rhein-
landen: die angeborne Freimüthigkeit und Thatkräftigkeit des Volkes
und seine Begeisterung für den Katholicismus. Anscheinend sehr
heterogene Elemente, aber das ist auch bloßer Schein. Seit den
Tagen, da Heinrich in Canossa kniete, hat die Hierarchie fast immer
einem volksthümlichen Liberalismus die Freundeshand gereicht; denn
beide hatten Einen gemeinsamen Erbfeind zu bekämpfen — den mo¬
narchischen Absolutismus. Daß die Hierarchie mit dem Liberalis¬
mus sich alliirie, blos um ihn nachher in ihre eigenen Bande zu


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[0316] Kleine Skizzen aus den Rheinlanden. Köln und Bonn. Der katholische Liberalismus. — Braun und Achterfeld. — Der reitende Can- didnt. — Pumpernickel. — Gutzkow und Bcnedir. — Kölnische Lachlust. — Nitzsch, Sack und Kinkel in Bonn, — Arndt und A. W>. von Schlegel. — Studentengeist. Der letzte Landtagsabschied der Rheinprovinz hat wieder viel be¬ trübte Herzen noch betrübter gemacht, — so glaube ich, muß man seinen Eindruck bezeichnen; denn das Zähneknirschen der Opposition hat hier wie anderwärts aufgehört; — man klagt ganz leise, oder man schweigt. Schweigen ist auch Reden. Es ist ein seltsam Ding um den angestammten Charakter eines Volksschlags; es rächt sich schwer, wenn man ihm zu nahe tritt, und das dürste wohl eins der schwierigsten Kapitel in der (IiLcij>>in» arc-nil unserer Regierungskunst sein, keine Individualität anzutasten und doch aus den vielen Einzel- körpern eine recht einmüthige Gesammtheit zu bauen. Zum allermin- desten ist .man in diesem Betracht in Berlin oft unvorsichtig gewesen. Zwei Dinge wiegen besonders schwer in den Rhein- landen: die angeborne Freimüthigkeit und Thatkräftigkeit des Volkes und seine Begeisterung für den Katholicismus. Anscheinend sehr heterogene Elemente, aber das ist auch bloßer Schein. Seit den Tagen, da Heinrich in Canossa kniete, hat die Hierarchie fast immer einem volksthümlichen Liberalismus die Freundeshand gereicht; denn beide hatten Einen gemeinsamen Erbfeind zu bekämpfen — den mo¬ narchischen Absolutismus. Daß die Hierarchie mit dem Liberalis¬ mus sich alliirie, blos um ihn nachher in ihre eigenen Bande zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/316>, abgerufen am 26.06.2024.