kennt und verehrt ihn weiter, als die Grenzen Deutschlands reichen. Er hat einst dem altersschwachen Rationalismus mit jugendlicher Kraft den Todesstoß gegeben, und daS Alter hat weder diese Kraft, noch den Geist, mit welchem er sie anzuwenden weiß, zu lahmen ver¬ mocht. Er gehört freilich nicht zur höchsten geistlichen Behörde un¬ seres Landes, vielleicht eben wegen seiner Energie, aber als das Haupt der Geistlichkeit kann man ihn wohl sonst in jeder Rücksicht bezeich, nen, und eS möchte diese kein anderes Vorbild aufstellen können, welches diesem Manne an feuriger, erbauender und zugleich geistvol¬ ler Beredsamkeit gleich käme. Daß ihm, dem streng Orthodoxen als solchem, gar Viele abhold sind, ist natürlich; daß man ihn aber auch als einen intoleranten Frömmler, als einen jener kurzsichtigen und einseitigen Pietisten, deren es allerdings genug gibt, verschreit, ist geradezu einfältig. Freilich kann ein ganz entschiedener Charakter und ein festgewurzelter Glaube unmöglich jede beliebige Meinung, die ihm entgegengesetzt wird, ertragen, aber eine Toleranz, die das vermag, ist gewiß Nichts, als Indifferenz und Charakterschwäche, und selbst diejenigen, welche sie für Glaubenssachen prätendiren, pflegen sie eben so entschieden in der Politik zu verachten.
Von der Literatur ist nicht viel zu sagen; sie ist besonders thätig hinsichtlich der speziellen Landesangelegenheiten, aber die¬ ses Thema wird jetzt fast ausschließlich von den vielen in den Her- zogthümern erscheinenden Wochenblättern, welche fast sämmtlich in der letzten Zeit einen bedeutenden Aufschwung genommen haben und sich zum Theil eines ehrenvollen Rufes erfreuen, behandelt, indem sie die hier sonst ziemlich reiche Brvschürenliteratur überflüssig machen. Unter diesen periodischen Blättern behauptete in Kiel früher das Correspondenzblatt, welches sich als ein politisches den libe¬ ralen Bewegungen seit der Julirevolution voranstellte, einen ent¬ schiedenen Vorrang, aber seitdem es der sogenannten Neuhvlfleini- schen Theorie huldigt, hat es einen großen Theil seines Einflusses verloren, und die neu erstandenen Neuen Kieler Blätter, ob¬ gleich von Schleswig-Holsteinern redigirt, vermögen dem Kieler Jour¬ nalismus, da ihr politischer Standpunkt unklar und zu wenig ent- schieden ist, das Uebergewicht nicht wieder zu verschaffen. -- Anders steht es mit den Schleswig-holsteinischen Kunstbestrebungen. Wenn von solchen überhaupt die Rede sein kann, so beschränken sie sich fast
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kennt und verehrt ihn weiter, als die Grenzen Deutschlands reichen. Er hat einst dem altersschwachen Rationalismus mit jugendlicher Kraft den Todesstoß gegeben, und daS Alter hat weder diese Kraft, noch den Geist, mit welchem er sie anzuwenden weiß, zu lahmen ver¬ mocht. Er gehört freilich nicht zur höchsten geistlichen Behörde un¬ seres Landes, vielleicht eben wegen seiner Energie, aber als das Haupt der Geistlichkeit kann man ihn wohl sonst in jeder Rücksicht bezeich, nen, und eS möchte diese kein anderes Vorbild aufstellen können, welches diesem Manne an feuriger, erbauender und zugleich geistvol¬ ler Beredsamkeit gleich käme. Daß ihm, dem streng Orthodoxen als solchem, gar Viele abhold sind, ist natürlich; daß man ihn aber auch als einen intoleranten Frömmler, als einen jener kurzsichtigen und einseitigen Pietisten, deren es allerdings genug gibt, verschreit, ist geradezu einfältig. Freilich kann ein ganz entschiedener Charakter und ein festgewurzelter Glaube unmöglich jede beliebige Meinung, die ihm entgegengesetzt wird, ertragen, aber eine Toleranz, die das vermag, ist gewiß Nichts, als Indifferenz und Charakterschwäche, und selbst diejenigen, welche sie für Glaubenssachen prätendiren, pflegen sie eben so entschieden in der Politik zu verachten.
Von der Literatur ist nicht viel zu sagen; sie ist besonders thätig hinsichtlich der speziellen Landesangelegenheiten, aber die¬ ses Thema wird jetzt fast ausschließlich von den vielen in den Her- zogthümern erscheinenden Wochenblättern, welche fast sämmtlich in der letzten Zeit einen bedeutenden Aufschwung genommen haben und sich zum Theil eines ehrenvollen Rufes erfreuen, behandelt, indem sie die hier sonst ziemlich reiche Brvschürenliteratur überflüssig machen. Unter diesen periodischen Blättern behauptete in Kiel früher das Correspondenzblatt, welches sich als ein politisches den libe¬ ralen Bewegungen seit der Julirevolution voranstellte, einen ent¬ schiedenen Vorrang, aber seitdem es der sogenannten Neuhvlfleini- schen Theorie huldigt, hat es einen großen Theil seines Einflusses verloren, und die neu erstandenen Neuen Kieler Blätter, ob¬ gleich von Schleswig-Holsteinern redigirt, vermögen dem Kieler Jour¬ nalismus, da ihr politischer Standpunkt unklar und zu wenig ent- schieden ist, das Uebergewicht nicht wieder zu verschaffen. — Anders steht es mit den Schleswig-holsteinischen Kunstbestrebungen. Wenn von solchen überhaupt die Rede sein kann, so beschränken sie sich fast
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kennt und verehrt ihn weiter, als die Grenzen Deutschlands reichen.
Er hat einst dem altersschwachen Rationalismus mit jugendlicher
Kraft den Todesstoß gegeben, und daS Alter hat weder diese Kraft,
noch den Geist, mit welchem er sie anzuwenden weiß, zu lahmen ver¬
mocht. Er gehört freilich nicht zur höchsten geistlichen Behörde un¬
seres Landes, vielleicht eben wegen seiner Energie, aber als das Haupt
der Geistlichkeit kann man ihn wohl sonst in jeder Rücksicht bezeich,
nen, und eS möchte diese kein anderes Vorbild aufstellen können,
welches diesem Manne an feuriger, erbauender und zugleich geistvol¬
ler Beredsamkeit gleich käme. Daß ihm, dem streng Orthodoxen als
solchem, gar Viele abhold sind, ist natürlich; daß man ihn aber auch
als einen intoleranten Frömmler, als einen jener kurzsichtigen und
einseitigen Pietisten, deren es allerdings genug gibt, verschreit, ist
geradezu einfältig. Freilich kann ein ganz entschiedener Charakter und
ein festgewurzelter Glaube unmöglich jede beliebige Meinung, die ihm
entgegengesetzt wird, ertragen, aber eine Toleranz, die das vermag,
ist gewiß Nichts, als Indifferenz und Charakterschwäche, und selbst
diejenigen, welche sie für Glaubenssachen prätendiren, pflegen sie eben
so entschieden in der Politik zu verachten.
Von der Literatur ist nicht viel zu sagen; sie ist besonders
thätig hinsichtlich der speziellen Landesangelegenheiten, aber die¬
ses Thema wird jetzt fast ausschließlich von den vielen in den Her-
zogthümern erscheinenden Wochenblättern, welche fast sämmtlich in der
letzten Zeit einen bedeutenden Aufschwung genommen haben und sich
zum Theil eines ehrenvollen Rufes erfreuen, behandelt, indem sie
die hier sonst ziemlich reiche Brvschürenliteratur überflüssig machen.
Unter diesen periodischen Blättern behauptete in Kiel früher das
Correspondenzblatt, welches sich als ein politisches den libe¬
ralen Bewegungen seit der Julirevolution voranstellte, einen ent¬
schiedenen Vorrang, aber seitdem es der sogenannten Neuhvlfleini-
schen Theorie huldigt, hat es einen großen Theil seines Einflusses
verloren, und die neu erstandenen Neuen Kieler Blätter, ob¬
gleich von Schleswig-Holsteinern redigirt, vermögen dem Kieler Jour¬
nalismus, da ihr politischer Standpunkt unklar und zu wenig ent-
schieden ist, das Uebergewicht nicht wieder zu verschaffen. — Anders
steht es mit den Schleswig-holsteinischen Kunstbestrebungen. Wenn
von solchen überhaupt die Rede sein kann, so beschränken sie sich fast
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/313>, abgerufen am 22.12.2024.
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