Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

Dänemark) noch einen interessanteren Anziehungspunkt findet. Kiel
ist aber auch eine Universitätsstadt; und dadurch aufs Engste
an das übrige Deutschland geknüpft, findet es eben darin seine
festeste Garantie für deutsche Gesinnung und Entfremdung von jedem
einseitigen Provinzialgeist. Die Universität Kiels mag für die deutsche
Wissenschaft den Gelehrten mehr oder weniger unerheblich scheinen,
für die Herzogthümer Schleswig und Holstein ist sie von der höch¬
sten Wichtigkeit gewesen, sogar in politischer Hinsicht, indem sie, trotz
allen Andringens der Dänen, der geistigen Entwicklung des Landes
ein entschieden deutsches Gepräge ausdrückte. Doch ist dies nicht die
einzige polnische Wirkung der Universität geblieben. Freilich kann
man nicht sagen, daß das Streben eines Volkes nach freisinnigen
Institutionen eine Universität brauche, um hervorgerufen zu werden,
vielmehr liegt ein solches Streben in der fortschreitenden Entwicklung
eines Volkes von selbst begründet, und nicht mit Unrecht hat man
es der deutschen Gelehrsamkeit oft genug nicht zu ihrem Ruhme nach¬
gesagt, daß sie die höchsten praktischen Fragen des Lebens nicht ge¬
hörig zu beantworten wisse; aber unsere Universität hat, besonders
seit den Freiheitskriegen sich stets auf eine höchst freisinnige und wirk¬
same Weise bei den politischen Bewegungen unseres Landes bethei¬
ligt, und in ihr kann noch immer der Schleswig-Holsteiniömus eine
seiner Hauptstützen und Beförderer sehen. Von der Universität hat
dieser ganz besonders und zunächst sein Gepräge erhalten, obgleich es
selbst in ihrer Mitte nicht an Antagonisten fehlt, und sogar zwei
Professoren, der Eine Däne von Geburt, der Andere Däne aus
freier Wahl, in ihrem Bestreben nicht ermüden, wenigstens die
Nordschleswiger zu Dänen zu machen. Aber auch für die dritte po¬
litische Partei in unserem Lande, die sogenannte Neuholsteinische,
ist Kiel Geburtsort und Heimath, indem sein wichtigstes politisches
Journal, das Corresp ondenzblatt, sie gebildet hat und noch
fortwährend vertritt.

Doch wenn ich gesagt habe, daß in Kiel alle Interessen deS
Landes ihren Centralpunkt finden, so habe ich wenigstens noch Eins
vergessen, das Christenthum. Und hier brauche ich nur einen
Namen zu nennen, wodurch allein, auch ganz abgesehen von der hie¬
sigen theologischen Facultät, mein Ausspruch bewahrheitet wird. Harms
ist nicht blos eine Berühmtheit in Schleswig und Holstein, man


Dänemark) noch einen interessanteren Anziehungspunkt findet. Kiel
ist aber auch eine Universitätsstadt; und dadurch aufs Engste
an das übrige Deutschland geknüpft, findet es eben darin seine
festeste Garantie für deutsche Gesinnung und Entfremdung von jedem
einseitigen Provinzialgeist. Die Universität Kiels mag für die deutsche
Wissenschaft den Gelehrten mehr oder weniger unerheblich scheinen,
für die Herzogthümer Schleswig und Holstein ist sie von der höch¬
sten Wichtigkeit gewesen, sogar in politischer Hinsicht, indem sie, trotz
allen Andringens der Dänen, der geistigen Entwicklung des Landes
ein entschieden deutsches Gepräge ausdrückte. Doch ist dies nicht die
einzige polnische Wirkung der Universität geblieben. Freilich kann
man nicht sagen, daß das Streben eines Volkes nach freisinnigen
Institutionen eine Universität brauche, um hervorgerufen zu werden,
vielmehr liegt ein solches Streben in der fortschreitenden Entwicklung
eines Volkes von selbst begründet, und nicht mit Unrecht hat man
es der deutschen Gelehrsamkeit oft genug nicht zu ihrem Ruhme nach¬
gesagt, daß sie die höchsten praktischen Fragen des Lebens nicht ge¬
hörig zu beantworten wisse; aber unsere Universität hat, besonders
seit den Freiheitskriegen sich stets auf eine höchst freisinnige und wirk¬
same Weise bei den politischen Bewegungen unseres Landes bethei¬
ligt, und in ihr kann noch immer der Schleswig-Holsteiniömus eine
seiner Hauptstützen und Beförderer sehen. Von der Universität hat
dieser ganz besonders und zunächst sein Gepräge erhalten, obgleich es
selbst in ihrer Mitte nicht an Antagonisten fehlt, und sogar zwei
Professoren, der Eine Däne von Geburt, der Andere Däne aus
freier Wahl, in ihrem Bestreben nicht ermüden, wenigstens die
Nordschleswiger zu Dänen zu machen. Aber auch für die dritte po¬
litische Partei in unserem Lande, die sogenannte Neuholsteinische,
ist Kiel Geburtsort und Heimath, indem sein wichtigstes politisches
Journal, das Corresp ondenzblatt, sie gebildet hat und noch
fortwährend vertritt.

Doch wenn ich gesagt habe, daß in Kiel alle Interessen deS
Landes ihren Centralpunkt finden, so habe ich wenigstens noch Eins
vergessen, das Christenthum. Und hier brauche ich nur einen
Namen zu nennen, wodurch allein, auch ganz abgesehen von der hie¬
sigen theologischen Facultät, mein Ausspruch bewahrheitet wird. Harms
ist nicht blos eine Berühmtheit in Schleswig und Holstein, man


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0312" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180025"/>
          <p xml:id="ID_795" prev="#ID_794"> Dänemark) noch einen interessanteren Anziehungspunkt findet. Kiel<lb/>
ist aber auch eine Universitätsstadt; und dadurch aufs Engste<lb/>
an das übrige Deutschland geknüpft, findet es eben darin seine<lb/>
festeste Garantie für deutsche Gesinnung und Entfremdung von jedem<lb/>
einseitigen Provinzialgeist. Die Universität Kiels mag für die deutsche<lb/>
Wissenschaft den Gelehrten mehr oder weniger unerheblich scheinen,<lb/>
für die Herzogthümer Schleswig und Holstein ist sie von der höch¬<lb/>
sten Wichtigkeit gewesen, sogar in politischer Hinsicht, indem sie, trotz<lb/>
allen Andringens der Dänen, der geistigen Entwicklung des Landes<lb/>
ein entschieden deutsches Gepräge ausdrückte. Doch ist dies nicht die<lb/>
einzige polnische Wirkung der Universität geblieben. Freilich kann<lb/>
man nicht sagen, daß das Streben eines Volkes nach freisinnigen<lb/>
Institutionen eine Universität brauche, um hervorgerufen zu werden,<lb/>
vielmehr liegt ein solches Streben in der fortschreitenden Entwicklung<lb/>
eines Volkes von selbst begründet, und nicht mit Unrecht hat man<lb/>
es der deutschen Gelehrsamkeit oft genug nicht zu ihrem Ruhme nach¬<lb/>
gesagt, daß sie die höchsten praktischen Fragen des Lebens nicht ge¬<lb/>
hörig zu beantworten wisse; aber unsere Universität hat, besonders<lb/>
seit den Freiheitskriegen sich stets auf eine höchst freisinnige und wirk¬<lb/>
same Weise bei den politischen Bewegungen unseres Landes bethei¬<lb/>
ligt, und in ihr kann noch immer der Schleswig-Holsteiniömus eine<lb/>
seiner Hauptstützen und Beförderer sehen. Von der Universität hat<lb/>
dieser ganz besonders und zunächst sein Gepräge erhalten, obgleich es<lb/>
selbst in ihrer Mitte nicht an Antagonisten fehlt, und sogar zwei<lb/>
Professoren, der Eine Däne von Geburt, der Andere Däne aus<lb/>
freier Wahl, in ihrem Bestreben nicht ermüden, wenigstens die<lb/>
Nordschleswiger zu Dänen zu machen. Aber auch für die dritte po¬<lb/>
litische Partei in unserem Lande, die sogenannte Neuholsteinische,<lb/>
ist Kiel Geburtsort und Heimath, indem sein wichtigstes politisches<lb/>
Journal, das Corresp ondenzblatt, sie gebildet hat und noch<lb/>
fortwährend vertritt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_796" next="#ID_797"> Doch wenn ich gesagt habe, daß in Kiel alle Interessen deS<lb/>
Landes ihren Centralpunkt finden, so habe ich wenigstens noch Eins<lb/>
vergessen, das Christenthum. Und hier brauche ich nur einen<lb/>
Namen zu nennen, wodurch allein, auch ganz abgesehen von der hie¬<lb/>
sigen theologischen Facultät, mein Ausspruch bewahrheitet wird. Harms<lb/>
ist nicht blos eine Berühmtheit in Schleswig und Holstein, man</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0312] Dänemark) noch einen interessanteren Anziehungspunkt findet. Kiel ist aber auch eine Universitätsstadt; und dadurch aufs Engste an das übrige Deutschland geknüpft, findet es eben darin seine festeste Garantie für deutsche Gesinnung und Entfremdung von jedem einseitigen Provinzialgeist. Die Universität Kiels mag für die deutsche Wissenschaft den Gelehrten mehr oder weniger unerheblich scheinen, für die Herzogthümer Schleswig und Holstein ist sie von der höch¬ sten Wichtigkeit gewesen, sogar in politischer Hinsicht, indem sie, trotz allen Andringens der Dänen, der geistigen Entwicklung des Landes ein entschieden deutsches Gepräge ausdrückte. Doch ist dies nicht die einzige polnische Wirkung der Universität geblieben. Freilich kann man nicht sagen, daß das Streben eines Volkes nach freisinnigen Institutionen eine Universität brauche, um hervorgerufen zu werden, vielmehr liegt ein solches Streben in der fortschreitenden Entwicklung eines Volkes von selbst begründet, und nicht mit Unrecht hat man es der deutschen Gelehrsamkeit oft genug nicht zu ihrem Ruhme nach¬ gesagt, daß sie die höchsten praktischen Fragen des Lebens nicht ge¬ hörig zu beantworten wisse; aber unsere Universität hat, besonders seit den Freiheitskriegen sich stets auf eine höchst freisinnige und wirk¬ same Weise bei den politischen Bewegungen unseres Landes bethei¬ ligt, und in ihr kann noch immer der Schleswig-Holsteiniömus eine seiner Hauptstützen und Beförderer sehen. Von der Universität hat dieser ganz besonders und zunächst sein Gepräge erhalten, obgleich es selbst in ihrer Mitte nicht an Antagonisten fehlt, und sogar zwei Professoren, der Eine Däne von Geburt, der Andere Däne aus freier Wahl, in ihrem Bestreben nicht ermüden, wenigstens die Nordschleswiger zu Dänen zu machen. Aber auch für die dritte po¬ litische Partei in unserem Lande, die sogenannte Neuholsteinische, ist Kiel Geburtsort und Heimath, indem sein wichtigstes politisches Journal, das Corresp ondenzblatt, sie gebildet hat und noch fortwährend vertritt. Doch wenn ich gesagt habe, daß in Kiel alle Interessen deS Landes ihren Centralpunkt finden, so habe ich wenigstens noch Eins vergessen, das Christenthum. Und hier brauche ich nur einen Namen zu nennen, wodurch allein, auch ganz abgesehen von der hie¬ sigen theologischen Facultät, mein Ausspruch bewahrheitet wird. Harms ist nicht blos eine Berühmtheit in Schleswig und Holstein, man

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/312
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/312>, abgerufen am 23.12.2024.