Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

möglich, wie in anderen Ländern, durch Besitz einiger wenigen wich-
tigen Operations-Objecte die Mittel zu finden, den Knoten zu allen
Fäden politischer Verwaltung und militärischer Bewegringen in Hän¬
den zu haben, wodurch man sich anderswo den Besitz eines Landes
sichert und es, wie man sich militärisch auszudrücken pflegt, occupirt.
Die Franzosen hatten Andalusien und Castilien besetzt, während in
Arragon und Navarra die Jnsurrection sogar die Gränzen Frank¬
reichs beunruhigte und selbst im Rücken der französischen Heere sich
entfaltete.

Deshalb ist auch dieses Land, im Widerstand unbesiegbar, im
Angriff ohnmächtig. Es ist die Schlange, welche, zehnfach zerstückt,
in jedem Stücke fortlebt. Ist man auch Herr der ganzen Halbinsel,
so dürfte dies die Unterwerfung einer einzelnen Provinz noch keines¬
wegs unbedingt mit sich bringen, -- man muß eine jede derselbe"
und in der Provinz wieder jede einzelne Stadt oder Flecken bezwin¬
gen, jede Gemeinde wird dann noch einzeln ihre eigenthümliche Mei¬
nung verfechten, und so wird man bis auf die Familie, bis auf das
einzelne Individuum sein Augenmerk richten müssen, denn ist endlich
auch Provinz, Stadt, Dorf und Haus erobert, ,o protestirt, die Flinte
in der Hand und die Navaja im Gürtel, jeder Einzelne hinter dem
nächsten besten Busche noch gegen die aufgedrungene Gewalt. Des¬
halb, hätte Don Carlos auch Madrid wirklich erreicht, so wäre des¬
sen Besitznahme weit wichtiger durch den Eindruck, welchen sie im
Auslande gemacht, und durch die daraus entstehenden Konsequenzen ge¬
wesen, als durch die unmittelbare Wirkung, welche ein solches Ereigniß
in Spanien selbst hervorgebracht hätte, wo Cadir, Saragossa, Bar-
celona, Valencia keineswegs von dem Schicksale und dem Beispiele
Madrids, welches weit mehr Residenz als Hauptstadt ist, abhängen.

Demnach, als Don Carlos in den Provinzen erschien, gruppir¬
ren sich um seine Fahnen in ganz Spanien nicht allein die reinen
Anhänger der Legitimität, sondern auch alle Verfechter der alten spa¬
nischen, nationalen Volksthümlichkeit, alle Gegner -- und dies bezeichnet
in Spanien keine geringe numerische Anzahl, -- fremder eingeführt
ter Sitten und Gesetze. In den Provinzen, in Arragon, in Catalo-
nien, in Andalusien, in Valencia, vereinigten sich unter demselben
Banner sehr verschiedenartige, ja widersprechende Elemente, welche
aber weit weniger durch eine gemeinsame Anhänglichkeit für die


möglich, wie in anderen Ländern, durch Besitz einiger wenigen wich-
tigen Operations-Objecte die Mittel zu finden, den Knoten zu allen
Fäden politischer Verwaltung und militärischer Bewegringen in Hän¬
den zu haben, wodurch man sich anderswo den Besitz eines Landes
sichert und es, wie man sich militärisch auszudrücken pflegt, occupirt.
Die Franzosen hatten Andalusien und Castilien besetzt, während in
Arragon und Navarra die Jnsurrection sogar die Gränzen Frank¬
reichs beunruhigte und selbst im Rücken der französischen Heere sich
entfaltete.

Deshalb ist auch dieses Land, im Widerstand unbesiegbar, im
Angriff ohnmächtig. Es ist die Schlange, welche, zehnfach zerstückt,
in jedem Stücke fortlebt. Ist man auch Herr der ganzen Halbinsel,
so dürfte dies die Unterwerfung einer einzelnen Provinz noch keines¬
wegs unbedingt mit sich bringen, — man muß eine jede derselbe»
und in der Provinz wieder jede einzelne Stadt oder Flecken bezwin¬
gen, jede Gemeinde wird dann noch einzeln ihre eigenthümliche Mei¬
nung verfechten, und so wird man bis auf die Familie, bis auf das
einzelne Individuum sein Augenmerk richten müssen, denn ist endlich
auch Provinz, Stadt, Dorf und Haus erobert, ,o protestirt, die Flinte
in der Hand und die Navaja im Gürtel, jeder Einzelne hinter dem
nächsten besten Busche noch gegen die aufgedrungene Gewalt. Des¬
halb, hätte Don Carlos auch Madrid wirklich erreicht, so wäre des¬
sen Besitznahme weit wichtiger durch den Eindruck, welchen sie im
Auslande gemacht, und durch die daraus entstehenden Konsequenzen ge¬
wesen, als durch die unmittelbare Wirkung, welche ein solches Ereigniß
in Spanien selbst hervorgebracht hätte, wo Cadir, Saragossa, Bar-
celona, Valencia keineswegs von dem Schicksale und dem Beispiele
Madrids, welches weit mehr Residenz als Hauptstadt ist, abhängen.

Demnach, als Don Carlos in den Provinzen erschien, gruppir¬
ren sich um seine Fahnen in ganz Spanien nicht allein die reinen
Anhänger der Legitimität, sondern auch alle Verfechter der alten spa¬
nischen, nationalen Volksthümlichkeit, alle Gegner — und dies bezeichnet
in Spanien keine geringe numerische Anzahl, — fremder eingeführt
ter Sitten und Gesetze. In den Provinzen, in Arragon, in Catalo-
nien, in Andalusien, in Valencia, vereinigten sich unter demselben
Banner sehr verschiedenartige, ja widersprechende Elemente, welche
aber weit weniger durch eine gemeinsame Anhänglichkeit für die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180021"/>
          <p xml:id="ID_784" prev="#ID_783"> möglich, wie in anderen Ländern, durch Besitz einiger wenigen wich-<lb/>
tigen Operations-Objecte die Mittel zu finden, den Knoten zu allen<lb/>
Fäden politischer Verwaltung und militärischer Bewegringen in Hän¬<lb/>
den zu haben, wodurch man sich anderswo den Besitz eines Landes<lb/>
sichert und es, wie man sich militärisch auszudrücken pflegt, occupirt.<lb/>
Die Franzosen hatten Andalusien und Castilien besetzt, während in<lb/>
Arragon und Navarra die Jnsurrection sogar die Gränzen Frank¬<lb/>
reichs beunruhigte und selbst im Rücken der französischen Heere sich<lb/>
entfaltete.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_785"> Deshalb ist auch dieses Land, im Widerstand unbesiegbar, im<lb/>
Angriff ohnmächtig. Es ist die Schlange, welche, zehnfach zerstückt,<lb/>
in jedem Stücke fortlebt. Ist man auch Herr der ganzen Halbinsel,<lb/>
so dürfte dies die Unterwerfung einer einzelnen Provinz noch keines¬<lb/>
wegs unbedingt mit sich bringen, &#x2014; man muß eine jede derselbe»<lb/>
und in der Provinz wieder jede einzelne Stadt oder Flecken bezwin¬<lb/>
gen, jede Gemeinde wird dann noch einzeln ihre eigenthümliche Mei¬<lb/>
nung verfechten, und so wird man bis auf die Familie, bis auf das<lb/>
einzelne Individuum sein Augenmerk richten müssen, denn ist endlich<lb/>
auch Provinz, Stadt, Dorf und Haus erobert, ,o protestirt, die Flinte<lb/>
in der Hand und die Navaja im Gürtel, jeder Einzelne hinter dem<lb/>
nächsten besten Busche noch gegen die aufgedrungene Gewalt. Des¬<lb/>
halb, hätte Don Carlos auch Madrid wirklich erreicht, so wäre des¬<lb/>
sen Besitznahme weit wichtiger durch den Eindruck, welchen sie im<lb/>
Auslande gemacht, und durch die daraus entstehenden Konsequenzen ge¬<lb/>
wesen, als durch die unmittelbare Wirkung, welche ein solches Ereigniß<lb/>
in Spanien selbst hervorgebracht hätte, wo Cadir, Saragossa, Bar-<lb/>
celona, Valencia keineswegs von dem Schicksale und dem Beispiele<lb/>
Madrids, welches weit mehr Residenz als Hauptstadt ist, abhängen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_786" next="#ID_787"> Demnach, als Don Carlos in den Provinzen erschien, gruppir¬<lb/>
ren sich um seine Fahnen in ganz Spanien nicht allein die reinen<lb/>
Anhänger der Legitimität, sondern auch alle Verfechter der alten spa¬<lb/>
nischen, nationalen Volksthümlichkeit, alle Gegner &#x2014; und dies bezeichnet<lb/>
in Spanien keine geringe numerische Anzahl, &#x2014; fremder eingeführt<lb/>
ter Sitten und Gesetze. In den Provinzen, in Arragon, in Catalo-<lb/>
nien, in Andalusien, in Valencia, vereinigten sich unter demselben<lb/>
Banner sehr verschiedenartige, ja widersprechende Elemente, welche<lb/>
aber weit weniger durch eine gemeinsame Anhänglichkeit für die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0307] möglich, wie in anderen Ländern, durch Besitz einiger wenigen wich- tigen Operations-Objecte die Mittel zu finden, den Knoten zu allen Fäden politischer Verwaltung und militärischer Bewegringen in Hän¬ den zu haben, wodurch man sich anderswo den Besitz eines Landes sichert und es, wie man sich militärisch auszudrücken pflegt, occupirt. Die Franzosen hatten Andalusien und Castilien besetzt, während in Arragon und Navarra die Jnsurrection sogar die Gränzen Frank¬ reichs beunruhigte und selbst im Rücken der französischen Heere sich entfaltete. Deshalb ist auch dieses Land, im Widerstand unbesiegbar, im Angriff ohnmächtig. Es ist die Schlange, welche, zehnfach zerstückt, in jedem Stücke fortlebt. Ist man auch Herr der ganzen Halbinsel, so dürfte dies die Unterwerfung einer einzelnen Provinz noch keines¬ wegs unbedingt mit sich bringen, — man muß eine jede derselbe» und in der Provinz wieder jede einzelne Stadt oder Flecken bezwin¬ gen, jede Gemeinde wird dann noch einzeln ihre eigenthümliche Mei¬ nung verfechten, und so wird man bis auf die Familie, bis auf das einzelne Individuum sein Augenmerk richten müssen, denn ist endlich auch Provinz, Stadt, Dorf und Haus erobert, ,o protestirt, die Flinte in der Hand und die Navaja im Gürtel, jeder Einzelne hinter dem nächsten besten Busche noch gegen die aufgedrungene Gewalt. Des¬ halb, hätte Don Carlos auch Madrid wirklich erreicht, so wäre des¬ sen Besitznahme weit wichtiger durch den Eindruck, welchen sie im Auslande gemacht, und durch die daraus entstehenden Konsequenzen ge¬ wesen, als durch die unmittelbare Wirkung, welche ein solches Ereigniß in Spanien selbst hervorgebracht hätte, wo Cadir, Saragossa, Bar- celona, Valencia keineswegs von dem Schicksale und dem Beispiele Madrids, welches weit mehr Residenz als Hauptstadt ist, abhängen. Demnach, als Don Carlos in den Provinzen erschien, gruppir¬ ren sich um seine Fahnen in ganz Spanien nicht allein die reinen Anhänger der Legitimität, sondern auch alle Verfechter der alten spa¬ nischen, nationalen Volksthümlichkeit, alle Gegner — und dies bezeichnet in Spanien keine geringe numerische Anzahl, — fremder eingeführt ter Sitten und Gesetze. In den Provinzen, in Arragon, in Catalo- nien, in Andalusien, in Valencia, vereinigten sich unter demselben Banner sehr verschiedenartige, ja widersprechende Elemente, welche aber weit weniger durch eine gemeinsame Anhänglichkeit für die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/307
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/307>, abgerufen am 23.12.2024.