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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Sache des Don Carlos, als durch einen gemeinsamen Haß gegen
die sogenannte Constitution vereinigt wurden.

Kein Land hat vielleicht in seinem Staats-Organismus der
MunicipalitätS-Verfassung einen größeren Spielraum gelassen, als
dies ehemals in Spanien der Fall war. Es bedürfte der Niesenfaust
eines .Nmenes, der Macht eines Karl V. und der Konsequenz seiner
Nachfolger, um diese National-Repräsentation wenigstens in der Form
zu zerstören. Vielleicht straft die Vorsehung die spanischen Könige
jetzt für den damals verübten Mißbrauch der Gewalt der Krone,
indem man das, was damals zerstört wurde, durch neue Aftergebilde
mühsam zu ersetzen sucht, und die Legitimität in den Trümmern der
MunicipalitätS-Verfassung, welche sie damals nicht zu vernichten ver¬
mochte, nämlich in den baskischen Fueros, in dem Provinzialgeist von
Catalonien und Arragon, die Elemente suchte, bei welchen sie ein
Asyl fand. Sonderbar, daß in Frankreich beinahe dasselbe Phäno-
men stattfand und während der Revolution gerade der Westen,
welcher seit Cardinal Richelieu bis zu Ludwig XV. am starrsinnig¬
sten sich dem Mißbräuche der königlichen Gewalt widersetzt hatte,
hinwieder am beharrlichsten die Rechte der Krone vertheidigte und
die Anhänglichkeit an die Dynastie mit seinem Blute besiegelte.

Dein Cardinal Richelieu, Ludwig XIV. und seinen Nachfolgern
war aber die Aufgabe der Centralisation weit umfassender gelungen
als den spanischen Königen. Die baskischen Provinzen hatten ihre
Privilegien und Municipalitäts-Verfassungen unangefochten erhalten,
-- Catalonien lind Arragon erinnerten sich an ihre ehemalige Un¬
abhängigkeit, -- kurz als die französische Dynastie nach dem blutigen
Successionskriege ihren Lilien-verbrämten Mantel über das Land aus¬
breitete, lebte unvermerkt das alte, mittelalterliche Spanien unter des¬
sen Schatten fort; wenn auch Madrid an dem Hofe von Versail¬
les seine Musterbilder suchte, so blieb desto unversehrter der Natio¬
nalcharakter in jeder Function des Staatslebens, wohin nicht die
unmittelbare Einwirkung der Negierung gelangte, und dies geschah
oft, da der Arm derselben nicht sehr stark und ihr Auge nicht über¬
aus hellsichtig war. Der -ü,"<>I>ito mochte wohl gegen den Hof,
die Granden, den Adel und die Einwohner der Residenz in dem
Verhältnisse eines orientalischen Despoten stehen, - so waren aber
seine Launen nie drückend für die entfernteren Landstriche, wo jeder


Sache des Don Carlos, als durch einen gemeinsamen Haß gegen
die sogenannte Constitution vereinigt wurden.

Kein Land hat vielleicht in seinem Staats-Organismus der
MunicipalitätS-Verfassung einen größeren Spielraum gelassen, als
dies ehemals in Spanien der Fall war. Es bedürfte der Niesenfaust
eines .Nmenes, der Macht eines Karl V. und der Konsequenz seiner
Nachfolger, um diese National-Repräsentation wenigstens in der Form
zu zerstören. Vielleicht straft die Vorsehung die spanischen Könige
jetzt für den damals verübten Mißbrauch der Gewalt der Krone,
indem man das, was damals zerstört wurde, durch neue Aftergebilde
mühsam zu ersetzen sucht, und die Legitimität in den Trümmern der
MunicipalitätS-Verfassung, welche sie damals nicht zu vernichten ver¬
mochte, nämlich in den baskischen Fueros, in dem Provinzialgeist von
Catalonien und Arragon, die Elemente suchte, bei welchen sie ein
Asyl fand. Sonderbar, daß in Frankreich beinahe dasselbe Phäno-
men stattfand und während der Revolution gerade der Westen,
welcher seit Cardinal Richelieu bis zu Ludwig XV. am starrsinnig¬
sten sich dem Mißbräuche der königlichen Gewalt widersetzt hatte,
hinwieder am beharrlichsten die Rechte der Krone vertheidigte und
die Anhänglichkeit an die Dynastie mit seinem Blute besiegelte.

Dein Cardinal Richelieu, Ludwig XIV. und seinen Nachfolgern
war aber die Aufgabe der Centralisation weit umfassender gelungen
als den spanischen Königen. Die baskischen Provinzen hatten ihre
Privilegien und Municipalitäts-Verfassungen unangefochten erhalten,
— Catalonien lind Arragon erinnerten sich an ihre ehemalige Un¬
abhängigkeit, — kurz als die französische Dynastie nach dem blutigen
Successionskriege ihren Lilien-verbrämten Mantel über das Land aus¬
breitete, lebte unvermerkt das alte, mittelalterliche Spanien unter des¬
sen Schatten fort; wenn auch Madrid an dem Hofe von Versail¬
les seine Musterbilder suchte, so blieb desto unversehrter der Natio¬
nalcharakter in jeder Function des Staatslebens, wohin nicht die
unmittelbare Einwirkung der Negierung gelangte, und dies geschah
oft, da der Arm derselben nicht sehr stark und ihr Auge nicht über¬
aus hellsichtig war. Der -ü,«<>I>ito mochte wohl gegen den Hof,
die Granden, den Adel und die Einwohner der Residenz in dem
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seine Launen nie drückend für die entfernteren Landstriche, wo jeder


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[0308] Sache des Don Carlos, als durch einen gemeinsamen Haß gegen die sogenannte Constitution vereinigt wurden. Kein Land hat vielleicht in seinem Staats-Organismus der MunicipalitätS-Verfassung einen größeren Spielraum gelassen, als dies ehemals in Spanien der Fall war. Es bedürfte der Niesenfaust eines .Nmenes, der Macht eines Karl V. und der Konsequenz seiner Nachfolger, um diese National-Repräsentation wenigstens in der Form zu zerstören. Vielleicht straft die Vorsehung die spanischen Könige jetzt für den damals verübten Mißbrauch der Gewalt der Krone, indem man das, was damals zerstört wurde, durch neue Aftergebilde mühsam zu ersetzen sucht, und die Legitimität in den Trümmern der MunicipalitätS-Verfassung, welche sie damals nicht zu vernichten ver¬ mochte, nämlich in den baskischen Fueros, in dem Provinzialgeist von Catalonien und Arragon, die Elemente suchte, bei welchen sie ein Asyl fand. Sonderbar, daß in Frankreich beinahe dasselbe Phäno- men stattfand und während der Revolution gerade der Westen, welcher seit Cardinal Richelieu bis zu Ludwig XV. am starrsinnig¬ sten sich dem Mißbräuche der königlichen Gewalt widersetzt hatte, hinwieder am beharrlichsten die Rechte der Krone vertheidigte und die Anhänglichkeit an die Dynastie mit seinem Blute besiegelte. Dein Cardinal Richelieu, Ludwig XIV. und seinen Nachfolgern war aber die Aufgabe der Centralisation weit umfassender gelungen als den spanischen Königen. Die baskischen Provinzen hatten ihre Privilegien und Municipalitäts-Verfassungen unangefochten erhalten, — Catalonien lind Arragon erinnerten sich an ihre ehemalige Un¬ abhängigkeit, — kurz als die französische Dynastie nach dem blutigen Successionskriege ihren Lilien-verbrämten Mantel über das Land aus¬ breitete, lebte unvermerkt das alte, mittelalterliche Spanien unter des¬ sen Schatten fort; wenn auch Madrid an dem Hofe von Versail¬ les seine Musterbilder suchte, so blieb desto unversehrter der Natio¬ nalcharakter in jeder Function des Staatslebens, wohin nicht die unmittelbare Einwirkung der Negierung gelangte, und dies geschah oft, da der Arm derselben nicht sehr stark und ihr Auge nicht über¬ aus hellsichtig war. Der -ü,«<>I>ito mochte wohl gegen den Hof, die Granden, den Adel und die Einwohner der Residenz in dem Verhältnisse eines orientalischen Despoten stehen, - so waren aber seine Launen nie drückend für die entfernteren Landstriche, wo jeder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/308>, abgerufen am 26.06.2024.