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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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und Flammen versetzte, soll im Wesentliche" unverändert nächstens
veröffentlicht werden; ebenso das neue, Jndengcsetz, welches die jü¬
dischen Unterthanen Preußens als eine Innung auffaßt. -- Her-
wegh'ö Gedichte haben so verletzt, daß auf den Lebendigen
gefahndet werden soll, wann und wo er sich auf preußischem Boden
betreten lassen sollte, waS er gewiß bleiben lassen wird. So meldet
die "Mannheimer "Abendzeitung". Bis jetzt ist diese Nachricht noch
nicht widerrufen oder berichtigt. -- Die Zeitungen haben letzthin viel
von einem Verein für Emancipation der Juden gesprochen, der,
auf Anregung des ">- Freund in Berlin von Christen und Juden ge¬
stiftet, Leipzig zum Centrum seiner Wirksamkeit machen wolle. Den
erste" Nachrichten wurde lheils geradezu widersprochen, theils wurden sie
dahin berichtigt, der Plan sei noch nicht reif und überhaupt noch nicht
entschieden, ob er rcalisirbar sei. Auch französische Blätter meldeten
das Gerücht. Jedenfalls wäre der Verein ein so schönes und erfreu-
liches Zeichen der Zeit, daß man wünschen muß, die Nachricht bestä¬
tigt zu sehen. So viel wir gehört haben, betrachtet der Verein die
Emancipation der Jude" nickt als eine blos jüdische, sondern als eine deut¬
sche Nationalsache. Diese Auffassung ist nicht nur in" Sinne der vcr-
söhnentstcn, religiösen Menschlichkeit, sondern sie steht anch politisch auf
dem einzig richtigen Standpunkte. Man kann nicht von allen Ge¬
bildeten, nicht einmal von manchen Liberalen verlangen, daß sie so.
human sein sollen, um aus eigenem Antriebe sich um das Schicksal
ihrer jüdischen Landsleute zu kümmern. Diese Praktiker pflegen mit
wenig Wiv und viel Behagen zu bemerken: "die Juden werden sich
schon selbst emancipircnals ob die Anregung zu einem solchen Ver-
rein nicht eben anch ein Versuch der Juden wäre, "sich selbst^ zu eman-
cipiren. Welche unmittelbare Macht haben denn die Juden, um für
sich zu wirken? solle" sie ihre Emancipation decretiren? Es ist ge¬
rade, als ob eine Regierung auf eine Petition um Preßfreiheit ant¬
wortete: "die Presse wird sich schon selbst befreien." Der Indolenz
dieser Partei wäre aber durch die Tendenz des angeregten Vereins im
Voraus begegnet. Der Verein scheint nämlich anzuerkennen -- Was
man längst hätte einsehen sollen-- daß der Nation selbst daran gelegen
sein muß, die Juden zu emancipiren. Sind die Juden wirklich, wie
ihre Gegner fortwährend betheuern, ein so gemeinschädliches, gefährli¬
che" oder gar bösartiges Element, so glaube man doch nicht, daß dies
Element durch Druck, Beschränkung und Kränkung minder schädlich
und krankhaft werde. Der Verein wollte sich, wie es hieß, nicht
etwa blos mit äußerlichen juristischen Bemühungen zu Gunsten der
Juden beschäftigen, sondern vorzugsweise mit Berathung der Mittel,
"in dle der Emancipation im Wege stehenden socialen Uebelstände zu
hebe" , nothwendige Reformen des jüdischen Cultus vorzuschlagen, Auf>
schlüssa und authentische Darstellungen der jüdische" Zustände in den


und Flammen versetzte, soll im Wesentliche» unverändert nächstens
veröffentlicht werden; ebenso das neue, Jndengcsetz, welches die jü¬
dischen Unterthanen Preußens als eine Innung auffaßt. — Her-
wegh'ö Gedichte haben so verletzt, daß auf den Lebendigen
gefahndet werden soll, wann und wo er sich auf preußischem Boden
betreten lassen sollte, waS er gewiß bleiben lassen wird. So meldet
die „Mannheimer »Abendzeitung". Bis jetzt ist diese Nachricht noch
nicht widerrufen oder berichtigt. — Die Zeitungen haben letzthin viel
von einem Verein für Emancipation der Juden gesprochen, der,
auf Anregung des »>- Freund in Berlin von Christen und Juden ge¬
stiftet, Leipzig zum Centrum seiner Wirksamkeit machen wolle. Den
erste» Nachrichten wurde lheils geradezu widersprochen, theils wurden sie
dahin berichtigt, der Plan sei noch nicht reif und überhaupt noch nicht
entschieden, ob er rcalisirbar sei. Auch französische Blätter meldeten
das Gerücht. Jedenfalls wäre der Verein ein so schönes und erfreu-
liches Zeichen der Zeit, daß man wünschen muß, die Nachricht bestä¬
tigt zu sehen. So viel wir gehört haben, betrachtet der Verein die
Emancipation der Jude» nickt als eine blos jüdische, sondern als eine deut¬
sche Nationalsache. Diese Auffassung ist nicht nur in» Sinne der vcr-
söhnentstcn, religiösen Menschlichkeit, sondern sie steht anch politisch auf
dem einzig richtigen Standpunkte. Man kann nicht von allen Ge¬
bildeten, nicht einmal von manchen Liberalen verlangen, daß sie so.
human sein sollen, um aus eigenem Antriebe sich um das Schicksal
ihrer jüdischen Landsleute zu kümmern. Diese Praktiker pflegen mit
wenig Wiv und viel Behagen zu bemerken: „die Juden werden sich
schon selbst emancipircnals ob die Anregung zu einem solchen Ver-
rein nicht eben anch ein Versuch der Juden wäre, „sich selbst^ zu eman-
cipiren. Welche unmittelbare Macht haben denn die Juden, um für
sich zu wirken? solle» sie ihre Emancipation decretiren? Es ist ge¬
rade, als ob eine Regierung auf eine Petition um Preßfreiheit ant¬
wortete: „die Presse wird sich schon selbst befreien." Der Indolenz
dieser Partei wäre aber durch die Tendenz des angeregten Vereins im
Voraus begegnet. Der Verein scheint nämlich anzuerkennen — Was
man längst hätte einsehen sollen— daß der Nation selbst daran gelegen
sein muß, die Juden zu emancipiren. Sind die Juden wirklich, wie
ihre Gegner fortwährend betheuern, ein so gemeinschädliches, gefährli¬
che» oder gar bösartiges Element, so glaube man doch nicht, daß dies
Element durch Druck, Beschränkung und Kränkung minder schädlich
und krankhaft werde. Der Verein wollte sich, wie es hieß, nicht
etwa blos mit äußerlichen juristischen Bemühungen zu Gunsten der
Juden beschäftigen, sondern vorzugsweise mit Berathung der Mittel,
»in dle der Emancipation im Wege stehenden socialen Uebelstände zu
hebe» , nothwendige Reformen des jüdischen Cultus vorzuschlagen, Auf>
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/295>, abgerufen am 26.06.2024.