Shakspeare freilich konnte selbst ein zeithnldigendeS Gclcgenheitsspiel nicht schaffen, ohne es mit einem Anflug seines unsterblichen Humors zu übcrhauchcn. Aber "das Bleibende" in Shakspeare ist beim Som- mernachtstraum nur für den Leser sichtbar, nicht für ein modernes Pu- blieum darstellbar. Ein tiefer Verehrer und Kenner Shakspeare'S schreibt uns über das Dresdener Experiment mit dem Svmmcrnachtö- iraum-. DaS Stück ist wirtlich mit widersinnigen Raffinement zusam¬ mengeflickt. Alle Zonen habe" beigesteuert, um diese humoristische Narrcnjackc zu Stande zu bringen. Diese gespreizten Figuren mit der galanten und manierirten Antitheseujagd, in der Sprache der Höflinge zur Zeit der Elisabeth, sollen Hellenen vorstellen, nennen Hercules ih¬ ren Retter, haben mythologische Verwandtschaften und riechen nach dem Bisam der königlichen Jungfrau, während Spanien ihnen die Mäntel liefert; sie treten wirklich in spanischem Costüm auf. Die Geister des Mittelalters liefern ihre Dämpfe, ihre Feen- und Elfensagcn. Das Märchen will hier mit Gewalt dramatisch, Musik sichtbar sein, aber man gibt sich dem kaum hin, so werfen sich die Rüpel aus der Vor- stadttabagie von London über uns her und zwingen uns, ihre Plump¬ heiten für Humor zu halten. Um nun das Alles, John Bull und Jaques Pudding mit ätherischer Mythologie, die Hofschranzen von England mit den Thaten des Hercules, die Elfen und spanischen Män¬ tel/Einfachheit der Shakspeare'sehen Bühne und alles Raffinement von Kindcrballett und heutiger Oper zusammenzubringen, muß endlich ein Deutscher kommen und diese widerstrebenden Ingredienzien mit Musik in einander rühren I Daraus wird ein recht widerliches Gemengsel. Die Musik Mendelssohn's ist an sich so schön, fein, zart, so von Elfcnfit- tigcn getragen, daß man wünschen muß, sie im Concertsaal zu hören, damit sie nicht so sehr verloren gehe. Die Töne stören die Agircndcn, und das Spiel stört die Musik. DaS Ballet stört beides, Spiel und Musik. Nur die Rüpel lassen sich nicht stören. DaS ist denn auch das Hervorstechendste.
-- Kühne's "Kaiser Friedrich in Prag" ist in Mannheim mit sehr großem Beifall gegeben worden. Die Darsteller von Friedrich, Mar und Wlasta wurd"n mehrmals gerufen. Außerordentliche Wirkung machte das Lied der deutschen Studenten: Germania, von Marschncr componirt. So viel wir wissen, hat Kühne dies Drama, nach der ersten Aufführung desselben in Hannover und Magdeburg, wesentlich und, wie sich nun erweist, sehr glücklich umgearbeitet. Man führe nur auf, was jüngere Dramatiker schreiben. Ein wirkliches Talent wird durch die Darstellung seiner eigenen Stücke schneller zu Bühncnkennt- uisscn kommen, als durch die Jeremiadcn und oft anmaßenden Bor¬ würfe von Theaterintendanten, Direktoren und Regisseuren.
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Shakspeare freilich konnte selbst ein zeithnldigendeS Gclcgenheitsspiel nicht schaffen, ohne es mit einem Anflug seines unsterblichen Humors zu übcrhauchcn. Aber „das Bleibende" in Shakspeare ist beim Som- mernachtstraum nur für den Leser sichtbar, nicht für ein modernes Pu- blieum darstellbar. Ein tiefer Verehrer und Kenner Shakspeare'S schreibt uns über das Dresdener Experiment mit dem Svmmcrnachtö- iraum-. DaS Stück ist wirtlich mit widersinnigen Raffinement zusam¬ mengeflickt. Alle Zonen habe» beigesteuert, um diese humoristische Narrcnjackc zu Stande zu bringen. Diese gespreizten Figuren mit der galanten und manierirten Antitheseujagd, in der Sprache der Höflinge zur Zeit der Elisabeth, sollen Hellenen vorstellen, nennen Hercules ih¬ ren Retter, haben mythologische Verwandtschaften und riechen nach dem Bisam der königlichen Jungfrau, während Spanien ihnen die Mäntel liefert; sie treten wirklich in spanischem Costüm auf. Die Geister des Mittelalters liefern ihre Dämpfe, ihre Feen- und Elfensagcn. Das Märchen will hier mit Gewalt dramatisch, Musik sichtbar sein, aber man gibt sich dem kaum hin, so werfen sich die Rüpel aus der Vor- stadttabagie von London über uns her und zwingen uns, ihre Plump¬ heiten für Humor zu halten. Um nun das Alles, John Bull und Jaques Pudding mit ätherischer Mythologie, die Hofschranzen von England mit den Thaten des Hercules, die Elfen und spanischen Män¬ tel/Einfachheit der Shakspeare'sehen Bühne und alles Raffinement von Kindcrballett und heutiger Oper zusammenzubringen, muß endlich ein Deutscher kommen und diese widerstrebenden Ingredienzien mit Musik in einander rühren I Daraus wird ein recht widerliches Gemengsel. Die Musik Mendelssohn's ist an sich so schön, fein, zart, so von Elfcnfit- tigcn getragen, daß man wünschen muß, sie im Concertsaal zu hören, damit sie nicht so sehr verloren gehe. Die Töne stören die Agircndcn, und das Spiel stört die Musik. DaS Ballet stört beides, Spiel und Musik. Nur die Rüpel lassen sich nicht stören. DaS ist denn auch das Hervorstechendste.
— Kühne's „Kaiser Friedrich in Prag" ist in Mannheim mit sehr großem Beifall gegeben worden. Die Darsteller von Friedrich, Mar und Wlasta wurd»n mehrmals gerufen. Außerordentliche Wirkung machte das Lied der deutschen Studenten: Germania, von Marschncr componirt. So viel wir wissen, hat Kühne dies Drama, nach der ersten Aufführung desselben in Hannover und Magdeburg, wesentlich und, wie sich nun erweist, sehr glücklich umgearbeitet. Man führe nur auf, was jüngere Dramatiker schreiben. Ein wirkliches Talent wird durch die Darstellung seiner eigenen Stücke schneller zu Bühncnkennt- uisscn kommen, als durch die Jeremiadcn und oft anmaßenden Bor¬ würfe von Theaterintendanten, Direktoren und Regisseuren.
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nicht schaffen, ohne es mit einem Anflug seines unsterblichen Humors
zu übcrhauchcn. Aber „das Bleibende" in Shakspeare ist beim Som-
mernachtstraum nur für den Leser sichtbar, nicht für ein modernes Pu-
blieum darstellbar. Ein tiefer Verehrer und Kenner Shakspeare'S
schreibt uns über das Dresdener Experiment mit dem Svmmcrnachtö-
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mengeflickt. Alle Zonen habe» beigesteuert, um diese humoristische
Narrcnjackc zu Stande zu bringen. Diese gespreizten Figuren mit der
galanten und manierirten Antitheseujagd, in der Sprache der Höflinge
zur Zeit der Elisabeth, sollen Hellenen vorstellen, nennen Hercules ih¬
ren Retter, haben mythologische Verwandtschaften und riechen nach dem
Bisam der königlichen Jungfrau, während Spanien ihnen die Mäntel
liefert; sie treten wirklich in spanischem Costüm auf. Die Geister des
Mittelalters liefern ihre Dämpfe, ihre Feen- und Elfensagcn. Das
Märchen will hier mit Gewalt dramatisch, Musik sichtbar sein, aber
man gibt sich dem kaum hin, so werfen sich die Rüpel aus der Vor-
stadttabagie von London über uns her und zwingen uns, ihre Plump¬
heiten für Humor zu halten. Um nun das Alles, John Bull und
Jaques Pudding mit ätherischer Mythologie, die Hofschranzen von
England mit den Thaten des Hercules, die Elfen und spanischen Män¬
tel/Einfachheit der Shakspeare'sehen Bühne und alles Raffinement von
Kindcrballett und heutiger Oper zusammenzubringen, muß endlich ein
Deutscher kommen und diese widerstrebenden Ingredienzien mit Musik
in einander rühren I Daraus wird ein recht widerliches Gemengsel. Die
Musik Mendelssohn's ist an sich so schön, fein, zart, so von Elfcnfit-
tigcn getragen, daß man wünschen muß, sie im Concertsaal zu hören,
damit sie nicht so sehr verloren gehe. Die Töne stören die Agircndcn,
und das Spiel stört die Musik. DaS Ballet stört beides, Spiel und
Musik. Nur die Rüpel lassen sich nicht stören. DaS ist denn auch
das Hervorstechendste.
— Kühne's „Kaiser Friedrich in Prag" ist in Mannheim mit
sehr großem Beifall gegeben worden. Die Darsteller von Friedrich,
Mar und Wlasta wurd»n mehrmals gerufen. Außerordentliche Wirkung
machte das Lied der deutschen Studenten: Germania, von Marschncr
componirt. So viel wir wissen, hat Kühne dies Drama, nach der
ersten Aufführung desselben in Hannover und Magdeburg, wesentlich
und, wie sich nun erweist, sehr glücklich umgearbeitet. Man führe nur
auf, was jüngere Dramatiker schreiben. Ein wirkliches Talent wird
durch die Darstellung seiner eigenen Stücke schneller zu Bühncnkennt-
uisscn kommen, als durch die Jeremiadcn und oft anmaßenden Bor¬
würfe von Theaterintendanten, Direktoren und Regisseuren.
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/293>, abgerufen am 22.12.2024.
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