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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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gen, sich der nationalen Bühne zuzuwenden. Denn, und
dies sind buchstäblich die eigenen Worte des Ministers, jeder Stand
will seine Ehre und jedes Streben will seinen Lohn.
Der Dichter, der von der Bühne herab Tausende erheitert
und erhebt, soll nicht trocknes Brod essen müssen!!-

Worin nun der Plan besteht, womit man von Wien aus der nationalen
Bühne unter die Arme greifen will, ist im Detail noch ein Geheim¬
niß. Da aber Nichts als die kaiserliche Bestätigung dem Plane fehlt
und diese, wie zu erwarten ist, nicht ausbleiben wird, so kann das
Ganze nicht lange mehr ein Geheimniß bleiben. Glücklicher als das
Hoftheater mit seinen zwei letzten Novitäten war das Kärnthncrthvr-
Thcater mit einer neuen Oper von einem jungen deutschen Ccmponi-
stcn: "Die Heimkehr des Verbannten" (in drei Acten) von Otto
Nicolai (Kapellmeister dieses Theaters). Die Bezeichnung "deutscher
Komponist^ kommt Nicolai blos hinsichtlich seiner Geburt und
Landsmannschaft zu; hinsichtlich seiner musikalischen Richtung ist er
Italiener; improvisirend, leichten Genres, weniger nach Tiefe als nach
augenblicklichem Effect suchend -- letzteren aber durch wirkliches Ta¬
lent erringend. Die Oper gefiel sehr und erlebt vielfache Wiederho¬
lungen. Nicolai ist ein geborener Berliner; rin junger Mann von
dreißig Jahren, der frühzeitig nach Italien kam und in->,v"w> "l, <"-
n<-Ils, an mehreren italienischen Bühnen war. Zur Charakteristik der
hiesigen Censur und Thcatcrzuständc diene hier die Notiz, daß Herr
Nicolai vor der Aufführung seiner neuen Oper in einer Audienz beim
Polizeiminister Herrn Grafen Scdlniczkv (der ein Hauptbeschützcr der
Oper ist) darum nachsuchte, daß die Censur sein Werk gegen die Kri¬
tik der Journale in Schutz nehmen möge! Zu solchen Mitteln darf
ein Künstler in Oesterreich seine Zuflucht nehme", ohne sich der Ge°
fahr auszusetzen, von der öffentlichen Meinung verhöhnt zu werden.




IV.
Notizen.

Sommernachtstraum in Dresden. -- Kühne's "Kaiser Friedrich in Prag" aus
der Mannheimer Bühne. -- Vermischte Nachrichten.

-- In Dresden hat das Publicum den Sommernachtstraum sehr
gleichgiltig aufgenommen, Einige behaupten sogar, mit Zischen. So
viel ist gewiß, daß nicht Shakspeare ausgezischt wurde, sondern die
Verkehrtheit, gerade ein Stück, das vor allen andern Shakspeare'schen
Dramen in der eigenthümlichen Bildung und in dem verkünstelten
Hofgcschmcick seiner Zeit wurzelt, aus unsere Bühne zu bringen.


gen, sich der nationalen Bühne zuzuwenden. Denn, und
dies sind buchstäblich die eigenen Worte des Ministers, jeder Stand
will seine Ehre und jedes Streben will seinen Lohn.
Der Dichter, der von der Bühne herab Tausende erheitert
und erhebt, soll nicht trocknes Brod essen müssen!!-

Worin nun der Plan besteht, womit man von Wien aus der nationalen
Bühne unter die Arme greifen will, ist im Detail noch ein Geheim¬
niß. Da aber Nichts als die kaiserliche Bestätigung dem Plane fehlt
und diese, wie zu erwarten ist, nicht ausbleiben wird, so kann das
Ganze nicht lange mehr ein Geheimniß bleiben. Glücklicher als das
Hoftheater mit seinen zwei letzten Novitäten war das Kärnthncrthvr-
Thcater mit einer neuen Oper von einem jungen deutschen Ccmponi-
stcn: „Die Heimkehr des Verbannten" (in drei Acten) von Otto
Nicolai (Kapellmeister dieses Theaters). Die Bezeichnung „deutscher
Komponist^ kommt Nicolai blos hinsichtlich seiner Geburt und
Landsmannschaft zu; hinsichtlich seiner musikalischen Richtung ist er
Italiener; improvisirend, leichten Genres, weniger nach Tiefe als nach
augenblicklichem Effect suchend — letzteren aber durch wirkliches Ta¬
lent erringend. Die Oper gefiel sehr und erlebt vielfache Wiederho¬
lungen. Nicolai ist ein geborener Berliner; rin junger Mann von
dreißig Jahren, der frühzeitig nach Italien kam und in->,v»w> «l, <»-
n<-Ils, an mehreren italienischen Bühnen war. Zur Charakteristik der
hiesigen Censur und Thcatcrzuständc diene hier die Notiz, daß Herr
Nicolai vor der Aufführung seiner neuen Oper in einer Audienz beim
Polizeiminister Herrn Grafen Scdlniczkv (der ein Hauptbeschützcr der
Oper ist) darum nachsuchte, daß die Censur sein Werk gegen die Kri¬
tik der Journale in Schutz nehmen möge! Zu solchen Mitteln darf
ein Künstler in Oesterreich seine Zuflucht nehme», ohne sich der Ge°
fahr auszusetzen, von der öffentlichen Meinung verhöhnt zu werden.




IV.
Notizen.

Sommernachtstraum in Dresden. — Kühne's „Kaiser Friedrich in Prag" aus
der Mannheimer Bühne. — Vermischte Nachrichten.

— In Dresden hat das Publicum den Sommernachtstraum sehr
gleichgiltig aufgenommen, Einige behaupten sogar, mit Zischen. So
viel ist gewiß, daß nicht Shakspeare ausgezischt wurde, sondern die
Verkehrtheit, gerade ein Stück, das vor allen andern Shakspeare'schen
Dramen in der eigenthümlichen Bildung und in dem verkünstelten
Hofgcschmcick seiner Zeit wurzelt, aus unsere Bühne zu bringen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/292>, abgerufen am 26.06.2024.