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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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"I.
Aus Wien

Gras Sedlniczky und Baron von Kübeck. -- Ein Verbot auf der Börse. --
Der Schmuggel und die Bergleute. -- Der Musikverein aus seinen Nöthen. --
Das Burgrheater und Halm. -- Karneval. -- Cäsario. -- Kolowrath. --Nicolai.

ES verbreitete sich im Laufe dieser Woche das Gerücht, der Graf
Sedlniczky wolle seine Stelle als Polizeiminister niederlegen und der
Staatsrath Weiß werde an seinen Platz treten. Der Herr Staatsrath
Weiß soll einer noch mehr als conservativen Richtung angehören und
man war im Publicum recht froh, als man horte, daß das Gerücht
ein grundloses sei. Auch von dem Präsidenten der Hoftammer, Ba¬
ron Kübeck, heißt es, daß er zum Staatsminister ernannt werde. Eine
Veränderung des Titels und keine Veränderung der Function, obgleich
dieser Staatsmann gegenwärtig mancherlei harten Tadel sich zugezogen
hat. Auf der Börse namentlich hat ein Anschlag, der den Handel in
Livorno-Pisa'sehen Eisenbahnactien verbietet, Allarm erregt. Die Re¬
gierung hat zwar schon in früheren Jahren gewisse ausländische Pa¬
piere verboten (wie namentlich polnische Loose), indessen ist es jetzt
das Erstemal, daß man den Handel in Judustricpaptcrcn verbietet,
oder mit anderen Worten, daß man den österreichischen Kapitalisten
untersagt, nach Belieben bei jener oder dieser industriellen Unterneh¬
mung deS Auslandes sich zu betheiligen Man will diese Maßre¬
gel vom Standpunkte der Politik dadurch vertheidigen, daß der öster¬
reichische Staat, indem er das Opfer brachte, die Eisenbahnen auf seine
Kosten zu erbauen, dabei auf die Beihilfe der Kapitalisten des Landes
rechnen müsse und nicht gleichgiltig zusehen könne, wenn die inländi¬
schen Capitalien sich in ausländischen Unternehmungen zersplittern. In--
dessen ist "eine solche Politik grade in unserer Zeit nicht sehr zu loben,
in einer Zeit, wo man bemüht ist, die Zollschranken für deu Waa-
renhandel so weit als möglich niederzureißen, will man da neue er¬
richten für den Geld-, oder was fast gleichbedeutend ist, für den Pa-
pierhandel? Will man dem Kapitalisten verbieten, seine Fonds da un¬
terzubringen, wo er einen besseren Zinsertrag für sie hoffen darf? Man
verbietet heute die Livorncscr Actien, mit demselben Rechte könnte man
morgen die preußischen Eisenbahnactien verbieten -- eS heißt sogar,
dies werde geschehen. -- Wenn nun dieser Grundsatz sich feststellte
und eine Reciprocität bei anderen Staaten hervorriefe, wohin käme es
mit dem österreichischen Staatscredit?



") Auch in gewissen ungarischen (Kisenbahnactien, die noch nicht die
Sanction der Regierung erhalten haben, ist der Handel an der Börse unter¬
sagt. --
»I.
Aus Wien

Gras Sedlniczky und Baron von Kübeck. — Ein Verbot auf der Börse. —
Der Schmuggel und die Bergleute. — Der Musikverein aus seinen Nöthen. —
Das Burgrheater und Halm. — Karneval. — Cäsario. — Kolowrath. —Nicolai.

ES verbreitete sich im Laufe dieser Woche das Gerücht, der Graf
Sedlniczky wolle seine Stelle als Polizeiminister niederlegen und der
Staatsrath Weiß werde an seinen Platz treten. Der Herr Staatsrath
Weiß soll einer noch mehr als conservativen Richtung angehören und
man war im Publicum recht froh, als man horte, daß das Gerücht
ein grundloses sei. Auch von dem Präsidenten der Hoftammer, Ba¬
ron Kübeck, heißt es, daß er zum Staatsminister ernannt werde. Eine
Veränderung des Titels und keine Veränderung der Function, obgleich
dieser Staatsmann gegenwärtig mancherlei harten Tadel sich zugezogen
hat. Auf der Börse namentlich hat ein Anschlag, der den Handel in
Livorno-Pisa'sehen Eisenbahnactien verbietet, Allarm erregt. Die Re¬
gierung hat zwar schon in früheren Jahren gewisse ausländische Pa¬
piere verboten (wie namentlich polnische Loose), indessen ist es jetzt
das Erstemal, daß man den Handel in Judustricpaptcrcn verbietet,
oder mit anderen Worten, daß man den österreichischen Kapitalisten
untersagt, nach Belieben bei jener oder dieser industriellen Unterneh¬
mung deS Auslandes sich zu betheiligen Man will diese Maßre¬
gel vom Standpunkte der Politik dadurch vertheidigen, daß der öster¬
reichische Staat, indem er das Opfer brachte, die Eisenbahnen auf seine
Kosten zu erbauen, dabei auf die Beihilfe der Kapitalisten des Landes
rechnen müsse und nicht gleichgiltig zusehen könne, wenn die inländi¬
schen Capitalien sich in ausländischen Unternehmungen zersplittern. In--
dessen ist "eine solche Politik grade in unserer Zeit nicht sehr zu loben,
in einer Zeit, wo man bemüht ist, die Zollschranken für deu Waa-
renhandel so weit als möglich niederzureißen, will man da neue er¬
richten für den Geld-, oder was fast gleichbedeutend ist, für den Pa-
pierhandel? Will man dem Kapitalisten verbieten, seine Fonds da un¬
terzubringen, wo er einen besseren Zinsertrag für sie hoffen darf? Man
verbietet heute die Livorncscr Actien, mit demselben Rechte könnte man
morgen die preußischen Eisenbahnactien verbieten — eS heißt sogar,
dies werde geschehen. — Wenn nun dieser Grundsatz sich feststellte
und eine Reciprocität bei anderen Staaten hervorriefe, wohin käme es
mit dem österreichischen Staatscredit?



») Auch in gewissen ungarischen (Kisenbahnactien, die noch nicht die
Sanction der Regierung erhalten haben, ist der Handel an der Börse unter¬
sagt. —
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[0288] »I. Aus Wien Gras Sedlniczky und Baron von Kübeck. — Ein Verbot auf der Börse. — Der Schmuggel und die Bergleute. — Der Musikverein aus seinen Nöthen. — Das Burgrheater und Halm. — Karneval. — Cäsario. — Kolowrath. —Nicolai. ES verbreitete sich im Laufe dieser Woche das Gerücht, der Graf Sedlniczky wolle seine Stelle als Polizeiminister niederlegen und der Staatsrath Weiß werde an seinen Platz treten. Der Herr Staatsrath Weiß soll einer noch mehr als conservativen Richtung angehören und man war im Publicum recht froh, als man horte, daß das Gerücht ein grundloses sei. Auch von dem Präsidenten der Hoftammer, Ba¬ ron Kübeck, heißt es, daß er zum Staatsminister ernannt werde. Eine Veränderung des Titels und keine Veränderung der Function, obgleich dieser Staatsmann gegenwärtig mancherlei harten Tadel sich zugezogen hat. Auf der Börse namentlich hat ein Anschlag, der den Handel in Livorno-Pisa'sehen Eisenbahnactien verbietet, Allarm erregt. Die Re¬ gierung hat zwar schon in früheren Jahren gewisse ausländische Pa¬ piere verboten (wie namentlich polnische Loose), indessen ist es jetzt das Erstemal, daß man den Handel in Judustricpaptcrcn verbietet, oder mit anderen Worten, daß man den österreichischen Kapitalisten untersagt, nach Belieben bei jener oder dieser industriellen Unterneh¬ mung deS Auslandes sich zu betheiligen Man will diese Maßre¬ gel vom Standpunkte der Politik dadurch vertheidigen, daß der öster¬ reichische Staat, indem er das Opfer brachte, die Eisenbahnen auf seine Kosten zu erbauen, dabei auf die Beihilfe der Kapitalisten des Landes rechnen müsse und nicht gleichgiltig zusehen könne, wenn die inländi¬ schen Capitalien sich in ausländischen Unternehmungen zersplittern. In-- dessen ist "eine solche Politik grade in unserer Zeit nicht sehr zu loben, in einer Zeit, wo man bemüht ist, die Zollschranken für deu Waa- renhandel so weit als möglich niederzureißen, will man da neue er¬ richten für den Geld-, oder was fast gleichbedeutend ist, für den Pa- pierhandel? Will man dem Kapitalisten verbieten, seine Fonds da un¬ terzubringen, wo er einen besseren Zinsertrag für sie hoffen darf? Man verbietet heute die Livorncscr Actien, mit demselben Rechte könnte man morgen die preußischen Eisenbahnactien verbieten — eS heißt sogar, dies werde geschehen. — Wenn nun dieser Grundsatz sich feststellte und eine Reciprocität bei anderen Staaten hervorriefe, wohin käme es mit dem österreichischen Staatscredit? ») Auch in gewissen ungarischen (Kisenbahnactien, die noch nicht die Sanction der Regierung erhalten haben, ist der Handel an der Börse unter¬ sagt. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/288>, abgerufen am 26.06.2024.