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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Und so blieb es denn bei den ausgewiesene" acht Gullvcn.

Der Schaum von Ehre ist nun verflogen, obwohl ich mir noch
immer einbilde, in meiner Schweizerfamilie eines der besseren Opcrn-
büchcr geliefert zu haben, aber manchmal ärgert es mich doch noch,
daß ich von einem so allgemein beliebten Werke so wenig Nutzen ge¬
zogen habe, und diesem Aerger habe ich durch diese wenigen Zeile" Lust
machen wollen.




II.
Unsere Zeitschriften.

Werfen wir einen Blick auf unsere Zeitschriften-Literatur; wir
haben manchen erfreuliche" Fortschritt zu signalisiren. Zuerst ist zu
bemerken, daß in den Blättern, die seit zwei, drei Jahren neu ent¬
standen sind, ein gewisser Ernst überwiegend ist, den man i" früheren
Perioden keineswegs in Zeitschriften gesucht und gefunden hätte. Die
neuen Redactionen haben nicht wie die früheren zumeist daS weibliche
Publieum im Auge oder die weibischen Leser, die nur mit Bonbons
und Knacknüsscn gefüttert sei" wolle". Dieser Fracticn der Lesewelt
sind in letzterer Zeit wenig neue Altäre errichtet worden. Die meisten
jungen Blätter zeigen durch Stoff und Haltung, daß sie sich an Män¬
ner wenden. Hervorgerufen durch die positive ferisse Richtung der Zeit,
findet diese Journalistik auch noch durch einen äußern Umstand eine
Begünstigung: durch die immer zahlreicher werdenden Lesevereine oder
sogenannten Museen, die von der Elite der gebildete" Männer in
großen und kleinen Städten gestiftet werden. Früher lag das Loos
der Zeitschriften in den Händen der Leihbibliotheken, der Kaffeehäuser
und Conditoreien. Der Lcihbibliothekar wollte lange Novellen, der
Kaffcticr und Conditor kurzes Naschwerk, das nicht länger Muße braucht,
als die Mocca-Tasse dampft und die t-u-le- -l !>->, Li^me verzehrt ist.
Der Vüchervcrlciher mit seine" grünen Staubärmcl", der Kaffeeschcn-
kcr mit seiner weißen Schürze waren die Richter, die Wähler, die Au¬
tokraten der Zeitschriften, und sie sind es in vieler Beziehung noch.
Durch das Entstehen solcher Lesevereine, wie das Museum in Dresden,
Leipzig, der historisch-politische Verein in Wien u. s. w. ist den bes¬
seren Journalisten ein Asyl geöffnet worden, daS sie aus der Gewalt
der rohe" Menge r"etat. Der Kreis ist kleiner, aber würdiger: die
Redactionen, de"c" ihre Tendenz, die Verbreitung ihres geistigen Wol-
lens mehr gilt, als der massenhafte materielle Gewinn, haben nun ei¬
ne" Spielraum gewonnen, und daß es an solchen nicht fehlt, beweist
die Zahl der neu entstandenen Blätter, wie die Bicdcrmannschc Mo¬
natsschrift, die Jahrbücher der Gegenwart, der Sprecher, das Vaterland,
die Zcitintercssen u. s. w., sowie der Aufschwung, den manche andre
Journale genommen haben.




Und so blieb es denn bei den ausgewiesene» acht Gullvcn.

Der Schaum von Ehre ist nun verflogen, obwohl ich mir noch
immer einbilde, in meiner Schweizerfamilie eines der besseren Opcrn-
büchcr geliefert zu haben, aber manchmal ärgert es mich doch noch,
daß ich von einem so allgemein beliebten Werke so wenig Nutzen ge¬
zogen habe, und diesem Aerger habe ich durch diese wenigen Zeile» Lust
machen wollen.




II.
Unsere Zeitschriften.

Werfen wir einen Blick auf unsere Zeitschriften-Literatur; wir
haben manchen erfreuliche» Fortschritt zu signalisiren. Zuerst ist zu
bemerken, daß in den Blättern, die seit zwei, drei Jahren neu ent¬
standen sind, ein gewisser Ernst überwiegend ist, den man i» früheren
Perioden keineswegs in Zeitschriften gesucht und gefunden hätte. Die
neuen Redactionen haben nicht wie die früheren zumeist daS weibliche
Publieum im Auge oder die weibischen Leser, die nur mit Bonbons
und Knacknüsscn gefüttert sei» wolle«. Dieser Fracticn der Lesewelt
sind in letzterer Zeit wenig neue Altäre errichtet worden. Die meisten
jungen Blätter zeigen durch Stoff und Haltung, daß sie sich an Män¬
ner wenden. Hervorgerufen durch die positive ferisse Richtung der Zeit,
findet diese Journalistik auch noch durch einen äußern Umstand eine
Begünstigung: durch die immer zahlreicher werdenden Lesevereine oder
sogenannten Museen, die von der Elite der gebildete» Männer in
großen und kleinen Städten gestiftet werden. Früher lag das Loos
der Zeitschriften in den Händen der Leihbibliotheken, der Kaffeehäuser
und Conditoreien. Der Lcihbibliothekar wollte lange Novellen, der
Kaffcticr und Conditor kurzes Naschwerk, das nicht länger Muße braucht,
als die Mocca-Tasse dampft und die t-u-le- -l !>->, Li^me verzehrt ist.
Der Vüchervcrlciher mit seine» grünen Staubärmcl», der Kaffeeschcn-
kcr mit seiner weißen Schürze waren die Richter, die Wähler, die Au¬
tokraten der Zeitschriften, und sie sind es in vieler Beziehung noch.
Durch das Entstehen solcher Lesevereine, wie das Museum in Dresden,
Leipzig, der historisch-politische Verein in Wien u. s. w. ist den bes¬
seren Journalisten ein Asyl geöffnet worden, daS sie aus der Gewalt
der rohe» Menge r«etat. Der Kreis ist kleiner, aber würdiger: die
Redactionen, de»c» ihre Tendenz, die Verbreitung ihres geistigen Wol-
lens mehr gilt, als der massenhafte materielle Gewinn, haben nun ei¬
ne» Spielraum gewonnen, und daß es an solchen nicht fehlt, beweist
die Zahl der neu entstandenen Blätter, wie die Bicdcrmannschc Mo¬
natsschrift, die Jahrbücher der Gegenwart, der Sprecher, das Vaterland,
die Zcitintercssen u. s. w., sowie der Aufschwung, den manche andre
Journale genommen haben.




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[0287] Und so blieb es denn bei den ausgewiesene» acht Gullvcn. Der Schaum von Ehre ist nun verflogen, obwohl ich mir noch immer einbilde, in meiner Schweizerfamilie eines der besseren Opcrn- büchcr geliefert zu haben, aber manchmal ärgert es mich doch noch, daß ich von einem so allgemein beliebten Werke so wenig Nutzen ge¬ zogen habe, und diesem Aerger habe ich durch diese wenigen Zeile» Lust machen wollen. II. Unsere Zeitschriften. Werfen wir einen Blick auf unsere Zeitschriften-Literatur; wir haben manchen erfreuliche» Fortschritt zu signalisiren. Zuerst ist zu bemerken, daß in den Blättern, die seit zwei, drei Jahren neu ent¬ standen sind, ein gewisser Ernst überwiegend ist, den man i» früheren Perioden keineswegs in Zeitschriften gesucht und gefunden hätte. Die neuen Redactionen haben nicht wie die früheren zumeist daS weibliche Publieum im Auge oder die weibischen Leser, die nur mit Bonbons und Knacknüsscn gefüttert sei» wolle«. Dieser Fracticn der Lesewelt sind in letzterer Zeit wenig neue Altäre errichtet worden. Die meisten jungen Blätter zeigen durch Stoff und Haltung, daß sie sich an Män¬ ner wenden. Hervorgerufen durch die positive ferisse Richtung der Zeit, findet diese Journalistik auch noch durch einen äußern Umstand eine Begünstigung: durch die immer zahlreicher werdenden Lesevereine oder sogenannten Museen, die von der Elite der gebildete» Männer in großen und kleinen Städten gestiftet werden. Früher lag das Loos der Zeitschriften in den Händen der Leihbibliotheken, der Kaffeehäuser und Conditoreien. Der Lcihbibliothekar wollte lange Novellen, der Kaffcticr und Conditor kurzes Naschwerk, das nicht länger Muße braucht, als die Mocca-Tasse dampft und die t-u-le- -l !>->, Li^me verzehrt ist. Der Vüchervcrlciher mit seine» grünen Staubärmcl», der Kaffeeschcn- kcr mit seiner weißen Schürze waren die Richter, die Wähler, die Au¬ tokraten der Zeitschriften, und sie sind es in vieler Beziehung noch. Durch das Entstehen solcher Lesevereine, wie das Museum in Dresden, Leipzig, der historisch-politische Verein in Wien u. s. w. ist den bes¬ seren Journalisten ein Asyl geöffnet worden, daS sie aus der Gewalt der rohe» Menge r«etat. Der Kreis ist kleiner, aber würdiger: die Redactionen, de»c» ihre Tendenz, die Verbreitung ihres geistigen Wol- lens mehr gilt, als der massenhafte materielle Gewinn, haben nun ei¬ ne» Spielraum gewonnen, und daß es an solchen nicht fehlt, beweist die Zahl der neu entstandenen Blätter, wie die Bicdcrmannschc Mo¬ natsschrift, die Jahrbücher der Gegenwart, der Sprecher, das Vaterland, die Zcitintercssen u. s. w., sowie der Aufschwung, den manche andre Journale genommen haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/287>, abgerufen am 26.06.2024.