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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Diese " Schweizerfamilie" hatte eS nun im größeren Maße der
vortrefflichen, ja classischen Musik Weigi's, aber doch auch nebenbei
meinem Buche zu danke", daß sie eine" europäischen Ruf erhalten hat.
Es ist keine, wenn auch noch so kleine Bühne in Deutschland, auf der
sie nicht gegeben worden ist und wo sie nicht gefallen hätte. Lange
war Emmeline ein Steckenpferd aller Sängerinnen, die sich zutrau¬
ten, daß sie nebenbei auch Schauspielerinnen seien. In Wien allein
ist diese Oper über hundertmal gegeben worden. Sie ist in das Fran¬
zösische, Italienische und Russische übersetzt worden, und was hab' ich
für mein Buch eingenommen? Rathet! -- Nein, Ihr könnt es nicht
errathen I Also vernehmt und schaudert: ich habe für das Buch mei¬
ner "Schweizerfamilie" in Allem, Summa Summarum im Conven-
tionsfuße 8 si. (ich muß es aber schon mit Buchstaben schreiben, sonst
könntet Ihr glauben, der Setzer habe ein Paar Nullen weggelassen),
sage also acht Gulden C.-M. Honorar erhalten.

Ihr wundert Euch, Ihr lächelt, Ihr traut meinen Worten nicht,
Ihr fragt, wie daS möglich sei. Ich will's Euch auseinandersetzen,
wie das möglich war:

Es war im Jahre 18(17, als diese Oper zum ersten Male auf¬
geführt wurde. Ich erhielt dafür von der Direktion des Kärnthner-
thorrhcatcrs ein Honorar von einhundert Gulden in Bancozetteln.
Ich glaubte schon ein reicher Mann zu sein, als ich diese hundert
Gulden in einer Tasche hatte; denn ich lebte damals noch sehr küm¬
merlich, und mein Schneider und Schuster freuten sich mit mir. Nun
dividirt mit 5 in diese Hundert, so findet Ihr 20, und wieder mit 2^
in die 20, so ergibt sich das von mir angegebene Facit pr. 8 si. C.-M.
Drucken ließ ich meinen Text anch gleich bei der ersten Aufführung,
und zwar bei Wallishanscr, und verlangte als Honorar Nichts als
25 Freiexemplare. Lieber Himmel! ich war ja ohnehin der cillcrglück-
lichstc Schriftsteller, ich besaß 109 si. und genoß die Ehre, mich ge¬
druckt zu sehen, und konnte hier ein Exemplar an Fräulein Zt. und
dort eins an Dlle. A verschenken, die von nun an einen außerordent¬
lichen Respect vor dem großen Dichter hatten. Ach! waS ging ich da,
besonders an Tagen, wo mein Name an allen Straßenecken angeschla¬
gen war, mit emporgestreckten Kopfe auf dem Kohlmarkt und Graben
herum, und meinte, Jedermann sehe es mir an der Nase an, daß ich
der hochberühmte Verfasser der Schweizerfamilie sei. Wozu hätte ich
noch Geld bedurft, da ich des Ruhmes genug -- mir einbildete. Weigi
hat dann seine Musik zur Schweizerfamilie oft und an alle Theater
verkauft. Mein Buch ging, versteht sich, mit in den Kauf, da es für
30 kr. gedruckt zu haben war. Walliöhauscr hat von diesem Buche
bereits die sechste Auflage gemacht, und ich habe kein Honorar
mehr gesehen, und daS mit Recht, da ich bei der ersten Auflage keines
forderte und auch keine Bedingungen für die folgenden festsetzte.


Diese „ Schweizerfamilie" hatte eS nun im größeren Maße der
vortrefflichen, ja classischen Musik Weigi's, aber doch auch nebenbei
meinem Buche zu danke», daß sie eine» europäischen Ruf erhalten hat.
Es ist keine, wenn auch noch so kleine Bühne in Deutschland, auf der
sie nicht gegeben worden ist und wo sie nicht gefallen hätte. Lange
war Emmeline ein Steckenpferd aller Sängerinnen, die sich zutrau¬
ten, daß sie nebenbei auch Schauspielerinnen seien. In Wien allein
ist diese Oper über hundertmal gegeben worden. Sie ist in das Fran¬
zösische, Italienische und Russische übersetzt worden, und was hab' ich
für mein Buch eingenommen? Rathet! — Nein, Ihr könnt es nicht
errathen I Also vernehmt und schaudert: ich habe für das Buch mei¬
ner „Schweizerfamilie" in Allem, Summa Summarum im Conven-
tionsfuße 8 si. (ich muß es aber schon mit Buchstaben schreiben, sonst
könntet Ihr glauben, der Setzer habe ein Paar Nullen weggelassen),
sage also acht Gulden C.-M. Honorar erhalten.

Ihr wundert Euch, Ihr lächelt, Ihr traut meinen Worten nicht,
Ihr fragt, wie daS möglich sei. Ich will's Euch auseinandersetzen,
wie das möglich war:

Es war im Jahre 18(17, als diese Oper zum ersten Male auf¬
geführt wurde. Ich erhielt dafür von der Direktion des Kärnthner-
thorrhcatcrs ein Honorar von einhundert Gulden in Bancozetteln.
Ich glaubte schon ein reicher Mann zu sein, als ich diese hundert
Gulden in einer Tasche hatte; denn ich lebte damals noch sehr küm¬
merlich, und mein Schneider und Schuster freuten sich mit mir. Nun
dividirt mit 5 in diese Hundert, so findet Ihr 20, und wieder mit 2^
in die 20, so ergibt sich das von mir angegebene Facit pr. 8 si. C.-M.
Drucken ließ ich meinen Text anch gleich bei der ersten Aufführung,
und zwar bei Wallishanscr, und verlangte als Honorar Nichts als
25 Freiexemplare. Lieber Himmel! ich war ja ohnehin der cillcrglück-
lichstc Schriftsteller, ich besaß 109 si. und genoß die Ehre, mich ge¬
druckt zu sehen, und konnte hier ein Exemplar an Fräulein Zt. und
dort eins an Dlle. A verschenken, die von nun an einen außerordent¬
lichen Respect vor dem großen Dichter hatten. Ach! waS ging ich da,
besonders an Tagen, wo mein Name an allen Straßenecken angeschla¬
gen war, mit emporgestreckten Kopfe auf dem Kohlmarkt und Graben
herum, und meinte, Jedermann sehe es mir an der Nase an, daß ich
der hochberühmte Verfasser der Schweizerfamilie sei. Wozu hätte ich
noch Geld bedurft, da ich des Ruhmes genug — mir einbildete. Weigi
hat dann seine Musik zur Schweizerfamilie oft und an alle Theater
verkauft. Mein Buch ging, versteht sich, mit in den Kauf, da es für
30 kr. gedruckt zu haben war. Walliöhauscr hat von diesem Buche
bereits die sechste Auflage gemacht, und ich habe kein Honorar
mehr gesehen, und daS mit Recht, da ich bei der ersten Auflage keines
forderte und auch keine Bedingungen für die folgenden festsetzte.


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[0286] Diese „ Schweizerfamilie" hatte eS nun im größeren Maße der vortrefflichen, ja classischen Musik Weigi's, aber doch auch nebenbei meinem Buche zu danke», daß sie eine» europäischen Ruf erhalten hat. Es ist keine, wenn auch noch so kleine Bühne in Deutschland, auf der sie nicht gegeben worden ist und wo sie nicht gefallen hätte. Lange war Emmeline ein Steckenpferd aller Sängerinnen, die sich zutrau¬ ten, daß sie nebenbei auch Schauspielerinnen seien. In Wien allein ist diese Oper über hundertmal gegeben worden. Sie ist in das Fran¬ zösische, Italienische und Russische übersetzt worden, und was hab' ich für mein Buch eingenommen? Rathet! — Nein, Ihr könnt es nicht errathen I Also vernehmt und schaudert: ich habe für das Buch mei¬ ner „Schweizerfamilie" in Allem, Summa Summarum im Conven- tionsfuße 8 si. (ich muß es aber schon mit Buchstaben schreiben, sonst könntet Ihr glauben, der Setzer habe ein Paar Nullen weggelassen), sage also acht Gulden C.-M. Honorar erhalten. Ihr wundert Euch, Ihr lächelt, Ihr traut meinen Worten nicht, Ihr fragt, wie daS möglich sei. Ich will's Euch auseinandersetzen, wie das möglich war: Es war im Jahre 18(17, als diese Oper zum ersten Male auf¬ geführt wurde. Ich erhielt dafür von der Direktion des Kärnthner- thorrhcatcrs ein Honorar von einhundert Gulden in Bancozetteln. Ich glaubte schon ein reicher Mann zu sein, als ich diese hundert Gulden in einer Tasche hatte; denn ich lebte damals noch sehr küm¬ merlich, und mein Schneider und Schuster freuten sich mit mir. Nun dividirt mit 5 in diese Hundert, so findet Ihr 20, und wieder mit 2^ in die 20, so ergibt sich das von mir angegebene Facit pr. 8 si. C.-M. Drucken ließ ich meinen Text anch gleich bei der ersten Aufführung, und zwar bei Wallishanscr, und verlangte als Honorar Nichts als 25 Freiexemplare. Lieber Himmel! ich war ja ohnehin der cillcrglück- lichstc Schriftsteller, ich besaß 109 si. und genoß die Ehre, mich ge¬ druckt zu sehen, und konnte hier ein Exemplar an Fräulein Zt. und dort eins an Dlle. A verschenken, die von nun an einen außerordent¬ lichen Respect vor dem großen Dichter hatten. Ach! waS ging ich da, besonders an Tagen, wo mein Name an allen Straßenecken angeschla¬ gen war, mit emporgestreckten Kopfe auf dem Kohlmarkt und Graben herum, und meinte, Jedermann sehe es mir an der Nase an, daß ich der hochberühmte Verfasser der Schweizerfamilie sei. Wozu hätte ich noch Geld bedurft, da ich des Ruhmes genug — mir einbildete. Weigi hat dann seine Musik zur Schweizerfamilie oft und an alle Theater verkauft. Mein Buch ging, versteht sich, mit in den Kauf, da es für 30 kr. gedruckt zu haben war. Walliöhauscr hat von diesem Buche bereits die sechste Auflage gemacht, und ich habe kein Honorar mehr gesehen, und daS mit Recht, da ich bei der ersten Auflage keines forderte und auch keine Bedingungen für die folgenden festsetzte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/286>, abgerufen am 26.06.2024.