Es wird vor Allem einer Erklärung darüber bedürfen, warum mich Dingelstedt's schwierige Lage nicht abhält, das Licht der Oeffent- lichkeit darauf hinzuleiten. Indem ich mit meinen politischen Grund¬ sätzen mich zur äußersten Linken bekenne, konnte ich hierauf das Recht zu schonungslosem Verfahren gründen, mindestens denen gegenüber, welche mit mir einen Kriegszustand zwischen den politischen Parteien und damit auch die Rechte des Kriegs anerkennen. Allein diesen Grund hier geltend zu machen, ist nicht meine Absicht. Vielmehr halte ich mich in meinem Gewissen verbunden, auch dem Feinde gerecht zu sein und da, wo mit den Forderungen - der Politik die Pflichten der Partei aufhören, die Humanität gewähren zu lassen. Diese Pflichten werden nicht unter einander leiden; und da Dingel¬ stedt's Schicksal ein lehrreiches ist, so wird ein Wort darüber am Platze sein.
Kaum begann der Lärm, welchen Dingclstedts Wiener Briefe in der Augsburger Allgemeinen aufgeregt hatten, sich wieder zu legen, so kam die Nachricht, Dingelstedt habe sich beim Hofe in Stuttgart anstellen lassen. Das Murmeln, welches diese Nachricht in den Blättern sowohl, als unter den Leuten begleitete, ging bald in offenen Angriff über: Dingelstedt ward fiir gesinnungslos erklärt. Und das ist er, formell, unzweideutig. Denn ein politischer Charakter, will er grsinnungsfest sein, hat nicht blos die Verpflichtung, seinen Glauben zu bewahren, sondern auch ihn zu bekennen. Was haltet Ihr von dem Christen, der eisenfest am Buchstaben des Evangeliums hängt, aber, um dem Spott ungläubiger Freunde zu entgehen, mit ihnen <'
"><in,l0den Isla. >. Zg
Dingelstedt und die öffentliche Meinung.
Es wird vor Allem einer Erklärung darüber bedürfen, warum mich Dingelstedt's schwierige Lage nicht abhält, das Licht der Oeffent- lichkeit darauf hinzuleiten. Indem ich mit meinen politischen Grund¬ sätzen mich zur äußersten Linken bekenne, konnte ich hierauf das Recht zu schonungslosem Verfahren gründen, mindestens denen gegenüber, welche mit mir einen Kriegszustand zwischen den politischen Parteien und damit auch die Rechte des Kriegs anerkennen. Allein diesen Grund hier geltend zu machen, ist nicht meine Absicht. Vielmehr halte ich mich in meinem Gewissen verbunden, auch dem Feinde gerecht zu sein und da, wo mit den Forderungen - der Politik die Pflichten der Partei aufhören, die Humanität gewähren zu lassen. Diese Pflichten werden nicht unter einander leiden; und da Dingel¬ stedt's Schicksal ein lehrreiches ist, so wird ein Wort darüber am Platze sein.
Kaum begann der Lärm, welchen Dingclstedts Wiener Briefe in der Augsburger Allgemeinen aufgeregt hatten, sich wieder zu legen, so kam die Nachricht, Dingelstedt habe sich beim Hofe in Stuttgart anstellen lassen. Das Murmeln, welches diese Nachricht in den Blättern sowohl, als unter den Leuten begleitete, ging bald in offenen Angriff über: Dingelstedt ward fiir gesinnungslos erklärt. Und das ist er, formell, unzweideutig. Denn ein politischer Charakter, will er grsinnungsfest sein, hat nicht blos die Verpflichtung, seinen Glauben zu bewahren, sondern auch ihn zu bekennen. Was haltet Ihr von dem Christen, der eisenfest am Buchstaben des Evangeliums hängt, aber, um dem Spott ungläubiger Freunde zu entgehen, mit ihnen <'
»><in,l0den Isla. >. Zg
<TEI><text><body><div><divn="1"><pbfacs="#f0277"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/179990"/></div><divn="1"><head> Dingelstedt und die öffentliche Meinung.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><pxml:id="ID_711"> Es wird vor Allem einer Erklärung darüber bedürfen, warum<lb/>
mich Dingelstedt's schwierige Lage nicht abhält, das Licht der Oeffent-<lb/>
lichkeit darauf hinzuleiten. Indem ich mit meinen politischen Grund¬<lb/>
sätzen mich zur äußersten Linken bekenne, konnte ich hierauf das Recht<lb/>
zu schonungslosem Verfahren gründen, mindestens denen gegenüber,<lb/>
welche mit mir einen Kriegszustand zwischen den politischen Parteien<lb/>
und damit auch die Rechte des Kriegs anerkennen. Allein diesen<lb/>
Grund hier geltend zu machen, ist nicht meine Absicht. Vielmehr<lb/>
halte ich mich in meinem Gewissen verbunden, auch dem Feinde<lb/>
gerecht zu sein und da, wo mit den Forderungen - der Politik die<lb/>
Pflichten der Partei aufhören, die Humanität gewähren zu lassen.<lb/>
Diese Pflichten werden nicht unter einander leiden; und da Dingel¬<lb/>
stedt's Schicksal ein lehrreiches ist, so wird ein Wort darüber am<lb/>
Platze sein.</p><lb/><pxml:id="ID_712"next="#ID_713"> Kaum begann der Lärm, welchen Dingclstedts Wiener Briefe<lb/>
in der Augsburger Allgemeinen aufgeregt hatten, sich wieder zu legen,<lb/>
so kam die Nachricht, Dingelstedt habe sich beim Hofe in Stuttgart<lb/>
anstellen lassen. Das Murmeln, welches diese Nachricht in den<lb/>
Blättern sowohl, als unter den Leuten begleitete, ging bald in offenen<lb/>
Angriff über: Dingelstedt ward fiir gesinnungslos erklärt. Und das<lb/>
ist er, formell, unzweideutig. Denn ein politischer Charakter, will er<lb/>
grsinnungsfest sein, hat nicht blos die Verpflichtung, seinen Glauben<lb/>
zu bewahren, sondern auch ihn zu bekennen. Was haltet Ihr von<lb/>
dem Christen, der eisenfest am Buchstaben des Evangeliums hängt,<lb/>
aber, um dem Spott ungläubiger Freunde zu entgehen, mit ihnen<lb/><'</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"> »><in,l0den Isla. >. Zg</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[0277]
Dingelstedt und die öffentliche Meinung.
Es wird vor Allem einer Erklärung darüber bedürfen, warum
mich Dingelstedt's schwierige Lage nicht abhält, das Licht der Oeffent-
lichkeit darauf hinzuleiten. Indem ich mit meinen politischen Grund¬
sätzen mich zur äußersten Linken bekenne, konnte ich hierauf das Recht
zu schonungslosem Verfahren gründen, mindestens denen gegenüber,
welche mit mir einen Kriegszustand zwischen den politischen Parteien
und damit auch die Rechte des Kriegs anerkennen. Allein diesen
Grund hier geltend zu machen, ist nicht meine Absicht. Vielmehr
halte ich mich in meinem Gewissen verbunden, auch dem Feinde
gerecht zu sein und da, wo mit den Forderungen - der Politik die
Pflichten der Partei aufhören, die Humanität gewähren zu lassen.
Diese Pflichten werden nicht unter einander leiden; und da Dingel¬
stedt's Schicksal ein lehrreiches ist, so wird ein Wort darüber am
Platze sein.
Kaum begann der Lärm, welchen Dingclstedts Wiener Briefe
in der Augsburger Allgemeinen aufgeregt hatten, sich wieder zu legen,
so kam die Nachricht, Dingelstedt habe sich beim Hofe in Stuttgart
anstellen lassen. Das Murmeln, welches diese Nachricht in den
Blättern sowohl, als unter den Leuten begleitete, ging bald in offenen
Angriff über: Dingelstedt ward fiir gesinnungslos erklärt. Und das
ist er, formell, unzweideutig. Denn ein politischer Charakter, will er
grsinnungsfest sein, hat nicht blos die Verpflichtung, seinen Glauben
zu bewahren, sondern auch ihn zu bekennen. Was haltet Ihr von
dem Christen, der eisenfest am Buchstaben des Evangeliums hängt,
aber, um dem Spott ungläubiger Freunde zu entgehen, mit ihnen
<'
»><in,l0den Isla. >. Zg
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/277>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.