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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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in dem ihre Jünger unwillkürlich vor den Augen der Welt erscheinen,
die Zaubergewalt, die ihre Priester vermöge ihrer Grundprin¬
cipien auf die Völker ausüben, verleitet uns Ungarn; und nicht
beachtend, daß das Bereich der Philosophie für uns noch eine l'ol-i-ii
iiicvA nu ist, daß wir die Geschichte im Allgemeinen und besonders
die unsrer Nation -- um sie auf die vorzunehmenden Verbesserungen
der sociellen Verhältnisse anzuwenden, -- noch gar wenig erforscht
haben, daßZ die Wissenschaften der Mathematik, die keine Nation
bei der Ordnung ihrer sociellen Verhältnisse ungestraft vermied, bei
uns noch in Windeln liegt; daß die ungeheuern Folianten unserer
Gesetze zwar zur Zerrüttung und Verwirrung der Privatangelegen¬
heiten, aber nicht zur Lösung der öffentlichen Angelegenheiten benützt
werden -- dieses Alles nicht betrachtend, ja aus Unmacht, dem völ-
kerbezwingcnden Geiste zu widerstehen, warfen wir uns der Politik
in die Arme und beeilten uns, mit Vernachlässigung der nöthigen
und unentbehrlichen Hilfswissenschaften, den Wettlauf mit jenen Na¬
tionen der civilisirten Welt zu beginnen, die an dein Faden vieler
Hilfswissenschaften zu der mit denselben vielfach verflochtenen Politik
gelangten, auf welche alle Kraft, alle in dem bürgerlichen Leben
vorhandene Thätigkeit, wie nach einem Ziele, gelenkt werden muß.

Der Weg, die politischen Wissenschaften am wirksamsten und
zugleich am schnellsten zu verbreiten, ist -- die Presse. Diejenige
Branche der Presse aber, welche sich ausschließlich mit dem periodi¬
schen Verbreiter der Wissenschaften beschäftigt, nennen wir Jour¬
nalistik. Doch ist dieses mir im engern Sinn des Wortes zu
nehmen, denn im weitern Sinn des Wortes versteht man ja unter
Journalistik jedes Blatt, jedes Buch ohne Rücksicht auf den Inhalt,
wenn dessen Erscheinen an eine gewisse Zeit gebunden ist.

Die Wanderung der Nachrichten und Raisonnements aus dem
öffentlichen Volksleben in die Presse und von da wieder inS Volks¬
leben zurück, bildet bei uns die Pulsader der politischen Journalistik.
Und da diese Wanderung seit einigen Jahren bei uns sich lebhafter
zu zeigen begann, war es eine ganz natürliche Folge, daß sie alle
Aufmerksamkeit und alles Interesse für die öffentlichen Angelegenhei¬
ten in Anspruch nahm und jedes andere literarische oder Privat-
Jnteresse in den Hintergrund drängte. Das ist eine der Hauptur-
sachen der von vielen Seiten geäußerten Klage: daß nämlich die


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in dem ihre Jünger unwillkürlich vor den Augen der Welt erscheinen,
die Zaubergewalt, die ihre Priester vermöge ihrer Grundprin¬
cipien auf die Völker ausüben, verleitet uns Ungarn; und nicht
beachtend, daß das Bereich der Philosophie für uns noch eine l'ol-i-ii
iiicvA nu ist, daß wir die Geschichte im Allgemeinen und besonders
die unsrer Nation — um sie auf die vorzunehmenden Verbesserungen
der sociellen Verhältnisse anzuwenden, — noch gar wenig erforscht
haben, daßZ die Wissenschaften der Mathematik, die keine Nation
bei der Ordnung ihrer sociellen Verhältnisse ungestraft vermied, bei
uns noch in Windeln liegt; daß die ungeheuern Folianten unserer
Gesetze zwar zur Zerrüttung und Verwirrung der Privatangelegen¬
heiten, aber nicht zur Lösung der öffentlichen Angelegenheiten benützt
werden — dieses Alles nicht betrachtend, ja aus Unmacht, dem völ-
kerbezwingcnden Geiste zu widerstehen, warfen wir uns der Politik
in die Arme und beeilten uns, mit Vernachlässigung der nöthigen
und unentbehrlichen Hilfswissenschaften, den Wettlauf mit jenen Na¬
tionen der civilisirten Welt zu beginnen, die an dein Faden vieler
Hilfswissenschaften zu der mit denselben vielfach verflochtenen Politik
gelangten, auf welche alle Kraft, alle in dem bürgerlichen Leben
vorhandene Thätigkeit, wie nach einem Ziele, gelenkt werden muß.

Der Weg, die politischen Wissenschaften am wirksamsten und
zugleich am schnellsten zu verbreiten, ist — die Presse. Diejenige
Branche der Presse aber, welche sich ausschließlich mit dem periodi¬
schen Verbreiter der Wissenschaften beschäftigt, nennen wir Jour¬
nalistik. Doch ist dieses mir im engern Sinn des Wortes zu
nehmen, denn im weitern Sinn des Wortes versteht man ja unter
Journalistik jedes Blatt, jedes Buch ohne Rücksicht auf den Inhalt,
wenn dessen Erscheinen an eine gewisse Zeit gebunden ist.

Die Wanderung der Nachrichten und Raisonnements aus dem
öffentlichen Volksleben in die Presse und von da wieder inS Volks¬
leben zurück, bildet bei uns die Pulsader der politischen Journalistik.
Und da diese Wanderung seit einigen Jahren bei uns sich lebhafter
zu zeigen begann, war es eine ganz natürliche Folge, daß sie alle
Aufmerksamkeit und alles Interesse für die öffentlichen Angelegenhei¬
ten in Anspruch nahm und jedes andere literarische oder Privat-
Jnteresse in den Hintergrund drängte. Das ist eine der Hauptur-
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[0271] in dem ihre Jünger unwillkürlich vor den Augen der Welt erscheinen, die Zaubergewalt, die ihre Priester vermöge ihrer Grundprin¬ cipien auf die Völker ausüben, verleitet uns Ungarn; und nicht beachtend, daß das Bereich der Philosophie für uns noch eine l'ol-i-ii iiicvA nu ist, daß wir die Geschichte im Allgemeinen und besonders die unsrer Nation — um sie auf die vorzunehmenden Verbesserungen der sociellen Verhältnisse anzuwenden, — noch gar wenig erforscht haben, daßZ die Wissenschaften der Mathematik, die keine Nation bei der Ordnung ihrer sociellen Verhältnisse ungestraft vermied, bei uns noch in Windeln liegt; daß die ungeheuern Folianten unserer Gesetze zwar zur Zerrüttung und Verwirrung der Privatangelegen¬ heiten, aber nicht zur Lösung der öffentlichen Angelegenheiten benützt werden — dieses Alles nicht betrachtend, ja aus Unmacht, dem völ- kerbezwingcnden Geiste zu widerstehen, warfen wir uns der Politik in die Arme und beeilten uns, mit Vernachlässigung der nöthigen und unentbehrlichen Hilfswissenschaften, den Wettlauf mit jenen Na¬ tionen der civilisirten Welt zu beginnen, die an dein Faden vieler Hilfswissenschaften zu der mit denselben vielfach verflochtenen Politik gelangten, auf welche alle Kraft, alle in dem bürgerlichen Leben vorhandene Thätigkeit, wie nach einem Ziele, gelenkt werden muß. Der Weg, die politischen Wissenschaften am wirksamsten und zugleich am schnellsten zu verbreiten, ist — die Presse. Diejenige Branche der Presse aber, welche sich ausschließlich mit dem periodi¬ schen Verbreiter der Wissenschaften beschäftigt, nennen wir Jour¬ nalistik. Doch ist dieses mir im engern Sinn des Wortes zu nehmen, denn im weitern Sinn des Wortes versteht man ja unter Journalistik jedes Blatt, jedes Buch ohne Rücksicht auf den Inhalt, wenn dessen Erscheinen an eine gewisse Zeit gebunden ist. Die Wanderung der Nachrichten und Raisonnements aus dem öffentlichen Volksleben in die Presse und von da wieder inS Volks¬ leben zurück, bildet bei uns die Pulsader der politischen Journalistik. Und da diese Wanderung seit einigen Jahren bei uns sich lebhafter zu zeigen begann, war es eine ganz natürliche Folge, daß sie alle Aufmerksamkeit und alles Interesse für die öffentlichen Angelegenhei¬ ten in Anspruch nahm und jedes andere literarische oder Privat- Jnteresse in den Hintergrund drängte. Das ist eine der Hauptur- sachen der von vielen Seiten geäußerten Klage: daß nämlich die 35, »

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/271>, abgerufen am 26.06.2024.