schaft erreicht, der die wirksamsten Mittel zur Sicherung und Erhal¬ tung der Willkür zu finden und anzurathen verstand.
Unter solchen Umständen begann die zweite Hälfte des 1Am Jahrhunderts. Der Fluch ewiger Kriege kam über die Völker. Die Völker erwachten und fingen an, den hohen Werth der Menschheit zu fühlen. Die gegenseitigen öftern Berührungen erweckten Nach¬ denken und eiferten die Lauern an. Und so hörten die politischen Wissenschaften auf, verbotene Waare zu sein. Man begann die Phi¬ losophie der sociellen Verhältnisse zu cultiviren und fand in der An¬ erkennung und Hochhaltung der ewigen Menschemcchte die feste unerschütterliche Basis, worauf man die Sicherheit und Haltbarkeit der Staaten und der soeiellcn Bande, so wie die Sicherheit der Person und des Vermögens, das Glück Einzelner und ganzer Völ¬ ker -- gründete! Da wurde jede andere Wissenschaft als Hilfs¬ quelle dem mächtigen Ziele zugeleitet, die Philosophie und Historie, die Mathesis und Rechtswissenschaft, selbst die Theologie wurde zu" Unterstützung der Politik verwendet. Unterstützt von solchen Hilfs- Wissenschaften verbreitete sich die Politik so sehr, daß man den allge¬ meinen unverkennbaren Charakter der letzten Jahre des achtzehnten und der ersten des neunzehnten Jahrhunderts überhaupt in dem all¬ gemeinen Streben fand: die sociellen Verhältnisse, von den Schlacken des mittelalterlichen Feudalwcsens gereinigt, der künftigen Generation zu übergeben, daß sie das Ziel -- welches zu erlangen Jahrhunderte vergebens bemüht waren, sicher erreiche, oder, ist dieses auf Er¬ den unmöglich, sich wenigstens demselben nähere und diesen höchsten Grad socieller Glückseligkeit genieße.
Wer dieses Alles berücksichtiget, wird sich nicht darüber wun¬ dern, daß bei uns die Politik beinahe ganz die Intelligenz und die Nationalkraft für sich in Anspruch nahm. Es ist nur zu bedauern, daß die Alles umschließenden Polypenarme der Politik eher zu uns gelangten, bevor die übrigen Hilfswissenschaften jenen GraD der Ausbildung erreicht hatten, in welchem sie der Politik eben so nütz¬ lich als nöthig sind. -- Dieses allein ist unser Unglück. Die, eine schöne Gegenwart und noch eine schönere Zukunft verheißenden po¬ litischen Wissenschaften rissen jedes sich nur ein wenig hervorthuende und nutzbare Talent in ihren Strudel; die Leichtigkeit, mit der man diese sich -- freilich nur oberflächlich -- eigen macht, der Nimbus,
schaft erreicht, der die wirksamsten Mittel zur Sicherung und Erhal¬ tung der Willkür zu finden und anzurathen verstand.
Unter solchen Umständen begann die zweite Hälfte des 1Am Jahrhunderts. Der Fluch ewiger Kriege kam über die Völker. Die Völker erwachten und fingen an, den hohen Werth der Menschheit zu fühlen. Die gegenseitigen öftern Berührungen erweckten Nach¬ denken und eiferten die Lauern an. Und so hörten die politischen Wissenschaften auf, verbotene Waare zu sein. Man begann die Phi¬ losophie der sociellen Verhältnisse zu cultiviren und fand in der An¬ erkennung und Hochhaltung der ewigen Menschemcchte die feste unerschütterliche Basis, worauf man die Sicherheit und Haltbarkeit der Staaten und der soeiellcn Bande, so wie die Sicherheit der Person und des Vermögens, das Glück Einzelner und ganzer Völ¬ ker — gründete! Da wurde jede andere Wissenschaft als Hilfs¬ quelle dem mächtigen Ziele zugeleitet, die Philosophie und Historie, die Mathesis und Rechtswissenschaft, selbst die Theologie wurde zu» Unterstützung der Politik verwendet. Unterstützt von solchen Hilfs- Wissenschaften verbreitete sich die Politik so sehr, daß man den allge¬ meinen unverkennbaren Charakter der letzten Jahre des achtzehnten und der ersten des neunzehnten Jahrhunderts überhaupt in dem all¬ gemeinen Streben fand: die sociellen Verhältnisse, von den Schlacken des mittelalterlichen Feudalwcsens gereinigt, der künftigen Generation zu übergeben, daß sie das Ziel — welches zu erlangen Jahrhunderte vergebens bemüht waren, sicher erreiche, oder, ist dieses auf Er¬ den unmöglich, sich wenigstens demselben nähere und diesen höchsten Grad socieller Glückseligkeit genieße.
Wer dieses Alles berücksichtiget, wird sich nicht darüber wun¬ dern, daß bei uns die Politik beinahe ganz die Intelligenz und die Nationalkraft für sich in Anspruch nahm. Es ist nur zu bedauern, daß die Alles umschließenden Polypenarme der Politik eher zu uns gelangten, bevor die übrigen Hilfswissenschaften jenen GraD der Ausbildung erreicht hatten, in welchem sie der Politik eben so nütz¬ lich als nöthig sind. — Dieses allein ist unser Unglück. Die, eine schöne Gegenwart und noch eine schönere Zukunft verheißenden po¬ litischen Wissenschaften rissen jedes sich nur ein wenig hervorthuende und nutzbare Talent in ihren Strudel; die Leichtigkeit, mit der man diese sich — freilich nur oberflächlich — eigen macht, der Nimbus,
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schaft erreicht, der die wirksamsten Mittel zur Sicherung und Erhal¬
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Unter solchen Umständen begann die zweite Hälfte des 1Am
Jahrhunderts. Der Fluch ewiger Kriege kam über die Völker. Die
Völker erwachten und fingen an, den hohen Werth der Menschheit
zu fühlen. Die gegenseitigen öftern Berührungen erweckten Nach¬
denken und eiferten die Lauern an. Und so hörten die politischen
Wissenschaften auf, verbotene Waare zu sein. Man begann die Phi¬
losophie der sociellen Verhältnisse zu cultiviren und fand in der An¬
erkennung und Hochhaltung der ewigen Menschemcchte die feste
unerschütterliche Basis, worauf man die Sicherheit und Haltbarkeit
der Staaten und der soeiellcn Bande, so wie die Sicherheit der
Person und des Vermögens, das Glück Einzelner und ganzer Völ¬
ker — gründete! Da wurde jede andere Wissenschaft als Hilfs¬
quelle dem mächtigen Ziele zugeleitet, die Philosophie und Historie,
die Mathesis und Rechtswissenschaft, selbst die Theologie wurde zu»
Unterstützung der Politik verwendet. Unterstützt von solchen Hilfs-
Wissenschaften verbreitete sich die Politik so sehr, daß man den allge¬
meinen unverkennbaren Charakter der letzten Jahre des achtzehnten
und der ersten des neunzehnten Jahrhunderts überhaupt in dem all¬
gemeinen Streben fand: die sociellen Verhältnisse, von den Schlacken
des mittelalterlichen Feudalwcsens gereinigt, der künftigen Generation
zu übergeben, daß sie das Ziel — welches zu erlangen Jahrhunderte
vergebens bemüht waren, sicher erreiche, oder, ist dieses auf Er¬
den unmöglich, sich wenigstens demselben nähere und diesen höchsten
Grad socieller Glückseligkeit genieße.
Wer dieses Alles berücksichtiget, wird sich nicht darüber wun¬
dern, daß bei uns die Politik beinahe ganz die Intelligenz und die
Nationalkraft für sich in Anspruch nahm. Es ist nur zu bedauern,
daß die Alles umschließenden Polypenarme der Politik eher zu uns
gelangten, bevor die übrigen Hilfswissenschaften jenen GraD der
Ausbildung erreicht hatten, in welchem sie der Politik eben so nütz¬
lich als nöthig sind. — Dieses allein ist unser Unglück. Die, eine
schöne Gegenwart und noch eine schönere Zukunft verheißenden po¬
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/270>, abgerufen am 22.12.2024.
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