Heldenmuthe gesprochen, wird er von Vanina ein großer Mann genannt, thut aber nicht das Geringste, um für sich einzunehmen, ja nur um mit sich zu versöhnen für so Vieles, was man an seinem Charakter Tadelhaftes, ja Empörendes entdeckt. Hierher gehört vor Allem Sampiero's Patriotismus, der uns nur in einem ewigen Paroriömus, in keiner ruhigen That, in keinem besonnenen Worte entgegentritt; der Patriotismus, dem ein Freund uno eine liebevolle Gattin zum Opfer fallen, der Patriotismus, der uns in Sampiero's Kopfe eine fire Idee scheinen muß. Denn ist es nicht eine solche, wenn Sampiero, trotz dem, daß er von Vanua's Unschuld überzeugt, erschüttert ist, seiner im Parorismuö auSgcstöhnten Sentenz: "Corsica über Alles!" ihre unmotivirte Ermordung alö eine verbi c-ins-t hin¬ zufügt, ist das nicht eine wahnsinnige Idee, die sich in ihrer prakti¬ schen Anwendung also darstellt? -- Vanina selbst spricht ihrem Manne und mit seinem Helden dem Stücke selbst ein vernichtendes Urtheil. Wir müssen das näher erläutern.
Vanina, um Sampiero von genuesischen Dolchen, die aber nur "Gedankendolche" sind, zu retten, läßt sich mit Genua in Unterhand- lungen ein und empfängt Briefe aus dieser Stadt. Diese Briefe verlangen die Auslieferung der Patrioten und fallen unglücklicher Weise diesen in die Hände. Darum wird der rückkehrende Sam- piero von ihnen als Verräther empfangen. Dieser eilt nun zu Va¬ nina und obwohl er von ihrer Unschuld überzeugt ist und sie jene Anträge wirklich mit Abscheu zurückgewiesen, holt sie Sampiero doch nach Marseille, um sie da zu richten. -- Vanina, die ihren Mann kennen muß, erwartet ihren Tod und geht ihm muthig und gefaßt entgegen, geräth aber in die höchste Aufregung, da Sampiero in der Hcnkerstunde ihren Tod als einen höchst gerechten beschönigen will. -- In einer prächtigen Rede, wie sie nur der wahrhaft Unschuldige vor dem Blutgerüste oder der Advocat eines verfolgten Clienten oder ein dramatischer Orateur wie Halm halten kann, beweist Vanina ihre Schuldlosigkeit und das himmelschreiende Unrecht ihrer Hinrich¬ tung. Alle Zuschauer sind von der Wahrheit ihrer Worte, die der Trommelschlag Sampiero's, "ich bin Dein Mann, ich darf Dich richten :c.," umsonst zu übertäuben sucht, durchdrungen, und selbst der Henker wird endlich überführt und weiß nicht, was zu sagen. Und darum meinen wir, daß Vanina ihrem Mann und mit ihm dem
Heldenmuthe gesprochen, wird er von Vanina ein großer Mann genannt, thut aber nicht das Geringste, um für sich einzunehmen, ja nur um mit sich zu versöhnen für so Vieles, was man an seinem Charakter Tadelhaftes, ja Empörendes entdeckt. Hierher gehört vor Allem Sampiero's Patriotismus, der uns nur in einem ewigen Paroriömus, in keiner ruhigen That, in keinem besonnenen Worte entgegentritt; der Patriotismus, dem ein Freund uno eine liebevolle Gattin zum Opfer fallen, der Patriotismus, der uns in Sampiero's Kopfe eine fire Idee scheinen muß. Denn ist es nicht eine solche, wenn Sampiero, trotz dem, daß er von Vanua's Unschuld überzeugt, erschüttert ist, seiner im Parorismuö auSgcstöhnten Sentenz: „Corsica über Alles!" ihre unmotivirte Ermordung alö eine verbi c-ins-t hin¬ zufügt, ist das nicht eine wahnsinnige Idee, die sich in ihrer prakti¬ schen Anwendung also darstellt? — Vanina selbst spricht ihrem Manne und mit seinem Helden dem Stücke selbst ein vernichtendes Urtheil. Wir müssen das näher erläutern.
Vanina, um Sampiero von genuesischen Dolchen, die aber nur „Gedankendolche" sind, zu retten, läßt sich mit Genua in Unterhand- lungen ein und empfängt Briefe aus dieser Stadt. Diese Briefe verlangen die Auslieferung der Patrioten und fallen unglücklicher Weise diesen in die Hände. Darum wird der rückkehrende Sam- piero von ihnen als Verräther empfangen. Dieser eilt nun zu Va¬ nina und obwohl er von ihrer Unschuld überzeugt ist und sie jene Anträge wirklich mit Abscheu zurückgewiesen, holt sie Sampiero doch nach Marseille, um sie da zu richten. — Vanina, die ihren Mann kennen muß, erwartet ihren Tod und geht ihm muthig und gefaßt entgegen, geräth aber in die höchste Aufregung, da Sampiero in der Hcnkerstunde ihren Tod als einen höchst gerechten beschönigen will. — In einer prächtigen Rede, wie sie nur der wahrhaft Unschuldige vor dem Blutgerüste oder der Advocat eines verfolgten Clienten oder ein dramatischer Orateur wie Halm halten kann, beweist Vanina ihre Schuldlosigkeit und das himmelschreiende Unrecht ihrer Hinrich¬ tung. Alle Zuschauer sind von der Wahrheit ihrer Worte, die der Trommelschlag Sampiero's, „ich bin Dein Mann, ich darf Dich richten :c.," umsonst zu übertäuben sucht, durchdrungen, und selbst der Henker wird endlich überführt und weiß nicht, was zu sagen. Und darum meinen wir, daß Vanina ihrem Mann und mit ihm dem
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Heldenmuthe gesprochen, wird er von Vanina ein großer Mann
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Charakter Tadelhaftes, ja Empörendes entdeckt. Hierher gehört vor
Allem Sampiero's Patriotismus, der uns nur in einem ewigen
Paroriömus, in keiner ruhigen That, in keinem besonnenen Worte
entgegentritt; der Patriotismus, dem ein Freund uno eine liebevolle
Gattin zum Opfer fallen, der Patriotismus, der uns in Sampiero's
Kopfe eine fire Idee scheinen muß. Denn ist es nicht eine solche,
wenn Sampiero, trotz dem, daß er von Vanua's Unschuld überzeugt,
erschüttert ist, seiner im Parorismuö auSgcstöhnten Sentenz: „Corsica
über Alles!" ihre unmotivirte Ermordung alö eine verbi c-ins-t hin¬
zufügt, ist das nicht eine wahnsinnige Idee, die sich in ihrer prakti¬
schen Anwendung also darstellt? — Vanina selbst spricht ihrem
Manne und mit seinem Helden dem Stücke selbst ein vernichtendes
Urtheil. Wir müssen das näher erläutern.
Vanina, um Sampiero von genuesischen Dolchen, die aber nur
„Gedankendolche" sind, zu retten, läßt sich mit Genua in Unterhand-
lungen ein und empfängt Briefe aus dieser Stadt. Diese Briefe
verlangen die Auslieferung der Patrioten und fallen unglücklicher
Weise diesen in die Hände. Darum wird der rückkehrende Sam-
piero von ihnen als Verräther empfangen. Dieser eilt nun zu Va¬
nina und obwohl er von ihrer Unschuld überzeugt ist und sie jene
Anträge wirklich mit Abscheu zurückgewiesen, holt sie Sampiero doch
nach Marseille, um sie da zu richten. — Vanina, die ihren Mann
kennen muß, erwartet ihren Tod und geht ihm muthig und gefaßt
entgegen, geräth aber in die höchste Aufregung, da Sampiero in
der Hcnkerstunde ihren Tod als einen höchst gerechten beschönigen will.
— In einer prächtigen Rede, wie sie nur der wahrhaft Unschuldige
vor dem Blutgerüste oder der Advocat eines verfolgten Clienten oder
ein dramatischer Orateur wie Halm halten kann, beweist Vanina
ihre Schuldlosigkeit und das himmelschreiende Unrecht ihrer Hinrich¬
tung. Alle Zuschauer sind von der Wahrheit ihrer Worte, die der
Trommelschlag Sampiero's, „ich bin Dein Mann, ich darf Dich
richten :c.," umsonst zu übertäuben sucht, durchdrungen, und selbst
der Henker wird endlich überführt und weiß nicht, was zu sagen.
Und darum meinen wir, daß Vanina ihrem Mann und mit ihm dem
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/199>, abgerufen am 22.12.2024.
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