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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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einem neuen Felve; ein erster Wassergang auf ungewohnten, Ter¬
rain. Seine Muse ist wie die Hirtin, die ihre Jugend bei Heerden
und Hirtenliedern verlebt, die noch der Waffen ungewohnt, da sie
schon ausruft: Der Helm da ist mein! -- Aber sie wird der Waffen
gewohnt werden, sie wird Schlachten schlagen: Halm wird Erfolge
haben, das beweist der erste Act von Sampiero.

Die folgenden vier Acte aber sagen, daß wohl Halm zu seinem
innern Fortschritte, keinesfalls aber zu seinem Erfolge zu gratuliren
sei; sie sagen, daß der Keim, den die Zeit in Halm's Brust gewor¬
fen, noch nicht gehörig Wurzel gefaßt und noch nicht hervorwachsen
könne zur schönen vollendeten Blüthe eines Dichterwerkes.




Die heißeste Liebe für das Vaterland, der glühendste Haß ge¬
gen die Genueser, ihre bisherigen Tyrannen, begeistert Sampiero und
die ihm anhänglichen Corsen. Nachdem Frankreich im Frieden Cha-
teau-Cambresis Corsica verrathen, zieht Sampiero in alle Welt, um
Hilfe zu suchen; die Patrioten flüchten nach Marseille, mit ihnen
Vanina, Sampicro's Gattin, und Ornone, sein Geheimschreiber. Die¬
ser, ein gemeiner Bösewicht, der ein Sampiero Blutrache zu nehmen
hat, strebt zwischen die Patrioten und Sampiero Zwietracht und
Mißtrauen zu säen und bewegt Vanina durch falsche Vorspiegelungen
erst zu Unterhandlungen, endlich zur Flucht nach Genua. Dort will
sie für ihren Gemahl unterhandeln und, wie sie meint, ihn retten.
Die Flucht wird durch die Patrioten in Marseille vereitelt und Va¬
nina kann nur bis Air gelangen zu ihren Brüdern. Doch sind schon
die Patrioten mißtrauisch und glauben, Vanina unterhandle im Na¬
men Sampicro's. Mittlerweile trifft dieser in Marseille ein, erkennt
das Ungünstige seiner Lage, sieht, daß mit dem Zutrauen der Corsen
Alles verloren, holt Vanina von ihren Brüdern ab und um den
Patrioten seine Treue zu beweisen, ermordet er Vanina (obwohl er
sie für unschuldig hält) und fällt dafür sogleich von der Hand ihres
Bruders. Der Vorhang fällt. -- Dies ist die ganze Fabel eines
Stückes, das die erschütternde That eines Brutus, einen in's Aben¬
teuerliche greifenden Patrioten darstellen soll. Soll, sage ich, ist
aber nicht im Geringsten geschehen. Denn in den ganzen langen
fünf Acten zeigt sich Sampiero nur in einer Scene des eosdem Actes
als charaktervoller, starker Mann, sonst wird nur von seinem


einem neuen Felve; ein erster Wassergang auf ungewohnten, Ter¬
rain. Seine Muse ist wie die Hirtin, die ihre Jugend bei Heerden
und Hirtenliedern verlebt, die noch der Waffen ungewohnt, da sie
schon ausruft: Der Helm da ist mein! — Aber sie wird der Waffen
gewohnt werden, sie wird Schlachten schlagen: Halm wird Erfolge
haben, das beweist der erste Act von Sampiero.

Die folgenden vier Acte aber sagen, daß wohl Halm zu seinem
innern Fortschritte, keinesfalls aber zu seinem Erfolge zu gratuliren
sei; sie sagen, daß der Keim, den die Zeit in Halm's Brust gewor¬
fen, noch nicht gehörig Wurzel gefaßt und noch nicht hervorwachsen
könne zur schönen vollendeten Blüthe eines Dichterwerkes.




Die heißeste Liebe für das Vaterland, der glühendste Haß ge¬
gen die Genueser, ihre bisherigen Tyrannen, begeistert Sampiero und
die ihm anhänglichen Corsen. Nachdem Frankreich im Frieden Cha-
teau-Cambresis Corsica verrathen, zieht Sampiero in alle Welt, um
Hilfe zu suchen; die Patrioten flüchten nach Marseille, mit ihnen
Vanina, Sampicro's Gattin, und Ornone, sein Geheimschreiber. Die¬
ser, ein gemeiner Bösewicht, der ein Sampiero Blutrache zu nehmen
hat, strebt zwischen die Patrioten und Sampiero Zwietracht und
Mißtrauen zu säen und bewegt Vanina durch falsche Vorspiegelungen
erst zu Unterhandlungen, endlich zur Flucht nach Genua. Dort will
sie für ihren Gemahl unterhandeln und, wie sie meint, ihn retten.
Die Flucht wird durch die Patrioten in Marseille vereitelt und Va¬
nina kann nur bis Air gelangen zu ihren Brüdern. Doch sind schon
die Patrioten mißtrauisch und glauben, Vanina unterhandle im Na¬
men Sampicro's. Mittlerweile trifft dieser in Marseille ein, erkennt
das Ungünstige seiner Lage, sieht, daß mit dem Zutrauen der Corsen
Alles verloren, holt Vanina von ihren Brüdern ab und um den
Patrioten seine Treue zu beweisen, ermordet er Vanina (obwohl er
sie für unschuldig hält) und fällt dafür sogleich von der Hand ihres
Bruders. Der Vorhang fällt. — Dies ist die ganze Fabel eines
Stückes, das die erschütternde That eines Brutus, einen in's Aben¬
teuerliche greifenden Patrioten darstellen soll. Soll, sage ich, ist
aber nicht im Geringsten geschehen. Denn in den ganzen langen
fünf Acten zeigt sich Sampiero nur in einer Scene des eosdem Actes
als charaktervoller, starker Mann, sonst wird nur von seinem


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[0198] einem neuen Felve; ein erster Wassergang auf ungewohnten, Ter¬ rain. Seine Muse ist wie die Hirtin, die ihre Jugend bei Heerden und Hirtenliedern verlebt, die noch der Waffen ungewohnt, da sie schon ausruft: Der Helm da ist mein! — Aber sie wird der Waffen gewohnt werden, sie wird Schlachten schlagen: Halm wird Erfolge haben, das beweist der erste Act von Sampiero. Die folgenden vier Acte aber sagen, daß wohl Halm zu seinem innern Fortschritte, keinesfalls aber zu seinem Erfolge zu gratuliren sei; sie sagen, daß der Keim, den die Zeit in Halm's Brust gewor¬ fen, noch nicht gehörig Wurzel gefaßt und noch nicht hervorwachsen könne zur schönen vollendeten Blüthe eines Dichterwerkes. Die heißeste Liebe für das Vaterland, der glühendste Haß ge¬ gen die Genueser, ihre bisherigen Tyrannen, begeistert Sampiero und die ihm anhänglichen Corsen. Nachdem Frankreich im Frieden Cha- teau-Cambresis Corsica verrathen, zieht Sampiero in alle Welt, um Hilfe zu suchen; die Patrioten flüchten nach Marseille, mit ihnen Vanina, Sampicro's Gattin, und Ornone, sein Geheimschreiber. Die¬ ser, ein gemeiner Bösewicht, der ein Sampiero Blutrache zu nehmen hat, strebt zwischen die Patrioten und Sampiero Zwietracht und Mißtrauen zu säen und bewegt Vanina durch falsche Vorspiegelungen erst zu Unterhandlungen, endlich zur Flucht nach Genua. Dort will sie für ihren Gemahl unterhandeln und, wie sie meint, ihn retten. Die Flucht wird durch die Patrioten in Marseille vereitelt und Va¬ nina kann nur bis Air gelangen zu ihren Brüdern. Doch sind schon die Patrioten mißtrauisch und glauben, Vanina unterhandle im Na¬ men Sampicro's. Mittlerweile trifft dieser in Marseille ein, erkennt das Ungünstige seiner Lage, sieht, daß mit dem Zutrauen der Corsen Alles verloren, holt Vanina von ihren Brüdern ab und um den Patrioten seine Treue zu beweisen, ermordet er Vanina (obwohl er sie für unschuldig hält) und fällt dafür sogleich von der Hand ihres Bruders. Der Vorhang fällt. — Dies ist die ganze Fabel eines Stückes, das die erschütternde That eines Brutus, einen in's Aben¬ teuerliche greifenden Patrioten darstellen soll. Soll, sage ich, ist aber nicht im Geringsten geschehen. Denn in den ganzen langen fünf Acten zeigt sich Sampiero nur in einer Scene des eosdem Actes als charaktervoller, starker Mann, sonst wird nur von seinem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/198>, abgerufen am 22.12.2024.