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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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treten, von denen einer eine Bibel oder Katechismus präsentirt,
woraus die Prinzessin Sprüche lernen soll, der andere eine Suppen¬
terrine mit gequollenen Erbsen aus der Garnisonsküche überreicht, die
ihre Kost sein sollen, der dritte einen angefangenen Strickstrumpf, den
sie fertig stricken soll. Höchst originell ist die Verabschiedung des
englischen Gesandten, bei welcher der König und der Gesandte stets
ihre Rede an den General von Grumbkow richten, der in der Mitte
zwischen ihnen steht, daß er sie dem, welchem sie gilt, mittheilen soll.
Die Krone des Stückes aber ist das Tabakscollcgium. Dabei eben
der Dichter zeitgemäße glückliche Griffe in unsere Nationalsympathien.
Als Englands Gesandter bei dem zu stipulirenden Hcirathscontract
zwischen ven Prinzen von Wales und der Prinzessin Wilhelmine den
Abschluß eines neuen HandelStractats verlangt, ruft der König aus:
Hcmdelstractate! Hab' ich darum die Cultur meines Landes zu ver¬
edlen gesucht, Handel und Gewerbe gehoben, die Schifffahrt beför¬
dert, Tausenden von armen französischen Neligionsflüchtlingen in mei¬
nen Staaten ein Asyl geschenkt, daß ich nun, für die Ehre, mit Eng¬
land verschwiegen zu werden, die Thore öffnen und die verbotenen
englischen Waaren zum Ruin meiner Unterthanen hereinlassen soll?
-- Andauernder jubelnder Beifall brach jedesmal bei den Worten
des Königs aus: Statt England dann ein deutscher Staat! Und
's ist besser so, meine Herren, '6 ist besser. An Deutschland schließ
ich mich an mit ganzer Seele. Fremder Eigennutz lehre uns einig
sein! -- Köstlich ist die Rede, die der scheinbar trunkene Erbprinz
von Baireuth vor dem Tabakscollegium zum Andenken des anwesen¬
den, als verstorben angenommenen Königs hält, die durch dre Be¬
merkungen, die der König und andere Anwesende dazwischen werfen,,
von noch größerer dramatischer Wirkung ist. Sie gibt zugleich eine
höchst gelungene Schilderung Friedrich Wilhelm's I., so daß ich mich
nicht enthalten kann, sie hier mitzutheilen, jedoch ohne Einreden der
übrigen Personen: Fröhliche Versammlung, vergnügte Leidtragende!
Erlauben Sie, daß ich die heutige Festfreude durch einige schmerzliche
Betrachtungen über die Eigenschaften des Dahingeschiedenen untere
breche. -- Friedrich Wilhelm i., König von Preußen, war -- ein
Charakter, in dem sich -- die sonderbarsten Widersprüche -- ver¬
einigten. -- Wie bei allen Menschen, die ihre Erziehung sich selbst


Grcnzbot-n 1844. I. 25

merarrcst verkündet und mit ihm noch drei andere Grenadiere ein>
treten, von denen einer eine Bibel oder Katechismus präsentirt,
woraus die Prinzessin Sprüche lernen soll, der andere eine Suppen¬
terrine mit gequollenen Erbsen aus der Garnisonsküche überreicht, die
ihre Kost sein sollen, der dritte einen angefangenen Strickstrumpf, den
sie fertig stricken soll. Höchst originell ist die Verabschiedung des
englischen Gesandten, bei welcher der König und der Gesandte stets
ihre Rede an den General von Grumbkow richten, der in der Mitte
zwischen ihnen steht, daß er sie dem, welchem sie gilt, mittheilen soll.
Die Krone des Stückes aber ist das Tabakscollcgium. Dabei eben
der Dichter zeitgemäße glückliche Griffe in unsere Nationalsympathien.
Als Englands Gesandter bei dem zu stipulirenden Hcirathscontract
zwischen ven Prinzen von Wales und der Prinzessin Wilhelmine den
Abschluß eines neuen HandelStractats verlangt, ruft der König aus:
Hcmdelstractate! Hab' ich darum die Cultur meines Landes zu ver¬
edlen gesucht, Handel und Gewerbe gehoben, die Schifffahrt beför¬
dert, Tausenden von armen französischen Neligionsflüchtlingen in mei¬
nen Staaten ein Asyl geschenkt, daß ich nun, für die Ehre, mit Eng¬
land verschwiegen zu werden, die Thore öffnen und die verbotenen
englischen Waaren zum Ruin meiner Unterthanen hereinlassen soll?
— Andauernder jubelnder Beifall brach jedesmal bei den Worten
des Königs aus: Statt England dann ein deutscher Staat! Und
's ist besser so, meine Herren, '6 ist besser. An Deutschland schließ
ich mich an mit ganzer Seele. Fremder Eigennutz lehre uns einig
sein! — Köstlich ist die Rede, die der scheinbar trunkene Erbprinz
von Baireuth vor dem Tabakscollegium zum Andenken des anwesen¬
den, als verstorben angenommenen Königs hält, die durch dre Be¬
merkungen, die der König und andere Anwesende dazwischen werfen,,
von noch größerer dramatischer Wirkung ist. Sie gibt zugleich eine
höchst gelungene Schilderung Friedrich Wilhelm's I., so daß ich mich
nicht enthalten kann, sie hier mitzutheilen, jedoch ohne Einreden der
übrigen Personen: Fröhliche Versammlung, vergnügte Leidtragende!
Erlauben Sie, daß ich die heutige Festfreude durch einige schmerzliche
Betrachtungen über die Eigenschaften des Dahingeschiedenen untere
breche. — Friedrich Wilhelm i., König von Preußen, war — ein
Charakter, in dem sich — die sonderbarsten Widersprüche -- ver¬
einigten. — Wie bei allen Menschen, die ihre Erziehung sich selbst


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[0193] merarrcst verkündet und mit ihm noch drei andere Grenadiere ein> treten, von denen einer eine Bibel oder Katechismus präsentirt, woraus die Prinzessin Sprüche lernen soll, der andere eine Suppen¬ terrine mit gequollenen Erbsen aus der Garnisonsküche überreicht, die ihre Kost sein sollen, der dritte einen angefangenen Strickstrumpf, den sie fertig stricken soll. Höchst originell ist die Verabschiedung des englischen Gesandten, bei welcher der König und der Gesandte stets ihre Rede an den General von Grumbkow richten, der in der Mitte zwischen ihnen steht, daß er sie dem, welchem sie gilt, mittheilen soll. Die Krone des Stückes aber ist das Tabakscollcgium. Dabei eben der Dichter zeitgemäße glückliche Griffe in unsere Nationalsympathien. Als Englands Gesandter bei dem zu stipulirenden Hcirathscontract zwischen ven Prinzen von Wales und der Prinzessin Wilhelmine den Abschluß eines neuen HandelStractats verlangt, ruft der König aus: Hcmdelstractate! Hab' ich darum die Cultur meines Landes zu ver¬ edlen gesucht, Handel und Gewerbe gehoben, die Schifffahrt beför¬ dert, Tausenden von armen französischen Neligionsflüchtlingen in mei¬ nen Staaten ein Asyl geschenkt, daß ich nun, für die Ehre, mit Eng¬ land verschwiegen zu werden, die Thore öffnen und die verbotenen englischen Waaren zum Ruin meiner Unterthanen hereinlassen soll? — Andauernder jubelnder Beifall brach jedesmal bei den Worten des Königs aus: Statt England dann ein deutscher Staat! Und 's ist besser so, meine Herren, '6 ist besser. An Deutschland schließ ich mich an mit ganzer Seele. Fremder Eigennutz lehre uns einig sein! — Köstlich ist die Rede, die der scheinbar trunkene Erbprinz von Baireuth vor dem Tabakscollegium zum Andenken des anwesen¬ den, als verstorben angenommenen Königs hält, die durch dre Be¬ merkungen, die der König und andere Anwesende dazwischen werfen,, von noch größerer dramatischer Wirkung ist. Sie gibt zugleich eine höchst gelungene Schilderung Friedrich Wilhelm's I., so daß ich mich nicht enthalten kann, sie hier mitzutheilen, jedoch ohne Einreden der übrigen Personen: Fröhliche Versammlung, vergnügte Leidtragende! Erlauben Sie, daß ich die heutige Festfreude durch einige schmerzliche Betrachtungen über die Eigenschaften des Dahingeschiedenen untere breche. — Friedrich Wilhelm i., König von Preußen, war — ein Charakter, in dem sich — die sonderbarsten Widersprüche -- ver¬ einigten. — Wie bei allen Menschen, die ihre Erziehung sich selbst Grcnzbot-n 1844. I. 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/193>, abgerufen am 29.06.2024.