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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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preußische General -- vielleicht aus Sympathie technischen Hanges,
der auch ihm nicht fremd war -- das größte Vergnügen an dem
Sonderling, den übrigens Frau von Varnhagen, unter eigenem La¬
chen und Scherz, einigemal eifrig in Schutz nahm und seinen wirk¬
lichen Vorzügen und Kenntnissen Anerkennung zu verschaffen wußte.

Durch eine Neuigkeit, welche Jemand mitgebracht, lenkte sich das
Gespräch aus politische Dinge; und Professor Gans, der schon viele
Zeichen von Ungeduld und Verdrießlichkeit gegeben hatte, ergriff den
Anlaß, nun auch seinerseits thätig hervorzutreten. Ich hatte ihm
wahrlich Unrecht gethan, ihn vorhin für ungeschickt und schüchtern zu
halten; ich sah nun vollkommen ein, daß er nur rücksichtsvoll gewe¬
sen und den guten alten Reden nicht hatte ärgern wollen. Jetzt
brannte er sichtbar darauf hin, eS mit dem bedeutender" Gegner auf¬
zunehmen, und als Cordova eine Bemerkung hingeworfen hatte, rief
er ihm scharfen Widerspruch zu. Der Spanier, etwas verwundert,
maß seinen Gegner und schien zum Streiten eben nicht Luft zu ha¬
ben, antwortete aber einige Worte, mit denen er die Sache vornehm
abzuthun glaubte. Doch das war gar nicht die Meinung von Gans.
Der kühne Dialektiker saßte seinen Mann nur enger und zwang ihn,
Rede zu stehen. Das Gespräch setzte sich auf den mißlichsten und
gefährlichsten Gegenstand, der mit einem spanischen Gesandten zu er¬
örtern sein mochte, nämlich auf die Verbindlichkeit der Eide und
Versprechungen, welche der Fürst dem Volke leistet. Gans hatte sich
heftig zum Streite gedrängr, aber als dieser entzündet und er des
Kampfes sicher war, da wurde er wunderbar ruhig und führte mit
Gelassenheit die kuh'nöten und doch bedachtvollsten Streiche, geschickt
die ihm brauchbaren Thatsachen cinflechtcnd, folgerecht die triftigsten
Gründe und bündigsten Schlüsse darlegend, immer bereit, den Gegner
zu hören, ihn immer ausreden lassend, aber dann, mit größter Be¬
herrschung des Stoffes und mit scharfsinnigster Benutzung aller ge¬
gebenen Blößen, seine Argumentation fortsetzend und sie endlich in
klares, einleuchtendes Ergebniß abschließend. Dies Alles geschah in
fließendem, schwungvollen Französisch, mit größter Präcision, mit Hel¬
ler, freimüthiger Stimme, so daß eS ein Vergnügen war, den wackern
Redner anzuhören. Auch siegte er vollkommen; selbst der alte Reden
murmelte Beifall. Ueberdies erleichterte Gans dem Gegner die Nie¬
derlage großmüthig, indem er, als sie schon entschieden war, zum


preußische General — vielleicht aus Sympathie technischen Hanges,
der auch ihm nicht fremd war — das größte Vergnügen an dem
Sonderling, den übrigens Frau von Varnhagen, unter eigenem La¬
chen und Scherz, einigemal eifrig in Schutz nahm und seinen wirk¬
lichen Vorzügen und Kenntnissen Anerkennung zu verschaffen wußte.

Durch eine Neuigkeit, welche Jemand mitgebracht, lenkte sich das
Gespräch aus politische Dinge; und Professor Gans, der schon viele
Zeichen von Ungeduld und Verdrießlichkeit gegeben hatte, ergriff den
Anlaß, nun auch seinerseits thätig hervorzutreten. Ich hatte ihm
wahrlich Unrecht gethan, ihn vorhin für ungeschickt und schüchtern zu
halten; ich sah nun vollkommen ein, daß er nur rücksichtsvoll gewe¬
sen und den guten alten Reden nicht hatte ärgern wollen. Jetzt
brannte er sichtbar darauf hin, eS mit dem bedeutender» Gegner auf¬
zunehmen, und als Cordova eine Bemerkung hingeworfen hatte, rief
er ihm scharfen Widerspruch zu. Der Spanier, etwas verwundert,
maß seinen Gegner und schien zum Streiten eben nicht Luft zu ha¬
ben, antwortete aber einige Worte, mit denen er die Sache vornehm
abzuthun glaubte. Doch das war gar nicht die Meinung von Gans.
Der kühne Dialektiker saßte seinen Mann nur enger und zwang ihn,
Rede zu stehen. Das Gespräch setzte sich auf den mißlichsten und
gefährlichsten Gegenstand, der mit einem spanischen Gesandten zu er¬
örtern sein mochte, nämlich auf die Verbindlichkeit der Eide und
Versprechungen, welche der Fürst dem Volke leistet. Gans hatte sich
heftig zum Streite gedrängr, aber als dieser entzündet und er des
Kampfes sicher war, da wurde er wunderbar ruhig und führte mit
Gelassenheit die kuh'nöten und doch bedachtvollsten Streiche, geschickt
die ihm brauchbaren Thatsachen cinflechtcnd, folgerecht die triftigsten
Gründe und bündigsten Schlüsse darlegend, immer bereit, den Gegner
zu hören, ihn immer ausreden lassend, aber dann, mit größter Be¬
herrschung des Stoffes und mit scharfsinnigster Benutzung aller ge¬
gebenen Blößen, seine Argumentation fortsetzend und sie endlich in
klares, einleuchtendes Ergebniß abschließend. Dies Alles geschah in
fließendem, schwungvollen Französisch, mit größter Präcision, mit Hel¬
ler, freimüthiger Stimme, so daß eS ein Vergnügen war, den wackern
Redner anzuhören. Auch siegte er vollkommen; selbst der alte Reden
murmelte Beifall. Ueberdies erleichterte Gans dem Gegner die Nie¬
derlage großmüthig, indem er, als sie schon entschieden war, zum


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[0189] preußische General — vielleicht aus Sympathie technischen Hanges, der auch ihm nicht fremd war — das größte Vergnügen an dem Sonderling, den übrigens Frau von Varnhagen, unter eigenem La¬ chen und Scherz, einigemal eifrig in Schutz nahm und seinen wirk¬ lichen Vorzügen und Kenntnissen Anerkennung zu verschaffen wußte. Durch eine Neuigkeit, welche Jemand mitgebracht, lenkte sich das Gespräch aus politische Dinge; und Professor Gans, der schon viele Zeichen von Ungeduld und Verdrießlichkeit gegeben hatte, ergriff den Anlaß, nun auch seinerseits thätig hervorzutreten. Ich hatte ihm wahrlich Unrecht gethan, ihn vorhin für ungeschickt und schüchtern zu halten; ich sah nun vollkommen ein, daß er nur rücksichtsvoll gewe¬ sen und den guten alten Reden nicht hatte ärgern wollen. Jetzt brannte er sichtbar darauf hin, eS mit dem bedeutender» Gegner auf¬ zunehmen, und als Cordova eine Bemerkung hingeworfen hatte, rief er ihm scharfen Widerspruch zu. Der Spanier, etwas verwundert, maß seinen Gegner und schien zum Streiten eben nicht Luft zu ha¬ ben, antwortete aber einige Worte, mit denen er die Sache vornehm abzuthun glaubte. Doch das war gar nicht die Meinung von Gans. Der kühne Dialektiker saßte seinen Mann nur enger und zwang ihn, Rede zu stehen. Das Gespräch setzte sich auf den mißlichsten und gefährlichsten Gegenstand, der mit einem spanischen Gesandten zu er¬ örtern sein mochte, nämlich auf die Verbindlichkeit der Eide und Versprechungen, welche der Fürst dem Volke leistet. Gans hatte sich heftig zum Streite gedrängr, aber als dieser entzündet und er des Kampfes sicher war, da wurde er wunderbar ruhig und führte mit Gelassenheit die kuh'nöten und doch bedachtvollsten Streiche, geschickt die ihm brauchbaren Thatsachen cinflechtcnd, folgerecht die triftigsten Gründe und bündigsten Schlüsse darlegend, immer bereit, den Gegner zu hören, ihn immer ausreden lassend, aber dann, mit größter Be¬ herrschung des Stoffes und mit scharfsinnigster Benutzung aller ge¬ gebenen Blößen, seine Argumentation fortsetzend und sie endlich in klares, einleuchtendes Ergebniß abschließend. Dies Alles geschah in fließendem, schwungvollen Französisch, mit größter Präcision, mit Hel¬ ler, freimüthiger Stimme, so daß eS ein Vergnügen war, den wackern Redner anzuhören. Auch siegte er vollkommen; selbst der alte Reden murmelte Beifall. Ueberdies erleichterte Gans dem Gegner die Nie¬ derlage großmüthig, indem er, als sie schon entschieden war, zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/189>, abgerufen am 29.06.2024.