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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Luli-riei- keim<?sis, den er zusammengefaltet noch zwischen den Fin¬
gern hielt.'

Währenddeö Singens waren zwei Herren still hereingekommen,
welche jetzt ihre Begrüßungen machten. Der eine war der General
von einer der ausgezeichnetsten höhern Offiziere der preußischen
Armee, dessen entschlossenes, rüstiges Aussehen den bewährten Kriegs¬
mann sogleich erkennen ließ. Er war bekannt als überaus geschickt
in körperlichen Uebungen, besonders im Fechten und Schwimmen,
und überall, wo er sich aufgehalten und wo das Wasser nicht gefehlt,
hatte er durch errichtete Schwimmschulcn sein Andenken verewigt.
Aber ausgezeichneter noch war seine geistige Bildung; mit größter
Natürlichkeit fein und taktvoll, sprach er sachkundig und klar über
viele Dinge, die einem General nicht geläufig zu sein brauchen, und
sprach, wo es der Anlaß forderte, mit Leichtigkeit ein gediegenes
Französisch. Der andere, mit ihm gekommene Herr war gerade hierin
sehr das Gegentheil; seine Zunge lief wohl rasch über die französi¬
schen Redensarten hin, aber keine blieb unbeschädigt und alle Vocale
und Accente rangen in der schrecklichsten Verwirrung. Ein junger
Bürger der Vereinigten Staaten, war er seiner Ausbildung wegen
nach Europa gekommen und verfolgte seinen Zweck, wie erzählt
wurde, mit einem Ernst und Eifer, der einem Vierzigjährigen Ehre
gemacht hätte. Nach Art seiner amerikanischen Landsleute, wollte er
Alles nach praktischen Prinzipien und mit möglichster Zeitersparung
lernen; er verlangte von Hegel's Schülern die Philosophie ihres
Meisters auf einem Quartblatt; einen Maler bat er um die Mitthei¬
lung der Grundsätze, nach denen er ein Porträt mache; von dem
General verlangte er die Regeln, wie man eine Schlacht gewinne;
genug, in seinem technischen Bilvungsdrange ein so wunderliches und
hier zu Lande fremdartiges Menschenkind, daß ein Urmensch jenes
Bodens, eine Rothhaut selbst, hier kaum größeres Staunen hätte
wecken können. Sein unerschütterlicher Gleichmuth, sein uncrmüdetcs,
lerngieriges Fragen und die achtlose Offenheit, mit der er sich selbst
und alle Andern einzig für seinen nächsten Zweck behandelte, waren
zu ergötzlich, als daß sie hätten verletzen können. Als er von Ma¬
dame Milder ein Recept verlangte, wie sie ihre Stimme gebrauche,
gleichsam, als wolle er dergleichen in den Vereinigten Staaten nach-
erzeugen, erheiterte sich die ganze Gesellschaft, und besonders hatte der


Luli-riei- keim<?sis, den er zusammengefaltet noch zwischen den Fin¬
gern hielt.'

Währenddeö Singens waren zwei Herren still hereingekommen,
welche jetzt ihre Begrüßungen machten. Der eine war der General
von einer der ausgezeichnetsten höhern Offiziere der preußischen
Armee, dessen entschlossenes, rüstiges Aussehen den bewährten Kriegs¬
mann sogleich erkennen ließ. Er war bekannt als überaus geschickt
in körperlichen Uebungen, besonders im Fechten und Schwimmen,
und überall, wo er sich aufgehalten und wo das Wasser nicht gefehlt,
hatte er durch errichtete Schwimmschulcn sein Andenken verewigt.
Aber ausgezeichneter noch war seine geistige Bildung; mit größter
Natürlichkeit fein und taktvoll, sprach er sachkundig und klar über
viele Dinge, die einem General nicht geläufig zu sein brauchen, und
sprach, wo es der Anlaß forderte, mit Leichtigkeit ein gediegenes
Französisch. Der andere, mit ihm gekommene Herr war gerade hierin
sehr das Gegentheil; seine Zunge lief wohl rasch über die französi¬
schen Redensarten hin, aber keine blieb unbeschädigt und alle Vocale
und Accente rangen in der schrecklichsten Verwirrung. Ein junger
Bürger der Vereinigten Staaten, war er seiner Ausbildung wegen
nach Europa gekommen und verfolgte seinen Zweck, wie erzählt
wurde, mit einem Ernst und Eifer, der einem Vierzigjährigen Ehre
gemacht hätte. Nach Art seiner amerikanischen Landsleute, wollte er
Alles nach praktischen Prinzipien und mit möglichster Zeitersparung
lernen; er verlangte von Hegel's Schülern die Philosophie ihres
Meisters auf einem Quartblatt; einen Maler bat er um die Mitthei¬
lung der Grundsätze, nach denen er ein Porträt mache; von dem
General verlangte er die Regeln, wie man eine Schlacht gewinne;
genug, in seinem technischen Bilvungsdrange ein so wunderliches und
hier zu Lande fremdartiges Menschenkind, daß ein Urmensch jenes
Bodens, eine Rothhaut selbst, hier kaum größeres Staunen hätte
wecken können. Sein unerschütterlicher Gleichmuth, sein uncrmüdetcs,
lerngieriges Fragen und die achtlose Offenheit, mit der er sich selbst
und alle Andern einzig für seinen nächsten Zweck behandelte, waren
zu ergötzlich, als daß sie hätten verletzen können. Als er von Ma¬
dame Milder ein Recept verlangte, wie sie ihre Stimme gebrauche,
gleichsam, als wolle er dergleichen in den Vereinigten Staaten nach-
erzeugen, erheiterte sich die ganze Gesellschaft, und besonders hatte der


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[0188] Luli-riei- keim<?sis, den er zusammengefaltet noch zwischen den Fin¬ gern hielt.' Währenddeö Singens waren zwei Herren still hereingekommen, welche jetzt ihre Begrüßungen machten. Der eine war der General von einer der ausgezeichnetsten höhern Offiziere der preußischen Armee, dessen entschlossenes, rüstiges Aussehen den bewährten Kriegs¬ mann sogleich erkennen ließ. Er war bekannt als überaus geschickt in körperlichen Uebungen, besonders im Fechten und Schwimmen, und überall, wo er sich aufgehalten und wo das Wasser nicht gefehlt, hatte er durch errichtete Schwimmschulcn sein Andenken verewigt. Aber ausgezeichneter noch war seine geistige Bildung; mit größter Natürlichkeit fein und taktvoll, sprach er sachkundig und klar über viele Dinge, die einem General nicht geläufig zu sein brauchen, und sprach, wo es der Anlaß forderte, mit Leichtigkeit ein gediegenes Französisch. Der andere, mit ihm gekommene Herr war gerade hierin sehr das Gegentheil; seine Zunge lief wohl rasch über die französi¬ schen Redensarten hin, aber keine blieb unbeschädigt und alle Vocale und Accente rangen in der schrecklichsten Verwirrung. Ein junger Bürger der Vereinigten Staaten, war er seiner Ausbildung wegen nach Europa gekommen und verfolgte seinen Zweck, wie erzählt wurde, mit einem Ernst und Eifer, der einem Vierzigjährigen Ehre gemacht hätte. Nach Art seiner amerikanischen Landsleute, wollte er Alles nach praktischen Prinzipien und mit möglichster Zeitersparung lernen; er verlangte von Hegel's Schülern die Philosophie ihres Meisters auf einem Quartblatt; einen Maler bat er um die Mitthei¬ lung der Grundsätze, nach denen er ein Porträt mache; von dem General verlangte er die Regeln, wie man eine Schlacht gewinne; genug, in seinem technischen Bilvungsdrange ein so wunderliches und hier zu Lande fremdartiges Menschenkind, daß ein Urmensch jenes Bodens, eine Rothhaut selbst, hier kaum größeres Staunen hätte wecken können. Sein unerschütterlicher Gleichmuth, sein uncrmüdetcs, lerngieriges Fragen und die achtlose Offenheit, mit der er sich selbst und alle Andern einzig für seinen nächsten Zweck behandelte, waren zu ergötzlich, als daß sie hätten verletzen können. Als er von Ma¬ dame Milder ein Recept verlangte, wie sie ihre Stimme gebrauche, gleichsam, als wolle er dergleichen in den Vereinigten Staaten nach- erzeugen, erheiterte sich die ganze Gesellschaft, und besonders hatte der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/188>, abgerufen am 29.06.2024.