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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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unwillkürlich die Köpfe und sehen Herrn von Reden mit zornigen
Geberden sich ereifern, er weist eine Beschuldigung heftig zurück, welche
Robert unvorsichtig gegen den Grafen von Münster vorgebracht; dies
war ein Punkt, wo der treue hannöversche Staatsdiener keinen Spaß
verstand, sondern sogleich Flamme fing. Robert selber war etwas
erschrocken über den Knall des Schusses, den er absichtslos gethan
hatte. Frau von Vamhagen trat hinzu, lobte den guten Alten we¬
gen seines Eifers, der sich schon dadurch gleich besänftigte, und sagte
dem Bruder, Herr von Reden werde nicht böse auf ihn sein. --
O nein, ganz und gar nicht! rief der Letztere gerührt und bot jenem
traulich die Hand. Völlig geschlichtet und vergessen wurde die Mi߬
Helligkeit durch den Eintritt der Gattin Robert's, der schönen Frie-
denke. Man mochte diese Frau leiden können oder nicht, schön fin¬
den mußte man sie, und sie war es in höchstem Grade, sie strahlte
so hell, daß die andern Gesichter neben ihr im Schatten zu sein schie¬
nen; eine Wirkung, die nur nicht von Dauer war, denn allmälig
suchte der Blick doch wieder den Ausdruck des Geistes, der Klugheit,
der Güte, des Freisinns, der Zartheit und anderer Eigenschaften,
durch welche hier die augenblicklich verdunkelten Physiognomien bald
wieder sich erhellten und zuletzt die bloße Schönheit weit überflügel¬
ten. Jetzt aber wirkte die schöne Friederike wie ein guter Genius,
Frau von Varnhagen führte sie zu Herrn von Reden, der seine ga-
lanten Huldigungen hier gern anbrachte und gern gehört wurde. Die
jungem Herren drängten sich nun auel herzu, der Schönheit wider¬
fuhr ihr volles Recht, wie Frau von Varnhagen munter sagte. --

Madame Milder war inzwischen zum Fortepiano getreten und
bereitete sich zu singen. Bald war Alles still und havrte der mäch¬
tigen Töne dieser Silberglocken. Sie begannen in zartester Reinheit
und Süßigkeit und schwollen zu dem stärksten Strom, ohne getrübt
zu werden. Lieder von Kreutzer, von Schubert und Beethoven rissen
uns Alle zum Entzücken hin. Eine zauberische Einfalt wirkte in die¬
sen Tönen, rührte das innerste Herz, das Gemüth fühlte sich durch¬
schauert und emporgehoben. Frau von Varnhagen lächelte mit feuch¬
tem Auge; selbst Graf von M..., der ausschließliche Bewunderer
italienischen Gesanges, lobte diesen deutschen; nur General Cordova
wehrte sich gegen den Eindruck und blickte wie zerstreut in seinen


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unwillkürlich die Köpfe und sehen Herrn von Reden mit zornigen
Geberden sich ereifern, er weist eine Beschuldigung heftig zurück, welche
Robert unvorsichtig gegen den Grafen von Münster vorgebracht; dies
war ein Punkt, wo der treue hannöversche Staatsdiener keinen Spaß
verstand, sondern sogleich Flamme fing. Robert selber war etwas
erschrocken über den Knall des Schusses, den er absichtslos gethan
hatte. Frau von Vamhagen trat hinzu, lobte den guten Alten we¬
gen seines Eifers, der sich schon dadurch gleich besänftigte, und sagte
dem Bruder, Herr von Reden werde nicht böse auf ihn sein. —
O nein, ganz und gar nicht! rief der Letztere gerührt und bot jenem
traulich die Hand. Völlig geschlichtet und vergessen wurde die Mi߬
Helligkeit durch den Eintritt der Gattin Robert's, der schönen Frie-
denke. Man mochte diese Frau leiden können oder nicht, schön fin¬
den mußte man sie, und sie war es in höchstem Grade, sie strahlte
so hell, daß die andern Gesichter neben ihr im Schatten zu sein schie¬
nen; eine Wirkung, die nur nicht von Dauer war, denn allmälig
suchte der Blick doch wieder den Ausdruck des Geistes, der Klugheit,
der Güte, des Freisinns, der Zartheit und anderer Eigenschaften,
durch welche hier die augenblicklich verdunkelten Physiognomien bald
wieder sich erhellten und zuletzt die bloße Schönheit weit überflügel¬
ten. Jetzt aber wirkte die schöne Friederike wie ein guter Genius,
Frau von Varnhagen führte sie zu Herrn von Reden, der seine ga-
lanten Huldigungen hier gern anbrachte und gern gehört wurde. Die
jungem Herren drängten sich nun auel herzu, der Schönheit wider¬
fuhr ihr volles Recht, wie Frau von Varnhagen munter sagte. —

Madame Milder war inzwischen zum Fortepiano getreten und
bereitete sich zu singen. Bald war Alles still und havrte der mäch¬
tigen Töne dieser Silberglocken. Sie begannen in zartester Reinheit
und Süßigkeit und schwollen zu dem stärksten Strom, ohne getrübt
zu werden. Lieder von Kreutzer, von Schubert und Beethoven rissen
uns Alle zum Entzücken hin. Eine zauberische Einfalt wirkte in die¬
sen Tönen, rührte das innerste Herz, das Gemüth fühlte sich durch¬
schauert und emporgehoben. Frau von Varnhagen lächelte mit feuch¬
tem Auge; selbst Graf von M..., der ausschließliche Bewunderer
italienischen Gesanges, lobte diesen deutschen; nur General Cordova
wehrte sich gegen den Eindruck und blickte wie zerstreut in seinen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/187>, abgerufen am 29.06.2024.